Wissenschaftliche Publikation Welchen Einfluss hat das Wetter auf die Corona-Pandemie?

22. Februar 2021, 20:26 Uhr

Wie hängt die Verbreitung des Coronavirus mit den saisonalen Wetterbedingungen zusammen? Gibt es überhaupt einen Zusammenhang? Zwei zyprische Forscher kommen zu dem Ergebnis: Ja! So würden sich die Viren in Europa vor allem in den Wintermonaten stark ausbreiten.

Ein Thermometer zeigt 27 Grad Celsius
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Die beiden zyprischen Wissenschaftler Dimitris Drikakis und Talib Dbouk haben sich in einer Publikation mit dem Zusammenhang zwischen den Wetterbedingungen und der Corona-Pandemie beschäftigt. Die Forscher kommen zu dem Ergebnis, dass saisonale Wetterbedingungen zumindest eine unterschätzte Rolle beim Verlauf der Pandemie haben. Deshalb sollten Wetterdaten ihrer Ansicht nach stärker in Modelle zur Ausbreitung des Virus einbezogen werden, schreiben die Physiker von der University of Nicosia im Fachmagazin "Physics of Fluids". In ihrer Arbeit erweiterten sie ein klassisches Modell zur Berechnung des Pandemieverlaufs um einen Index, der Luftfeuchtigkeit und -temperatur sowie Windgeschwindigkeit mit einbezieht.

Lockdown dämpft Auswirkungen nur

Weltweit kämpfen Regierungen mit Maßnahmen zur Virus-Eindämmung gegen die Corona-Pandemie: Geschäfte, Veranstaltungsstätten und Schulen werden geschlossen, soziale Kontakte werden beschränkt, Reiseverbote erlassen. "Diese Lösungen sind nur nützlich, um das Entwicklungstempo der Gesamtzahl neu infizierter Personen zu verlangsamen", schreiben die Forscher. Sie gehen davon aus, dass eine weitere Welle "unumgänglich" ist, aber durch Lockdown-Maßnahmen gedämpft werden kann.

"Bei Pandemien, bei denen keine massiven und wirksamen Impfungen verfügbar sind, sollte die Regierungsplanung längerfristig sein, indem Wettereffekte berücksichtigt und die Richtlinien für öffentliche Gesundheit und Sicherheit entsprechend gestaltet werden", wird Dbouk in einer Mitteilung des Fachmagazins zitiert. Gemeinsam mit Drikakis erweiterte er ein klassisches Ausbreitungsmodell, das den weiteren Pandemieverlauf unter anderem auf Basis der Übertragungsrate prognostiziert.

Einfluss von Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Windgeschwindigkeit

Den Forschern zufolge hängt die Übertragungsrate auch von den Wetterbedingungen ab. Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Windgeschwindigkeit bestimmen demnach beispielsweise, welche Erregerkonzentration winzige Speicheltröpfchen aufweisen, wie lange sie sich in der Luft halten und wie weit sie sich ausbreiten können. So seien hohe Temperaturen im Sommer für die Übertragung des Virus eher schlecht. Wenn es draußen kalt ist und drinnen die Heizungen laufen, trocknet die Luft hingegen aus und die natürliche Schutzfunktion der Schleimhäute wird vermindert. Auch die biochemischen Prozesse, mit denen Zellen auf das Eindringen von Viren reagieren, laufen bei Kälte nach Angaben von Virologe Marco Binder vom Deutschen Krebsforschungszentrum langsamer.

Für ihrer Ergebnisse errechneten die zyprischen Forscher eine wetterabhängige Luftübertragungsrate für das Virus und wendeten diese auf die Städte New York, Paris und Rio de Janeiro an. So konnten sie einerseits tatsächlich beobachtete Corona-Ausbrüche mit den klimatischen Bedingungen erklären, andererseits auch Vorhersagen dafür entwickeln, wann das Wetter weitere Ausbrüche begünstigt. So hat Paris größtenteils Ruhe vor dem Virus zwischen Mai und September. Für New York ergibt sich ein ähnliches Bild, wobei die Phase der hohen Übertragbarkeit im Winter insgesamt kürzer ist. In Rio wiederum kommt es zu Ausbrüchen vor allem in der Zeit zwischen Juni und Oktober.

Zwei Ausbruchswellen im Winter

Die beiden Physiker erklären das so, dass weltweit mit zwei großen Ausbruchswellen pro Jahr gerechnet werden müsse, jeweils während des Winters auf der Nordhalbkugel von Dezember bis März und auf der Südhalbkugel, also in etwa von Mai bis September. Die Forscher gehen davon aus, dass die Viruskonzentration bei größerer Hitze abnimmt, wohingegen umgekehrt höhere Luftfeuchte und Windgeschwindigkeiten für einen Anstieg der Viruskonzentration sorgen.

"Nationale Lockdowns oder groß angelegte Lockdowns sollten nicht auf kurzfristigen Vorhersagemodellen basieren, die die Auswirkungen des jahreszeitlich bedingten Wetters ausschließen", so Drikakis. Er und Dbouk sind zuversichtlich, dass ihr Index dazu beitragen könnte, manch strengen Lockdown, der sich nachteilig auf alle Aspekte des Lebens und der Weltwirtschaft auswirkt, zu vermeiden.

Sars-Cov-2 mit anderen Viren vergleichbar?

Ob sie damit Recht haben, bleibt abzuwarten. Fest steht, dass sich auch andere Viren nicht das ganze Jahr über gleichermaßen verbreiten, sondern in bestimmten Phasen besonders erfolgreich sind. So sind Herbst und Winter die Zeit für virale Erkältungen, die Grippewelle beginnt in Deutschland meist im Dezember und klingt im Februar oder März ab, wenn es wärmer wird. Es wäre also nicht überraschend, wenn sich auch Sars-Cov-2 im Herbst oder Winter effektiver verbreitet als im Sommer.

Mehr zu den Ergebnisse der zyprischen Modellrechnung, erfahren Sie hier bei MDR Wissen.

(ten/dpa/mdr wissen/spon)

Dieses Thema im Programm: Das Erste | BRISANT | 22. Februar 2021 | 17:15 Uhr

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