Saale-Unstrut: Weinanbau in der DDR

19. November 2021, 16:22 Uhr

Die Weinbauern in der DDR kämpften nicht nur mit den Tücken der Natur. Lesen Sie hier, was aus privaten Winzereien wurde, wie die Weine bewertet wurden und wie Kellermeister bei der Verarbeitung improvisierten.

Brot statt Wein

Die DDR hatte in den Fünfziger Jahren große Probleme bei der Versorgung mit Grundnahrungsmitteln. Diese waren noch bis 1958 rationiert und nur gegen Lebensmittelmarken erhältlich. Die Versorgung mit Brot oder Kartoffeln war demnach wichtiger, als sich Gedanken um die Förderung des Weinanbaus im eigenen Land zu machen. Aber zumindest in Bezug auf die Besitzverhältnisse interessierte sich Berlin für die Winzer an Saale und Unstrut. Privatbetriebe passten nicht ins Bild der sozialistischen Planwirtschaft.

So wurde die 1934 gegründete Winzergemeinschaft Freyburg, ein Zusammenschluss von Haupt- und Nebenerwerbswinzern, schon 1951 gezwungen, ihre Selbstständigkeit aufzugeben. Sie musste sich in die "Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB)" eingliedern, eine sozialistische Massenorganisation. Aber auch private Winzer außerhalb der Genossenschaft traf die Verstaatlichungspolitik. Sie mussten ihre traditionsreichen Weinberge an Agrargenossenschaften der Region abgeben, die den Weinanbau übernahmen. Auch große Privatwinzer traf es. So entstand 1952 nach der Verstaatlichung des Weinguts Kloster Pforta der VEG Weinbau, der sich in den folgenden Jahrzehnten zum zweiten großen Weinproduzenten der Region entwickelte.

Süß oder sauer?

Der Weingeschmack in der DDR hatte sich seit den Fünfzigerjahren verändert. Viele Kunden bevorzugten "liebliche" Weine. Das war in der Bundesrepublik nicht anders. Viele Winzer gingen auch dort dazu über, die Restsüße ihrer Weiß- und Rotweine zu steigern oder zusätzlich verschiedene Traubensorten in einem Wein zu mischen.

Ganz gegen den Trend hielten die Winzer an Saale und Unstrut jedoch an ihrer Tradition fest, die heimischen Weine sowohl sortenrein zu halten als auch wie gewohnt "trocken" auszubauen. Weinkenner liebten deshalb diese besonderen Tropfen. Aber einer breiten Öffentlichkeit galten sie als "sauer". Bezeichnend ist die Frage eines Reporters der "Aktuellen Kamera" im DDR-Fernsehen an ein Mitglied der Winzergenossenschaft Freyburg 1981. "Sehen Sie eine Möglichkeit, den Wein trinkenswerter zu machen?"

Vom Glück, einen Saale-Unstrut-Wein zu finden

Die Winzer an Saale und Unstrut kannten keine Absatzprobleme. Sie produzierten zu geringe Mengen für den DDR-Markt. Experten gehen davon aus, dass nicht einmal zwei Prozent des Weinbedarfs der DDR mit einheimischen Erzeugnissen gedeckt werden konnten. Denn in den Fünfzigerjahren wurde beispielsweise im Thüringer Saaletal nur noch auf drei Hektar Fläche Weinanbau betrieben. Aber auch im restlichen Gebiet von Saale und Unstrut kam es zu einem Stillstand, die gesamte Rebfläche blieb unter 200 Hektar.

Erst nach einem Ministerratsbeschluss von 1963 wurden neue Flächen für den Weinanbau ausgewiesen, um der wachsenden Nachfrage besser gerecht zu werden. Wer einen Tropfen von Saale oder Unstrut genießen wollte, musste gleichwohl Glück haben. In den normalen HO-Läden war er nicht zu finden. Wenn überhaupt, dann in Delikat-Läden oder in Interhotels sowie ab und zu an einem Getränkestand. Denn die Genossenschaften durften den Verkauf nicht selbst übernehmen. Rudolf Knoll, Wein-Fachjournalist aus der Bundesrepublik, bereiste 1984 erstmals das Weinbaugebiet Saale-Unstrut und stellte erstaunt fest: "Ich erfuhr, dass der Verkauf an Privatleute, auch an zahlungskräftige Besucher aus dem Westen, strafbar war. Sämtliche Weine wurden via Berlin verteilt und zugeteilt."

Kellermeister als Improvisationskünstler

Für den Weinanbau und die Verarbeitung in den Kellereien galten die gleichen Versorgungsprobleme wie für andere Bereiche der Wirtschaft. Mal fehlte es an verzinktem Draht, um die Reben in Form zu halten, mal an Baumaterial, um die Keller zu erweitern.Bei der Winzergenossenschaft Freyburg mussten beispielsweise nach 1970 die Lagerkapazitäten drastisch ausgebaut werden, weil man aus Berlin die Anweisung erhalten hatte, in großen Mengen Importweine zu verarbeiten.

Bis zu 3,5 Mio. Liter pro Jahr wurden so in Freyburg zusätzlich in Flaschen abgefüllt. Die Importe kamen aus Spanien, Italien, Bulgarien, Rumänien und Algerien. Aber eine ausreichende Menge von Tanks aus säure-resistentem Edelstahl konnte nicht geliefert werden. So half man sich mit Stahltanks, die mit Glasemaille ausgekleidet wurden. Aber auch Edelstahlleitungen wurden benötigt, um den Wein von Fass zu Fass und in die Verarbeitung zu pumpen. Hier fanden die cleveren Freyburger Kellermeister in Thüringen eine teure Lösung. Man bestellte armdicke Leitungen aus Jenaer Glas. Sie waren nicht nur wie gefordert säureresistent, sondern hatten auch noch den Vorteil, dass man sehen konnte, welcher Wein wohin floss. Eine brillante Lösung, die allerdings heutzutage für eine Weinkellerei unbezahlbar wäre.

Die Kellermeister an Saale und Unstrut verstanden ihr Handwerk und versuchten mit begrenzten Mitteln, zumindest aus den heimischen Gewächsen ordentliche Weine zu machen. Mit guten Ergebnissen, wie auch  der westdeutsche Weinexperte Rudolf Knoll im Rückblick anerkennt: "Die Winzer hatten ja damals auch schon Ahnung wie es geht. Ich glaube, dass manche im Westen, die unter solchen Umständen hätten arbeiten müssen, den Krempel hingeschmissen hätten."

Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV: Heute auf Tour | 01.12.2013 | 15:50 Uhr