Zwei Blitze entladen sich während eines Gewitters hinter dem Gaskessel in Stuttgart.
Gewitter faszinieren viele Menschen, doch wie gefährlich sie wirklich sind, wissen nur Physiker ganz genau. Bildrechte: picture alliance/dpa | Andreas Rosar

Mythen und Wissen Wie verhält man sich richtig bei Gewitter?

19. Oktober 2023, 14:34 Uhr

Mythos 1: Eichen sollst du weichen, Buchen sollst du suchen

"Blitze machen keinen Unterschied zwischen Eichen und Buchen", sagt der Experimentalphysiker Prof. Hans-Dieter Betz. Man sollte daher beide meiden und bei Gewitter generell zehn Meter Abstand zu allen Bäumen halten. "Auf den Boden ducken und die Beine nicht spreizen, sonst kann die sogenannte Schrittspannung gefährlich werden", so Betz weiter.

Auf keinen Fall sollte man sich flach auf den Boden legen, wie noch vor Jahren häufig geraten wurde. Dann berührt man an zwei weiter voneinander entfernten Punkten den Boden und kann im Ernstfall verletzt oder gar getötet werden.

Eine mächtige alte Stieleiche am Ziegelteich Niedergurig
Egal, ob Eiche oder Buche. Bei Gewitter sollte man sich von Bäumen tunlichst fernhalten! Bildrechte: imago/Harald Lange

Mythos 2: Ein Blitz schlägt niemals zweimal an der gleichen Stelle ein

Auf diese vermeintliche Weisheit sollte man sich aus Sicht vieler Experten besser nicht verlassen. Es gibt Stellen, an den der Blitz schon zwei-, dreimal oder häufiger eingeschlagen ist. Das können z.B. Flächen sein, die höher über der Erde aufragen. Ein Muss ist das aber nicht.

Mythos 3: Wenn es noch nicht regnet, ist man vor Blitzen sicher

"Es kann durchaus sein, dass ein Blitz aus heiterem Himmel einschlägt", warnt Experte Hans-Dieter Betz. Es gebe Wolkenformationen, bei denen Blitze auch am Rand auftreten. Weil Gewitter zudem in großen Höhen entstehen und Blitze schräg verlaufen können, kann man folglich auch noch Kilometer vor der Regenfront getroffen werden.

Blitzschlag über der Wüste, Big-Bend-Nationalpark, West-Texas, USA
Um vom Blitz getroffen zu werden, muss es nicht regnen. Bildrechte: IMAGO / imagebroker

Mythos 4: Die Zeit zwischen Blitz und Donner gibt Aufschluss über die Entfernung des Gewitters

Diese Regel lernen schon Kinder: Nach dem Aufblitzen bis zum Donner zählen und dann das Ganze durch drei teilen - so viele Kilometer ist das Gewitter noch entfernt. "Den Blitz sieht man wegen der Lichtgeschwindigkeit fast ohne Verzögerung, der Schall ist mit 300 Meter pro Sekunde deutlich langsamer", sagt der Blitzforscher Betz. Kritisch werde es, wenn zwischen Blitz und Donner weniger als 15 Sekunden liegen.

Allerdings sollte man sich auf die Faustregel nicht allzu sehr verlassen. "Es kann sein, dass man Blitze nicht sieht oder Donner bei rauschendem Regen nicht mitbekommt", so der Experte. Er rät, besser eine der Gewitter-Warn-Apps fürs Smartphone zu nutzen, die dank Wetterdaten deutlich präziser arbeiten.

Auch die kostenlose Warn-App NINA des Bundes hat solche Funktionen.

Mythos 5: Wenn es blitzt, sollte man nicht telefonieren

"In städtischen Gebieten muss man sich keine Sorgen machen", gibt Hans-Dieter Betz teilweise Entwarnung. Dort seien die Leitungen fast immer unterirdisch verlegt und zudem stark verzweigt. Die Überspannung nach einem Blitzeinschlag wird schnell aufgeteilt.

In ländlichen Gegenden sieht das anders aus. Dort verlaufen die Telefonleitungen häufig über der Erde und sind zudem meist nur wenig verzweigt. "Schlägt der Blitz in die Leitung ein, kann die Überspannung durchaus bis ins Haus gelangen", so der Blitzforscher. Das könne gefährlich für alle sein, die zu diesem Zeitpunkt ein Schnurtelefon nutzen. Wer eins der inzwischen weit verbreiteten schnurlosen Festnetztelefone hat, muss sich dagegen keine Sorgen machen.

Ein älterer Herrr hält ein Telefon an seinem Ohr.
Bei Gewitter telefonieren? Kein Problem! Bildrechte: IMAGO/Fotostand

Mythos 6: Im Auto ist man sicher, im Cabrio dagegen nicht

Autos bieten einen sicheren Schutz vor Blitzen, denn die Metallkarosserie bildet einen Faradayschen Käfig und leitet Blitze weiter. Das Innere bleibt also frei von elektrischen Spannungen. Bei Gewitter sollte man nur die Fenster schließen und keine Metallteile anfassen.

Laut ADAC funktioniert dieser Schutz auch bei Cabrios - wenn das Verdeck geschlossen ist. Der Grund: In nahezu jeder Verdeck-Konstruktion gibt es sogenannte Spriegel (Stangen) aus Metall, die einen Einschlag zum Boden ableiten. Auch Windschutzscheibenrahmen, Überrollbügel und Verdeck-Mechanik wirken mit.

Mythos 7: Duschen oder Abwaschen bei Gewitter ist gefährlich

"Das stimmt wirklich", sagt unser Experte. Wenn ein Blitz in der Nähe eines Hauses in die Erde einschlage, könne die Überspannung durch die metallenen Wasserleitungen übertragen werden. Denn die sind in der Regel geerdet. "Gefahr besteht aber nur, wenn man in dem Moment auch die Hand am Wasserhahn hat", so der Forscher.

Duschen ist weniger gefährlich. Wasser leitet zwar auch Strom, der Widerstand ist aber deutlich höher als bei Metall. 

Frau unter der Dusche
Theoretisch gefährlich: Duschen bei Gewitter Bildrechte: Colourbox.de

Mythos 8: Handys und Schmuck ziehen Blitze an

"Da ist nichts dran", weiß unser Experte. Weder elektronische Geräte noch Metall am Körper würden die Wahrscheinlichkeit eines Einschlags messbar erhöhen. "Allerdings weiß man inzwischen, dass Metallgegenstände am Körper starke Verbrennungen hervorrufen können", so Physiker Betz. Die Energie könnte sich an Armreifen oder auch Piercings konzentrieren.

Mythos 9: Bei Gewitter wird Milch sauer

Durch die Spherix-Strahlung bei Gewitter oder einer Gewitterlage vermehren sich die Milchsäurebakterien besonders schnell. Zudem folgten Blitz und Donner meist auf Phasen mit sehr hohen Temperaturen. Auch die begünstigen das Bakterienwachstum, die Milch kippt schneller. "Anders als früher ist Milch aber heute eher ein Chemiebaukasten, da hat man den Gewittereffekt kaum noch", weiß der Physiker.

(Dieser Artikel wurde zuerst am 27.06.2020 veröffentlicht und am 20.9.2023 aktualisiert.)

Dieses Thema im Programm: Das Erste | BRISANT | 20. September 2023 | 17:15 Uhr

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