Fiesta im Müglitztal Spanische Arbeiter helfen deutschem Unternehmer

02. Oktober 2014, 10:17 Uhr

In einem großen Schulungsraum im sächsischen Dohna pauken täglich sieben Spanier Vokabeln und die deutsche Grammatik. Sie besuchen keinen Deutschunterricht für Ausländer an einer Volkshochschule, sondern den sechswöchigen Sprachkurs im Unternehmen von Peter Schiekel.

Seit über 22 Jahren ist sein Unternehmen auf die mechanische Bearbeitung von Edelstahl spezialisiert. Angefangen hat alles mit zwölf Mitarbeitern und drei CNC-Maschinen, mittlerweile hat er knapp 100 Angestellte. Peter Schiekel braucht Fachkräfte, diese findet er schon seit Jahren nicht mehr auf dem heimischen Arbeitsmarkt: Der Unternehmer perspektivlos zu Hause auf der Suche nach Fachkräften - spanische Arbeiter perspektivlos auf Arbeitssuche in ihrer Heimat.

Einer der seine Zukunft nicht in Spanien sieht, ist der 36-jährige Bikendi Maraver, mit Frau und Kindern ist er nach Sachsen gekommen. In seiner Heimat fand er meist nur noch Arbeit für einige Monate.

Die Wahl für den neuen Arbeitsplatz fiel ihm leicht: "Peter Schiekel hat es mir leicht gemacht. Er bot mir einen langfristigen Vertrag und eine Perspektive." Der Familie wurde eine Wohnung zur Verfügung gestellt und eingerichtet. Peter Schiekel will die Spanier an sein Unternehmen in Dohna binden und sie nicht nur vorübergehend einstellen.

Das 6.000-Einwohner Städtchen Dohna liegt im Müglitztal, dem Tor zur sächsischen Schweiz, zwischen Pirna und Dresden. Auf der Reise ins ehemalige Tal der Ahnungslosen, werden vorhandene Klischees bedient: Im Zug Richtung Pirna ziehen drei junge Männer über mitreisende Chinesen her.

Gelungene Integration

Es fallen Worte wie Ungeziefer oder Sozialschmarotzer. Auch über Einwanderer aus den europäischen Nachbarstaaten wird hergezogen und gelacht. Da ist es kaum zu glauben, dass es in der Region ein Vorzeigebeispiel für mustergültige Integration gibt. Geschäftsführer Peter Schiekel verzweifelte, weil er kein geeignetes Personal fand. Bewerber aus dem Umland waren oftmals ungeeignet oder bestanden den Eignungstest nicht. Rund 40 Jahre, nachdem zuletzt spanische Gastarbeiter massenweise nach Deutschland kamen, beschäftigt die SPS Schiekel Präszionssysteme GmbH in Dohna mittlerweile 13 Spanier. Nach Angaben der europäischen Statistikbehörde Eurostat war in Spanien zuletzt mehr als jeder zweite Jugendliche arbeitslos. Gleichzeitig haben die deutschen Unternehmen einen Mangel an Azubis und Fachkräften.

Vorurteile durch positive Erfahrungen beigelegt

Also was tun? Erbost ist Peter Schiekel darüber, dass einfache "Blaumannberufe" in Deutschland einen immer schlechteren Ruf bekommen und gesellschaftlich nicht mehr anerkannt sind. Auf den Gedanken, es im wirtschaftlich angeschlagenen Spanien zu versuchen, brachte den Unternehmer das Diakonische Werk. Der Wohlfahrtsverband aus der Oberlausitz beschäftigt schon seit Jahren Pflegekräfte von der iberischen Halbinsel. Schiekel sprach mit seinen Kollegen und entschloss sich, den Schritt zu wagen. Heute gibt er zu, dass er den Entschluss nicht ganz ohne Vorurteile fasste: "Am Anfang habe ich mich schon gefragt, ob der Spanier sich zur Siesta erstmal aufs Ohr legt." Leonor Meyer beginnt bei Schiekles Ausführungen zu lachen und weißt daraufhin, dass sie keinen Spanier kenne, der sich zur Siesta aufs Ohr lege, außer ihre 84-jährige Mutter.

Headhunterin und helfende Hand

Leonor Meyer ist Dresdnerin mit spanischen Wurzeln, sie bezeichnet sich selbst als Mutter der noch jungen Einwanderer. Selbst hat sie schon in den USA gelebt und weiß, was es bedeutet, neu in ein Land zu kommen. Ob Probleme mit dem Amt, dem Arzt, oder der Sprache: Leonor Meyer ist eine Headhunterin und helfende Hand in allen Lebenslagen.

Doch sie selbst bezeichnet sich als Relocaterin, mit der Aufgabe den Menschen dabei zu helfen, schnell heimisch zu werden. Am 3. Oktober hat Leonor Meyer die ersten sieben Mitarbeiter bereits ein Jahr lang in ihrem neuen Leben begleitet.

Die Inserate im Internet, viele Reisen nach Spanien und Bewerbungsgespräche, Wohnungssuche, Dolmetscherin und Sprachkurse haben sich also gelohnt. Die Kosten für das Projekt Fachkräfte beziffert Schiekel auf 30.000 bis 40.000 Euro. Er hat alle neuen Arbeiter im April unbefristet übernommen. Schiekel betont: "Ich habe keine billigen Arbeiter eingestellt. Die Spanier arbeiten hier zu den gleichen Bedingungen wie die restliche Belegschaft."

Geben und Nehmen

Peter Schiekel erwartet, dass die neuen Mitarbeiter Deutsch lernen. Es sind schließlich Fachkräfte, die Peter Schiekel einstellt. Auf die Frage ob die Spanier nur als Gastarbeiter nach Deutschland kommen, gibt Schiekel eine klare Antwort und sie lautet: "Nein." Er sieht es als Problem, dass türkische Arbeiter in der Vergangenheit nur als Gäste angesehen wurden und heute zumeist schon in der dritten Generation in Deutschland leben. Für ihn hat die Integration der Spanier höchste Priorität. Für Peter Schiekel sind sie nicht nur Gäste, sondern willkommene Arbeitskräfte, die Hilfe brauchen beim Start in ein neues Leben. Jeder der neuen spanischen Fachkräfte bekommt einen Paten an die Seite gestellt, der den neuen Kollegen an die Hand nimmt so weit es geht.

Nach dem absolvierten Deutschkurs sollen auch die sieben neuen Kollegen als Dreher und Fräser an den Maschinen in den Hallen arbeiten.

Nicht nur im Unternehmen sind die Spanier willkommen. Der 23-jährige David erzählt, dass er in einer Kneipe angesprochen wurde, ob er der Spanier von Herrn Schiekel sei. Am darauf folgenden Wochenende gingen der Spanier und Dohnaer gemeinsam wandern in die sächsische Schweiz. Das Unternehmen Schiekel Präszionssysteme hat das moderne Europa in das Müglitztal geholt. Davon profitiert nicht nur der Unternehmen Schiekel selbst, sondern die ganze Region.