Illustration: Gefangene Herzen in zwei Männerköpfen symbolisieren das Tabu-Thema des Comingouts
Inzest ist in Deutschland verboten. Bildrechte: IMAGO/YAY Images

Tabu-Thema Inzest: Wann ist Liebe unter Verwandten verboten?

21. Juli 2022, 17:22 Uhr

Freie Liebe für alle? Geht es um Sex unter Verwandten, ist es mit der Freiheit in Deutschland nicht weit her. Inzest wird strafrechtlich geahndet - auch wenn es zwei Erwachsene sind, die sich gefunden haben. Was genau ist unter Inzest zu verstehen, welche Verbindungen sind verboten - und vor allem: warum?

"Geschwisterliebe" heißt ein Song der Punkrock-Band "Die Ärzte" aus dem Jahr 1986, der dazu führte, dass das nach der Band benannte Album, auf dem er zu hören war, auf dem Index landete.

Besungen wird der Geschlechtsverkehr eines Bruders mit seiner 14-jährigen Schwester - und aus damaliger Sicht der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften ein inzestuöses Verhältnis "verherrlicht und propagiert".

Was ist Inzest - und wann ist er strafbar?

Als Inzest bezeichnet man den Geschlechtsverkehr unter Verwandten in gerader Linie. Also unter Eltern und Kindern, Großeltern und Kindern oder unter Geschwistern bzw. Halbgeschwistern. In Deutschland ist Inzest verboten.

In §173 des Strafgesetzbuchs (StGb) heißt es:

Wer mit einem leiblichen Verwandten aufsteigender Linie den Beischlaf vollzieht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. ... Ebenso werden leibliche Geschwister bestraft, die miteinander den Beischlaf vollziehen.

Strafgesetzbuch §173

Es folgt die Ergänzung, dass Sex zwischen Geschwistern erst ab der Volljährigkeit strafbar ist.

Als Inzest zählt lediglich vaginaler Geschlechtsverkehr. Oral- oder Analsex sowie Petting fallen nicht als Straftat unter §173 des StGb. Damit ist gleichgeschlechtlicher Sex innerhalb der Verwandtschaft nicht strafbar. Vorausgesetzt, dass alle daran Beteiligten erwachsen sind und aus freien Stücken handeln.

Auch der Verkehr mit adoptierten Kindern oder Stiefgeschwistern wird von Paragraf 173 nicht erfasst. Übrigens: Eine Ehe zwischen Cousin und Cousine oder Onkel und Nichte ist in Deutschland legal - und wird nicht selten praktiziert.

Eine junge frau in leichter Bekleidung fordert mit an die Lippen angelegten Zeigefinger zur Verschwiegenheit auf
Inzest - nach wie vor ein Tabu-Thema. Bildrechte: mago/Wolfgang Zwanzger

Weshalb ist Inzest verboten?

Die Gründe, die für das Verbot von Inzest angeführt werden, sind vielfältig, wenngleich nicht in Gänze nachvollziehbar. Vor allem die Strafbarkeit inzestuöser Handlungen ist gesellschaftlich umstritten.

Mit dem Verbot verfolgt der Gesetzgeber Zwecke, die "in ihrer Gesamtheit die Einschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts legitimieren". An erster Stelle steht dabei der im Grundgesetz festgeschriebene Schutz von Ehe und Familie. Inzestverbindungen würden zu einer Überschneidung von Verwandtschaftsbeziehungen und sozialen Rollenverteilungen führen und damit zu einer Beeinträchtigung der in einer Familie strukturgebenden Zuordnungen.

Zudem diene ein Inzestverbot dem "notwendigen Schutz der sexuellen Selbstbestimmung". Darüber hinaus rechtfertige auch der Schutz vor Erbschäden das Inzestverbot.

Puppen, ein Mann und ein Mädchen in einem Stockbett.
Ein Grund für das Inzestverbot: der Schutz von Ehe und Familie. Bildrechte: picture alliance / Lehtikuva | Sari Gustafsson

Inzest - in anderen Ländern straffrei

In Frankreich wurde Inzest bereits im Zuge der Aufklärung im Jahr 1810 für straffrei erklärt. Viele weitere Länder folgten - u.a. Spanien, Portugal, Belgien und die Niederlande.

Der deutsche Ethikrat sprach sich 2014 nach einer Entscheidung des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gegen den Fortbestand eines Gesetzes aus, das den einvernehmlichen Beischlaf unter (volljährigen!) Geschwistern unter Strafe stellt.

Das Risiko der Zeugung eines genetisch geschädigten Kindes (...) ist zwar von ethischer Relevanz, aber es lässt sich aus diesem Umstand kein triftiges Argument gegen einvernehmliche Inzesthandlungen ableiten.

Deutscher Ethikrat Stellungnahme Inzestverbot

Dennoch ist eine Gesetztesänderung vorerst nicht in Sicht. Trotz der anders lautenden Empfehlung des Ethikrats hat es das Bundesjustizministerium von Minister Heiko Maas im Jahr 2014 erneut abgelehnt, die Strafbarkeit des Inzests einzuschränken.

BRISANT/gesetze-im-internet.de/tagesspiegel.de/tagesschau.de

Dieses Thema im Programm: Das Erste | BRISANT | 21. Juli 2022 | 17:15 Uhr

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