Umweltschützer und Fischer vereint Auf großer Fahrt zum Plastikmüll

In der Ostsee lagern riesige Plastikmüll-Deponien. Zunehmend findet sich der Müll auch in den Netzen der Fischer. Deshalb entstand ein gemeinsames Projekt von Fischern und Umweltschützern: "Fishing for litter" (Müllfischen).

Stellen Sie sich vor, Sie liegen im Sommer am Ostseestrand und genießen den unverwechselbaren weißen Sand. Doch dann schauen Sie genauer hin, worauf sie liegen: Es sind winzige Plastikpartikel, zermahlen von Wellen und Strömung. Das ist keine Horrorvision sondern Realität, sagen die Forscher vom Meeresmuseum Stralsund. Unter dem Mikroskop werden die Teilchen sichtbar. Berechnungen ergaben, dass etwa 10 Prozent des Ostseesandes aus Plastik besteht.

Jährlich landen viele Tonnen Plastikmüll in der Ostsee. Ob am Strand "vergessenen", versehentlich von Bord geworfen oder mutwillig verklappt, bedroht dieser Müll das ökologische Gleichgewicht. Seevögel verenden an verschluckten Plastikteilen, auf dem Meeresgrund türmen sich die Müllberge. Auf diesen "Mülldeponien" fanden Forschungstaucher gut erhaltene Verpackungen aus dem 1970-er Jahren, ein Hinweis, dass der Abbau noch mehrere Generationen überdauern wird.

Unkaputtbarer Plastikmüll

Nur als Beispiel: Die Verrottungsdauer von Plastikbechern beläuft sich auf 50 Jahre, Wegwerfwindeln und Plastikflaschen treiben 450 Jahre im Meer. Die Haltbarkeit von Angelschnüren schätzen Forscher auf 600 Jahre. Es klingt wie eine Werbeaktion, aber leider ist es bitterer Ernst: Im Januar 1992 gingen bei einem Schiffsunglück im Nordpazifik 28.000 gelbe Plastik-Enten über Bord. Keiner rechnete mit einem Wiedersehen. Doch bereits ein halbes Jahr später spülten die Wellen die ersten Enten an die 3.500 Kilometer entfernte Küste Alaskas. Andere kamen in die Ringströmung des Pazifiks und schafften es bis zu den Stränden von Hawaii, Australien, Indonesien und Kolumbien. Nach 15 Jahren, im August 2007, landete eines der Plastiktiere nach einer Weltreise von 27.000 Kilometer am Strand von Devon in Europa. Weder das jahrelange Treiben durch das Eismeer, noch die Hitze des Äquators hatten dem Kunststoff etwas anhaben können.

Die unsichtbare Gefahr

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Immer mehr Plastemüll gelangt in die Ostsee und wird kaum abgebaut. Den Behörden wächst die Müllflut an den Stränden über den Kopf. Ein Feature von Heidi Mühlberg

MDR FIGARO Mi 25.01.2012 22:00Uhr 54:19 min

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Doch die größte Gefahr ist unsichtbar. Zerrieben findet sich der Plastikmüll auch im Meerwasser und wird von den Tieren mit der Nahrung aufgenommen. Dazu kommt, dass die Plastikteile ihre Inhaltstoffe an das Meerwasser abgeben. Im Institut für "angewandte Ökosystemforschung" haben Wissenschaftler in der Galle von Fischen das gefährliche Bisphenol A (Bestandteil von Weichmachern bei der Plastikherstellung) nachgewiesen. Auch Muscheln und Quallen, Sandflöhe und Wattwürmer nehmen Mikroplastik in ihre Körper auf. Diese Kleintiere werden gefressen von Seevögeln und Fischen. Nach Forschungsergebnissen des Meeresmuseums Stralsund ist die Schadstoffkonzentration bei Robben und Schweinswalen – die sich hauptsächlich von Fisch ernähren - so hoch, dass ein Verzehr für uns gesundheitsschädlich wäre.Die Plastik-Fragmente wirken wie klebrige Staubsauger und sammeln Dauergifte aller Art auf: Dioxine, Pestizide, Flammschutzmittel und eben PCB.

Plastetüten statt Hering und Dorsch im Netz

Was einst Fortschritt verhieß wird nun zum Fluch und bedroht unsere Gesundheit. Schon lange warnen Wissenschaftler und Naturschützer vor den Folgen. In dem Projekt "fishing for litter" haben sie sich mit den Fischern verbündet. Gemeinsam machen sie "Jagd" auf Plastikmüll in der Ostsee. Statt Zander, Hering oder Dorsch befinden sich nun Flaschen, Tüten und Verpackungen in den Netzen …