Ein Wissenschaflter betrachtet eine Petrischale mit In-Vitro-Fleisch
Weniger Tierleid, bessere Klimabilanz: Ist In-vitro-Fleisch das Fleisch der Zukunft? Bildrechte: IMAGO / Pond5

Essen aus dem Labor In-vitro-Fleisch - das Fleisch der Zukunft?

19. Oktober 2023, 18:39 Uhr

Weniger Tierleid, eine bessere Klimabilanz - ist künstlich im Labor hergestelltes Fleisch etwa unser Fleisch der Zukunft? Wie gelingt es, Fleisch, Wurst und Steak im Labor herzustellen - und in welchen Punkten besteht noch Forschungsbedarf? Ein Überblick zum Thema Fleisch aus dem Labor.

Viele Menschen nehmen sich regelmäßig vor, weniger Fleisch zu essen. Denn so lecker es auch schmeckt, Massentierhaltung und Klimawandel schmälern den Genuss erheblich.

Abhilfe schaffen könnte eine ganz neue Form des Fleischs: sogenanntes In-vitro-Fleisch (IVF). Das wird im Labor hergestellt - Tiere müssen dafür nicht sterben. Außerdem könnte das künstliche Fleisch die Ernährung einer stetig wachsenden Weltbevölkerung sichern.

Wie wird In-vitro-Fleisch im Labor hergestellt?

Doch so ganz ohne Tierhaltung kann auch das In-vitro-Fleisch nicht hergestellt werden. Denn dafür sind unter anderem tierische Stammzellen nötig, die dem lebenden Tier bei einer Biopsie entnommen werden. Aus diesen Zellen werden im Labor mit Hilfe einer Nährlösung aus Zucker, Mineralien und Sauerstoff Muskelfasern, Fett und anderes Gewebe gezüchtet. Wichtig ist dabei eine konstante Temperatur, die in etwa der Körpertemperatur des jeweiligen Tieres entspricht.

Die Methoden zur Produktion von Zellkultur-Fleisch entspricht damit dem Züchten von Gewebe zu medizinischen Zwecken. Etwa so, wie es sich bei Hauttransplantationen bewährt hat.

Im Reagenzglas gezüchtetes Fleisch in Tropfenform an einer Pipette
Ganz ohne Tierhaltung kann auch In-vitro-Fleisch nicht hergestellt werden. Doch müssen die Tiere dafür nicht getötet werden. Bildrechte: Colourbox.de

USA erlaubt Verkauf von Laborfleisch

Bisher gab es Laborfleisch nur in wenigen Ländern zu kaufen. Seit 2020 wurde es lediglich in Singapur in Form von Hähnchenfleischnuggets angeboten. Jetzt folgt das nächste Land. Am 22.06.23 wurde in den USA eine Zulassung genehmigt, die den Verkauf von Laborhühnerfleisch erlaubt.

Wurst und Burger: ja, Steak und Braten: nein

Ein fertiges Steak bekommt man derzeit noch nicht aus dem Labor. Die künstlichen Muskelzellen wachsen in einer einzelnen dünnen Schicht zu Muskelfasern heran. Presst man viele dieser Zellschichten zu Zellverbänden zusammen, können Fleischprodukte wie Frikadellen, Würste oder Nuggets hergestellt werden.

Um dreidimensionale Fleischstrukturen mit richtiger Konsistenz - wie z.B. ein Steak - zu kreieren, werden Gerüste aus Kollagen oder Vielfachzuckern benötigt, an denen die Zellen wachsen können. Diese Gerüste sind bislang noch Bestandteil wissenschaftlicher Forschung.

Der erste Burger aus dem Labor. Aus einem kleinen Stückchen Fleischfaser belgischer Rinder. 20.000 Muskelfasern sind nötig für einen Burger.
Einen Burger kann man bereits aus Laborfleisch herstellen. An dreidimensionalen Fleischstrukturen wird derzeit noch gearbeitet. Bildrechte: David Parry / PA Wire

Wirklich eine bessere Energiebilanz?

Wie die Energiebilanz des künstlichen Fleischs letztlich aussehen wird, kann man derzeit noch nicht abschätzen. Eine verlässliche Aussage lässt sich erst treffen, wenn das In-vitro Fleisch in großer Produktion verkauft und vertrieben wird. Die wenigen Studien, die zu diesem Thema existieren, dienen vorerst also nur als Anhaltspunkt.

Ein Bericht des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2019 hat das Laborfleisch mit konventionell hergestelltem Fleisch verglichen und ihm beim Wasser- und Landverbrauch eine bessere Bilanz prognostiziert. Allerdings soll bei der Produktion von Laborfleisch mehr Energie benötigt werden als bei natürlichem Fleisch.

Welche Vorteile hat In-Vitro-Fleisch?

Zum einen verhindert die Herstellung von In-Vitro-Fleisch eine Menge Tierleid. Wenn Fleisch künstlich hergestellt wird, kann im Gegenzug auf Massentierhaltung verzichtet werden.

Zum anderen wissen Konsumenten, was in ihrem Fleisch enthalten ist. Die Verwendung von Antibiotika oder anderen chemischen Substanzen sind hier nicht gegeben.

Wir essen zu viel Fleisch!

Ein Aspekt, den die Diskussion um künstliches Fleisch außer Acht lässt: Mit 52 Kilo Fleisch pro Person und Jahr ist unser Fleischkonsum deutlich zu hoch. Und das schadet nicht "nur" dem Klima, sondern auch unserer Gesundheit. Vielleicht also lieber doch auf einen Fleischersatz pflanzlichen Ursprungs zurückgreifen?

BRISANT/geo.de/dpa/umweltbundesamt

Dieses Thema im Programm: Das Erste | BRISANT | 28. Juni 2023 | 17:15 Uhr

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