Jede 10. Frau leidet unter der Krankheit Lipödem
Nicht dick, sondern an Lipödem erkrankt: Vor allem Frauen sind von der Fettverteilungsstörung betroffen. Bildrechte: imago images / brennweiteffm

Fettverteilungsstörung Krankheit Lipödem erkennen und behandeln

27. Februar 2024, 14:37 Uhr

Der Oberkörper vergleichsweise schmal, ab dem Rumpf eher massig. Ein Erscheinungsbild, das für ein sogenanntes Lipödem spricht - eine krankhafte Fettverteilungsstörung, von der in erster Linie Frauen betroffen sind. Mit Übergewicht hat das nicht immer zu tun. Wie kann man erkennen, ob man an einem Lipödem erkrankt ist, wie wird es behandelt - und wann übernimmt die Krankenkasse die Kosten für eine Fettabsaugung?

Ein Lipödem ist eine krankhafte Fettverteilungsstörung, die - vor allem bei Frauen - symmetrisch an den Hüften, am Po und beiden Beinen auftritt, in einigen Fällen auch an den Armen. Was auf den ersten Blick nach Übergewicht aussieht, ist eine ernstzunehmende chronische Erkrankung, die nicht heilbar ist.

Checkliste: Woran erkennt man ein Lipödem?

Asymmetrische Volumenzunahme
Vor allem an den Beinen, seltener an den Armen, tritt verstärkt das Unterhautfettgewebe verdickt hervor. Füße und Zehen sind davon nicht betroffen. Der Körper wirkt dadurch disproportional, weil der Rumpf schlank ist und sich das Volumen erst ab der Hüfte abwärts bemerkbar macht. Vor allem dieses ungleiche Körperbild macht betroffenen Frauen häufig zu schaffen.

Druckempfindlichkeit und Schmerzen
Beine (und ggf. Arme) der Betroffenen sind oft sehr berührungsempfindlich. Bereits ein leichter Druck reicht, um Schmerzen auszulösen.

Schnell entstehende blaue Flecken
Es gehört gar nicht viel dazu - und schon ist ein auffälliger Bluterguss entstanden. Diese blauen Flecken entstehen, weil die Wände kleinster Blutgefäße beim Lipödem sehr brüchig sind.

Spannungsgefühle und Schmerzen in den Beinen
Erste und typische Anzeichen für ein Lipödem sind Spannungsgefühle, Schmerzen und Erschöpfung in den Beinen. Die treten zunächst bei längerem Stehen oder Sitzen auf, werden im Laufe eines Tages immer heftiger und können bis ins Unerträgliche anwachsen. Besonders schwer haben es Betroffene bei warmen Temperaturen oder bei niedrigem Luftdruck, wie etwa im Flugzeug. Meist lassen die Schmerzen selbst durch ein Hochlagern der Beine nicht nennenswert nach.

Bewegungseinschränkungen
Die mit dem Lipödem zusammenhängenden Schmerzen sowie das Schweregefühl können auch die Mobilität einschränken. Betroffene haben folglich Probleme beim Gehen oder Stehen.

Knötchen unter der Haut
Zu Beginn der Erkrankung ist vor allem Cellulite sichtbar, sogenannte Orangenhaut. Später kommt es zu harten Knoten im Unterhautfettgewebe. Bei einem sehr ausgeprägten Lipödem bilden sich Fettwülste unter der Haut.

Paradoxer Kneiftest: Lipödem oder Übergewicht?
Beim paradoxen Kneiftest wird zunächst die Haut an der Beininnenseite und anschließend an der Beinaußenseite zusammengedrückt. Ist das Schmerzempfinden an der Außenseite stärker als innen, ist ein Lipödem wahrscheinlich. Ein gesunder Mensch würde die Schmerzstärken umgekehrt empfinden.

Lipödem Handschuhe und Strümpfe
Kompressionsstrümpfe und -handschuhe sollen die Beschwerden der Betroffenen lindern. Bildrechte: imago images / brennweiteffm

Millionen Frauen in Deutschland betroffen

Claudia Effertz von der Lipödem-Gesellschaft (LipöG) schätzt, dass bundesweit bis zu vier Millionen Frauen vom Lipödem betroffen sind, sehr viele das aber selbst noch gar nicht wissen - sie wünscht sich daher eine breite Informationskampagne.

