Der Osten - Entdecke wo du lebst | MDR-Fernsehen | 20.10.2020 | 21:00 Uhr Medaillenschmiede des Ostens – Die DHfK in Leipzig
Hauptinhalt
Das DDR-Sportwunder ist untrennbar verbunden mit der Leipziger Hochschule für Körperkultur, der DHfK. Hier wurden Trainer und Sportler ausgebildet, die dazu beitrugen, dass sich das 17-Millionen-Einwohner zählende Land zu einer der führenden Sportnationen der Welt entwickeln konnte. Doch das Wunder hatte auch eine Schattenseite: auf dem Campus der DHfK gab es ein Institut, das Zentrum des staatlich verordneten Dopings war.
Es ist DIE Medaillenschmiede im DDR-Leistungssport – die DHfK in Leipzig. 40 Jahre lang zählt die Deutsche Hochschule für Körperkultur und Sport zu den weltweit erfolgreichsten Sporthochschulen. Hier werden Spitzentrainer und Sportler ausgebildet, die dem kleinen Land im Wettkampfsport auf den dritten Platz hinter den Supermächten USA und UdSSR verhelfen.
Mit modernen Trainings-Wissenschaften zum Erfolg
Mit ihrer Gründung am 22.10.1950 wird ein bis dahin unbekanntes, nahezu perfektes System des Leistungssports aufgebaut und die DHfK zur Keimzelle des DDR-Sportwunders. Technik und Methodik stehen an erster Stelle: Biomechanik, Trainingslehre und medizinische Forschung. Vor allem medaillenträchtige olympische Sportarten werden gefördert: Turnen, Leichtathletik, Radfahren, Schwimmen und Kanurennsport.
Wer die Aufnahmeprüfung schafft, bekommt eine erstklassige Elite-Ausbildung, so wie das Ehepaar Karbe. Die beginnen 1959 ihr Studium in Leipzig. Siegwart Karbe ist in den 1960er Jahren einer der besten Rennkanuten der DDR, wird 1965 Europameister. Rosemarie Karbe arbeitet später im Direktorat der DHfK und erinnert sich, wie hart die Auswahlverfahren waren. Natürlich werden auch politische Einstellung und die Westverwandtschaft der Bewerber unter die Lupe genommen.
In den 15-minütigen Aufnahmegesprächen kam immer die Frage nach Westverwandtschaft, die war nämlich unerwünscht. Wer keine hatte, wurde bevorzugt.
Legendärer Fasching
Kennengelernt haben sich die Karbes beim DHfK-Fasching. Für zwei Tage im Jahr gleichen Hörsaal und Mensa einer Partymeile. Denn der Fasching ist berühmt, berüchtigt und begehrt. Nicht nur Studenten reißen sich um Eintrittskarten. Zu Viele wollen da mitfeiern.
Es gab Leute, die haben sogar in D-Mark bezahlt, nur um reinzukommen, also das war ein bisschen wie Goldstaub. Ähnlich wie heute. Heute ist es ja auch wieder so, wenn man schaut, wie schnell die Karten ausverkauft sind.
Den Staffelstab weiterreichen
Nach Ende seiner Schwimmkarriere studiert Frank Embacher Sportwissenschaft an der DHfK. Zwei Drittel der ausgebildeten Sportlehrer arbeiten anschließend als Trainer im DDR-Leistungssport und werden so zu Medaillenmachern.
Das will auch Frank Embacher – und schafft es. Mit mehr als 80 internationalen Medaillen zählt er heute zu den erfolgreichsten Schwimmtrainern Deutschlands. Paul Biedermann steigt mit Embacher in die Weltspitze auf, wird 2009 Weltmeister. Aktuell ist Frank Embacher Landestrainer des Sächsischen Schwimm-Verbandes und hat in kürzester Zeit Leipzig zu einem der stärksten Schwimmstandorte deutschlandweit geformt.
Ich bin hier angetreten vor drei Jahren, dass man hier wieder sagen kann, in Leipzig werden Medaillen gemacht, wir haben uns das vorgenommen, ich habe mir das vorgenommen.
Kehrseite der Medaille - Staatlich verordnetes Doping
Auf dem Gelände der DHfK wird 1969 das "Forschungsinstitut für Körperkultur und Sport", kurz FKS gegründet – das strenger Geheimhaltung unterliegt. Über 500 Wissenschaftler versuchen im FKS neue Erfolgsstrategien zu entwickeln. Enorme Geldsummen fließen allein in die Entwicklung hochmoderner Sportgeräte. Nach seinem Studium an der DHfK kommt 1978 der ehemalige Ringer Winfried Nowack zum FKS. Dort betreut er die Nationalmannschaft.
Nur Insider wussten, dass das Forschungsinstitut in diesem Gebäude untergebracht war. Die meisten hielten den Bau für den Eingangsbereich der Deutschen Hochschule für Körperkultur. Es gab kein Klingelschild. Kein Fremder durfte einen Fuß ins FKS setzen!
Der Schlüssel des Erfolgs liegt aber nicht nur in hartem Training. Eine wichtige Rolle beim Aufstieg der DDR zur Sportgroßmacht spielt auch die Medizin. Im FKS arbeiten Sportmediziner eng mit der pharmazeutischen Industrie zusammen. 1974, zwei Jahre vor Olympia, wird Doping zur Leistungssteigerung staatlich verordnet.
Nach der Wende gerät die DHfK als Prestigeobjekt der DDR in die Kritik, wird wegen politischer Altlasten schließlich abgewickelt. Aus der Deutschen Hochschule für Körperkultur, wird die Sportwissenschaftliche Fakultät der Universität Leipzig. Seit 1993 geht damit die Tradition sportwissenschaftlicher Lehre und Forschung weiter.
Der Ex-Kanurennsportler und heutige Bundestrainer Kay Vesely ist sich sicher:
Auch heute profitiert der Spitzensport von den Grundlagen, die die DHfK vor fast 70 Jahren gelegt hat!