Thomas Billhardt fotografiert in Sibirien 1964 Gesichter und Menschen

Frauen, Männer und Kinder stehen winkend vor einem Denkmal
Thomas Billhardt erinnert sich "mit Herzklopfen" an die Freundlichkeit der Menschen in Sibirien. "Nach ein paar Wodkas konnte ich plötzlich russisch und wir haben viel zusammen gelacht. Beim Abschied wurde dann immer viel geheult. Ich wusste ja, die Menschen sehe ich nie wieder."

Über dieses Thema berichtet der MDR in MDR Kultur, 29.04.2017, 09.05 Uhr.
Bildrechte: CameraWork
Frauengesicht mit Blume
"Solche Bilder mache ich gerne", sagt Thomas Billhardt. Die jungen Studenten in Irkutsk. "Viele Mädchen trugen Blumen im Haar - weil sie dort keinen Schmuck hatten. Das fand ich sehr schön." Hier entdeckt der Fotograf eine große Leidenschaft: Schöne Frauen zu fotografieren. Dabei setzt er gern auf einen Überraschungseffekt. Er fotografiert die Menschen unbemerkt, "um die Ecke", wie er es nennt, um ein echtes Lachen einzufangen. Gestellte Fröhlichkeit mag er nicht. Bildrechte: CameraWork
Mann mit Schiebermütze und Zigarette, Blick direkt in die Kamera
Dieses Bild kam damals gar nicht gut an. "Das passte so gar nicht in das Bild des typischen Sozialisten, welches die Leute damals sehen wollten. Der Mann ist dreckig, unrasiert, hält eine Zigarette in der Hand. "Was ich fotografieren sollte, waren Menschen, die lachen - alles lacht im Sozialismus, das sollte ich zeigen." Ein SED-Funktionär über den Fotografen: "Billhardt hat nicht das gemacht, was wir wollten. Aber er hat Bilder gemacht, die um die Welt gegangen sind - und wir haben ihn benutzt." Bildrechte: CameraWork
Sommersprossiger Junge mit schwarzer Schiebermützer und auffälligen Schneidezähnen
Auch dieses Bild wurde als antikommunistisch aus dem geplanten Bildband herausgenommen. "Da waren sie böse", erinnert sich der DDR-Fotograf Thomas Billhardt an den Moment, an dem er dem DDR-Jugendverlag und dem Sowjetverlag seine Bilder zeigte. Diese wollten lieber Denkmäler abbilden und singende und tanzende Menschen zeigen und nicht das wirkliche Leben, das Billhardt in seinen Bildern eingefangen hatte. Bildrechte: CameraWork
Portät einer jungen Frau mit langem, blondem Haar, das zu einer turmartigen Frisur um den Kopf geschlungen ist
"Meine Madonna", so nennt Thomas Billhardt diese junge sibirische Studentin. Das Teleobjektiv lässt das Chaos um sie herum unscharf wirken. "Sie sah so edel aus, hatte so schöne Augen. Diese Frau verfolgte mich." Bildrechte: CameraWork
Mann mit Wodkaflasche, die er zum Trinken ansetzt
Auch dieses Bild wollten die Sozialisten nicht veröffentlichen: Es zeigt einen Mann aus dem südlichen Sibirien, der eine Wodkaflasche leert. "Das gehörte dazu", erzählt Billhardt. "Da herrschten keine guten Manieren. Auch in einer Kneipe wurde da eine Flasche Wodka auf den Tisch gestellt, aus der die Männer dann einfach so getrunken haben - ohne Gläser. Ich empfand das aber als lustig und liebenswert." Bildrechte: CameraWork
Fünf Frauen auf einer improvisierten Baumstammbank, der Baumbalken, auf dem sie sitzen, ist stark gebogen; vor den Frauen spielen zwei Kinder Federball
Eine selbstgebaute Parkbank, die sich unter ihrer Last biegt. "Ich dachte immer, bestimmt bricht sie noch zusammen", so Billhardt. Doch die jungen Zuschauer, die den beiden anderen Kindern beim Federball zuschauen, kümmert das nicht. Bildrechte: CameraWork
Drei Menschen auf einer Parkbank, links ein Pärchen,d ass zum kusse ansetzt, rechts daneben lesend, eine Frau mit langem Rock
Ein junges Paar sitzt auf der Parkbank in inniger Zuneigung. Direkt daneben eine Frau, die unberührt in ihrem Buch schmökert. "Ich habe damals viele Parkbänke fotografiert. Auf Parkbänken war immer was los. Vielleicht hatte das damit zu tun, dass die Wohnungen in der Sowjetunion so klein waren und sich die Menschen draußen aufhalten mussten", erinnert Thomas Billhardt sich. Bildrechte: CameraWork
Alte Mütterchen mit Kopftuch
Die Bauarbeiter an den Staudämmen haben ihre Omas und Mütter mitgebracht, die sich um die Kinder kümmern konnten. Dort wurden im Nichts ganze Städte gebaut. Er erinnert sich, wie er im Irkutsker Stausee nackig baden ging und bei der plötzlichen Kälte im reißenden Wasser plötzlich Todesangst bekam. "Wäre ich nicht rechtzeitig aus diesem Wasser wieder herausgekommen, wäre ich, nackig wie ich war, vor diese Mütterchen geschwemmt worden." Bildrechte: CameraWork
Frauen, Männer und Kinder stehen winkend vor einem Denkmal
Thomas Billhardt erinnert sich "mit Herzklopfen" an die Freundlichkeit der Menschen in Sibirien. "Nach ein paar Wodkas konnte ich plötzlich russisch und wir haben viel zusammen gelacht. Beim Abschied wurde dann immer viel geheult. Ich wusste ja, die Menschen sehe ich nie wieder."

Über dieses Thema berichtet der MDR in MDR Kultur, 29.04.2017, 09.05 Uhr.
Bildrechte: CameraWork
Alle (9) Bilder anzeigen