Der Osten - Entdecke, wo du lebst | 25.06.2019 Die Wische - Ulbrichts blühende Landschaft
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In die Wische zog es ab 1958 tausende junge Menschen, um am ersten Landwirtschaftsprojekt der FDJ teilzunehmen. Das Ziel: Trockenlegung und Entwässerung des feuchten Landstrichs, um gutes Acker- und Weideland zu erhalten. Heute kämpft die Region mit ganz anderen Problemen.
Die Wische ist ein platter, schmaler Landstrich im äußersten Norden Sachsen-Anhalts mit einer einzigartigen Natur - ein Geheimtipp für Naturfreunde und Urlauber. Hier geht Axel Bulthaupt auf Entdeckungsreise und lernt Bauern kennen, die in den 1950er-Jahren das Land umgestalteten. Und er trifft eine neue Bauerngeneration an, die noch immer von der intensiven Landwirtschaft lebt.
Fruchtbares Land
Seit Jahrhunderten wird in der Wische Landwirtschaft betrieben. Feuchte, nasse Wiesen und Äcker im Urstromtal der Elbe prägen dieses Land zwischen Wittenberge und Havelberg, das seit Jahrhunderten von Gräben und Kanälen durchzogen ist. Die großen Ackerflächen hinter den Deichen liegen tiefer als das Flussbett der Elbe. Schwerer lehm- und tonhaltiger Boden machen das Land fruchtbar, aber auch tückisch. Minutenboden wird er genannt, weil es bei seiner Bestellung auf jede Minute ankommt: Sonneneinwirkung erhärtet ihn zu Stein und Regenschauer lassen ihn unpassierbar werden. Schnell versinken Traktoren, Ackergeräte und Tiere im Schlamm.
Ab in die Wische!
1958 hieß es daher für über 16.000 junge Menschen, die vorwiegend aus dem Bezirk Magdeburg stammten, "ab in die Wische". Die DDR war auf jeden fruchtbaren Ackerboden angewiesen. Doch zu oft war das Gebiet überschwemmt, weil nach 1945 die Entwässerungsgräben vernachlässigt wurden und verschlammt waren. Das Wasser konnte nicht mehr abfließen.
Mit Hacken und Spaten bewaffnet, leisteten nun die Jugendlichen in der Wische für einige Wochen Knochenarbeit. Viele von ihnen kamen freiwillig zu den vierwöchigen Arbeitseinsätzen, andere mussten überredet werden. Sie hoben Entwässerungsgräben aus, bauten Straßen, zogen Weidezäune. Ihr Einsatz gehörte zu einem der Jugendobjekte der FDJ, die Walter Ulbricht ins Leben gerufen hatte, und war zugleich deren erstes Landwirtschaftsprojekt. Schon zwei Jahre später erfüllte sich so Ulbrichts Traum. Ein nasser Landstrich, ständig von Überschwemmungen gefährdet, wandelte sich zu gutem Acker- und Weideland.
Arbeiten unter erschwerten Bedingungen
Doch die Arbeitsbedingungen waren schwer. Mit Arbeitsgerät waren die Helfer nur dürftig ausgestattet. Um die Gräben auszuheben, standen ihnen Beil und Spaten zur Verfügung. Damit mussten auch Bäume gefällt und deren Wurzeln ausgehoben werden. Von Anfang an galt es, Planziele zu erfüllen. Es wurden Brigaden zusammengestellt, die miteinander im Wettbewerb standen. Quartier bezog man in Ställen und Scheunen, und das warme Essen bestand hauptsächlich aus Suppen. Um die Arbeitsmoral zu heben, sollte schwere sowjetische Technik zum Einsatz kommen - doch erwies sich diese für die besondere Bodenbeschaffenheit der Wische als unbrauchbar.
Neue Herausforderungen
Heute ist die Wische von großen Bauernhöfen und Landwirtschaftsbetrieben geprägt, die zusammen über 30.000 Hektar fruchtbaren Boden intensiv bewirtschaften. Preise und Bilanzen, Milchquoten und EU-Richtlinien sind die neuen Schlagwörter. Um wirtschaftlich arbeiten zu können, müssen die Bauern heute immer mehr und immer bessere Technik einsetzen, Felder vergrößern und Arbeitsabläufe genau planen - mit Folgen für die Wische: Immer weniger Menschen sind in der Landwirtschaft beschäftigt. Sie wandern ab, und in den Dörfern wird es immer leerer. Geschäfte, Arztpraxen und Schulen müssen schließen. Doch dadurch entstehen auch Freiräume für neue Ideen. Viele Bauern betreiben mittlerweile ökologische Landwirtschaft. Und die üppige, ursprüngliche Natur ist auch für den Tourismus ein Unterpfand.
Also gerade im Bereich Landwirtschaft ist zu merken, dass wir zwar zum einen noch diese konservativen Landwirtschaftsbetriebe haben, wie man sie kennt, also die großen Agrargenossenschaften mit dem klassischen Ackerbau, klassischer Viehzucht. Aber gerade die Kleineren fangen an umzustellen.
Lebenswichtig für den Erfolg der Landwirte und den Erhalt der Natur ist nach wie vor die Pflege der Gräben und Kanäle, denn sie sind die Lebensadern der Wische. Das geht heute einfacher als vor über 50 Jahren, ohne Hacke und Spaten.
Daten und Fakten zur Wische Die Wische, deren Name sich vom niederdeutschen "Wiese" ableitet, ist eine Landschaft im Nordosten der Altmark. Sie liegt etwa 22 Meter über dem Meeresspiegel und entstand vor etwa 130.000 Jahren am Ende der Saale-Eiszeit und ist das Überbleibsel eines Schmelzwassersees. Durch das Elbewasser lagerten sich feinkörnige Tone ab, die das Land fruchtbar machen.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Der Osten - Entdecke, wo du lebst | 25. Juni 2019 | 21:00 Uhr