In diesem aus einem Video erstellten Bild gibt Kathleen Folbigg am Tag nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis in Coffs Barbour, Australien, am Dienstag, dem 6. Juni 2023, eine Erklärung ab.
Kathleen Folbigg war 20 Jahre im Gefängnis. Bildrechte: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | POOL

Zu Unrecht eingesperrt? Nach 20 Jahren Haft: Wegen Kindsmord verurteilte Mutter begnadigt

06. Juni 2023, 18:50 Uhr

Kathleen Folbigg wurde als "schlimmste Serienmörderin Australiens" bezeichnet, weil sie ihre vier Kinder getötet haben soll. Innerhalb von zehn Jahren (1989-1999) verstarb ein Kind nach dem anderen ganz plötzlich. Die Kinder waren zwischen 19 Tagen und 19 Monaten alt.

Der Fall hatte damals für viel Aufsehen gesorgt. 2003 wurde die vierfache Mutter dann wegen Mordes zu 30 Jahren Haft verurteilt. 20 Jahre davon saß sie im Gefängnis - bis heute. Und das offenbar zu Unrecht!

Ein Aktenfoto der Australierin Kathleen Folbigg (Mitte), die am 3. April 2003 den Obersten Gerichtshof in Sydney verlässt.
2003 wurde Kathleen Folbigg für den mutmaßlichen Mord an ihren Kindern verurteilt. Bildrechte: picture-alliance / dpa | Mick_Tsikas

Neue wissenschaftliche Erkenntnisse entlasten sie

Die zwei Jungen und zwei Mädchen sollen nun doch eines natürlichen Todes gestorben seien. So wie die Mutter es von Anfang an behauptet hatte. Stattdessen fand man raus, dass Kathleen Folbigg ihren beiden Töchtern wohl eine seltene genetische Mutation vererbt hatte. Die kann Herzrhythmusstörungen und einen plötzlichen Tod verursachen. Einer ihrer Söhne könnte möglicherweise an einer neurogenetischen Erkrankung wie Epilepsie gestorben sein.

Ich bin zu der festen Überzeugung gelangt, dass begründete Zweifel an der Schuld von Frau Folbigg für jede der Straftaten bestehen, wegen der sie ursprünglich angeklagt wurde.

Früherer Oberster Richter, Tom Bathurst DPA

Nach diesen Ergebnissen haben sich fast 100 Wissenschaftler und Ärzte mit einer Petition dafür eingesetzt, dass der Fall neu aufgerollt wird. Mit Erfolg: Mittlerweile wurde eine neue Untersuchung eingeleitet.

Kathleen Folbigg erscheint via Videoverbindung während einer Untersuchung zur Verurteilung am NSW Coroners Court.
Ihre Kinder sind nach neuesten Erkenntnissen offenbar infolge genetischer Mutationen gestorben. Bildrechte: picture alliance/dpa/AAPIMAGE | Joel Carrett

Urteil wegen Tagebucheinträgen

Grund für die Verurteilung von Kathleen Folbigg waren nicht etwa eindeutige Beweise. Nicht einmal die Experten waren sich einig. Die Anklage hielt es lediglich für unwahrscheinlich, dass alle vier Kinder eines natürlichen Todes gestorben seien. Letztlich wurden Tagebucheinträge der Mutter als Schuldeingeständnis gewertet. Aber welche trauernde, verzweifelte Mutter würde sich nicht selbst die Schuld am Tod ihrer Kinder geben?

Nun darf Kathleen Folbigg ihre Freiheit genießen. Sofern das überhaupt möglich ist, nachdem sie ihre Kinder verloren hat, und dafür zu Unrecht bestraft wurde. Bleibt nur zu hoffen, dass die Todesursache der vier Babys noch eindeutig geklärt werden kann.

BRISANT/DPA

Dieses Thema im Programm: Das Erste | BRISANT | 06. Juni 2023 | 17:15 Uhr

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