Meistens trete das Lipödem in Pubertät, Schwangerschaft oder Menopause auf. Es könne zu orthopädischen Begleiterkrankungen wie einer Fehlstellung der Beinachsen oder Gelenkverschleiß kommen. Auch die seelischen Belastungen seien schwer.

Demonstration von betroffenen Frauen für die Akzeptanz der Erkrankung
Viele Frauen sind betroffen, doch bislang ist es für die meisten schwierig, den medizinisch notwendigen Eingriff der Fettabsaugung von der Krankenkasse erstattet zu bekommen. Bildrechte: IMAGO / Funke Foto Services

Ursachen eines Lipödems

Die Ursachen für das Krankheitsbild Lipödem sind noch nicht abschließend geklärt. Experten vermuten den Einfluss von Hormonen als Ursache, da sich die Symptome in Phasen hormoneller Umstellung manifestieren oder verschlimmern.

Meist treten erste Anzeichen der Krankheit nach der Pubertät auf, weniger häufig nach Schwangerschaften und in den Wechseljahren. Eine genetische Vorbelastung der Patientinnen ist sehr wahrscheinlich. UND: Auch sehr schlanke Frauen können an einem Lipödem erkranken.

Der Direktor der Klinik für Plastische Chirurgie am Uniklinikum Münster, Tobias Hirsch, spricht von einem "Diagnose-Gap" von oft rund 20 Jahren, bis das Lipödem richtig erkannt werde. "Wir wissen zu wenig über diese Krankheit und was genau im Körper passiert."

Klare Zahlen zu Betroffenen gebe es nicht, die Dunkelziffer sei hoch. Es gebe wenig spezialisierte Ärzte, bei denen es zu extremen Wartezeiten komme.

Wir gehen von einer genetischen Veranlagung und hormonellen Triggern aus, und dass das Lipödem in hohem Maße Diät-resistent ist.

Tobias Hirsch

Wie wird ein Lipödem behandelt?

Lipödeme lassen sich durch Ernährung, Diäten oder Sport wenig reduzieren. Ärzte empfehlen zunächst eine konservative Behandlung. Dazu gehören regelmäßige manuelle Lymphdrainagen und maßgefertigte Kompressionsstrümpfe, die die Patienten dauerhaft tragen müssen.

Mit der Lymphdrainage entstaut der Physiotherapeut Beine oder Arme durch sanfte Handgriffe, und die Schwellungen unter der Haut verringern sich. Sowohl Lymphdrainage als auch Kompression können zwar die Schmerzen der Betroffenen lindern und ein Fortschreiten der Krankheit verlangsamen, wirklich Abhilfe schaffen sie jedoch nicht.

Die gibt es erst durch eine Fettabsaugung. Der Berufsverband der Frauenärzte unterstreicht, Fettabsaugung bei Lipödem sei kein kosmetischer Eingriff, sondern medizinisch notwendig.

Schönheitschirurg operiert eine Patientin (25 Jahre alt) mit Lipödem an den Armen
Eine Linderung der Beschwerden bringt den Patienten meist eine Fettabsaugung. Doch die bezahlt die Krankenkasse nur bei weit fortgeschrittenem Krankheitsbild. Bildrechte: imago images / Tobias Wölki

Fettabsaugung - Kassenleistung mit Hindernissen

Eine Liposuktion wird derzeit in der Regel nur bei Stadium 3 von den Krankenkassen bezahlt, nach Einzelfallprüfung und befristet noch bis Ende 2024. Beim Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV) heißt es, die Datenlage sei unklar - es seien inzwischen möglicherweise rund 300.000 Betroffene in Behandlung.

Von 2020 bis 2023 wurden demnach für insgesamt 14.180 stationäre oder ambulante (hier nur bis Mitte 2023 gezählt) Eingriffe die Kosten übernommen. Die Voraussetzungen für eine Erstattung lege eine Qualitätssicherungs-Richtlinie fest. Laut LiPöG bezahlen drei Viertel der Frauen ihre Eingriffe selbst, verschulden sich dafür oft.

Fettabsaugung von der Streuer absetzen

Immerhin: Die Kosten für das Absaugen krankhafter Fettablagerungen können von den Frauen steuerlich geltend gemacht werden, wenn es sich dabei nicht um einen kosmetischen Eingriff handelt. Das hat der Bundesfinanzhof 2023 entschieden.

(Der Artikel wurde am 25.02.2021 geschrieben und am 27.02.2024 zuletzt aktualisiert.)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | BRISANT Classix | 25. Februar 2021 | 18:10 Uhr

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