11. November: Spiel nicht mit den Schmuddelkindern – Herr Dr. Mannke in der Abseitsfalle

Was die Lokführergewerkschaft für die Deutsche Bahn ist, das ist der Philologenverband für die deutsche Bildungslandschaft: Eine kleine Spartengewerkschaft, die ihre Reputation aus einer gewissen beruflichen Sonderstellung ableitet, denn nur Lehrer, welche Schüler zum Abitur verhelfen, sind in dem Verband zugelassen. Ein normaler Grundschullehrer entspricht offensichtlich nicht dem Bildungsniveau des Philologenverbandes. Diesem selbst gesteckten Anspruch folgend, sollte man durchaus eine Klarheit des Gedankens unter den Mitgliedern und vor allem in den Führungsgremien des Verbandes erwarten dürfen. Andererseits sehen sich Spartengewerkschaften wegen ihres Schattendaseins immer wieder gezwungen, durch gelegentlich schrille Töne aufzufallen. Das ist Sachsen-Anhalts obersten Philologen in bemerkenswerter Weise gelungen, denn Dr. Mannke schaffte es, mit seinen abstrusen Äußerungen bis in die Nachrichtensendung von Pro 7, bislang ein Sender, dem in gehobenen Kreisen nicht unbedingt ein philologisches Bemühen zugestanden wurde. Aber wie konnte das geschehen?

Der Mahner aus dem Burgenlandkreis

Dr. Mannke ist im Hauptberuf Direktor des Goethe-Gymnasiums in Weißenfels und außerdem Inhaber einer gymnasialen Lehrbefähigung für die Fächer Deutsch und Geschichte. Das scheinen hinreichende Kernkompetenzen zu sein, um sich zu bewegenden Fragen der Zeit zu äußern, zum  Beispiel in der verbandseigenen Monatszeitschrift. Unter der Überschrift "Flüchtlingsdebatte: Anpassung an unsere Grundwerte erforderlich" wagen Dr. Mannke und seine Stellvertreterin eine Analyse der gegenwärtigen Verhältnisse. Schon mit ersten Satz lassen die beiden Pädagogen ihre Leser wissen, dass sie jetzt mal "Klartext" zu schreiben gedenken, mit der knappen und etwas unbeholfen formulierten Aussage: "Eine Immigranteninvasion überschwappt Deutschland." "Schwappen" beschreibt der Duden, ein in Philologenkreisen durchaus bekanntes Nachschlagewerk, als ein "Überfließen und dabei ein klatschendes Geräusch" verursachend. Doch der schiefe Ausdruck sei dem Deutschlehrer verziehen, der Begriff "Immigranteninvasion" ist allerdings eines Geschichtslehrers unwürdig. Denn das Wort Invasion entstammt dem militärischen Vokabular und eben jener Duden schreibt zu diesem Begriff: "feindliches Einrücken von militärischen Einheiten in fremdes Gebiet". Warum sich nun Herr Dr. Mannke von fremden militärischen Einheiten umstellt fühlt, wenn er aus seinem Weißenfelser Schuldirektorenzimmer schaut, wissen wir nicht. Fest steht jedoch, dass ein Deutschlehrer mit Oberstufenzulassung eine Wortwahl pflegt, um die ihn die NPD beneiden könnte. Denn aus Kriegsopfern und Flüchtlingen Täter zu machen, indem man sie zu Invasoren erklärt, ist ein im rechtsextremen Weltbild tief verwurzelter Gedankengang. Im Weiteren geben die Autoren ihren Sorgen breiten Raum und landen alsbald, wie so oft bei solchen Diskussionen, bei der Geschlechterfrage. Wenn also schon unseren Grenzen nicht vor jenen "Invasoren" zu sichern sind, dann müsse doch zumindest das deutsche Mädel geschützt werden: "Wie können wir unsere jungen Mädchen im Alter ab 12 Jahren so aufklären, dass sie sich nicht auf ein oberflächliches sexuelles Abenteuer mit sicher oft attraktiven muslimischen Männern einlassen?" Das also ist das Dilemma des deutschen Mannes. Es mangelt ihm an Attraktivität, so dass nun die Muselmänner ihm die ohnehin knappen Frauen auszuspannen drohen. Diese Angst gehört seit jeher zum Instrumentenkasten rassistischer Vorurteile. Neunzehnhundertzwanzig schrieb zum Beispiel der US-Industrielle Henry Ford: "Bekanntlich steht die Keuschheit der christlichen weiblichen Jugend bei den jüdischen Jünglingen und Männern nicht so hoch im Kurse wie die der jüdischen Jungfrauen…" Deshalb müsse man die christlichen Frauen vor den jüdischen Männern warnen. Dass ein Geschichtslehrer offensichtlich nicht die Geschichte von Vorurteilen kennt, sondern diese stattdessen unreflektiert und beinahe angstlüstern weiter verbreitet, ist ein bemerkenswerter Umstand, der dem Begriff der Bildungsmisere, der auch gerne vom Philologenverband ins Feld geführt wird, eine neue Dimension verleiht. 

Eine Entschuldigung, die nichts taugt

"Ich habe mir vor 1989 nicht den Mund verbieten lassen und tue das jetzt auch nicht", so wird der der tapfere Kämpfer für deutsche Grundwerte in der "Mitteldeutschen Zeitung" vom 6. November zitiert. Aber inzwischen ist Dr. Mannke von seinen Äußerungen überraschenderweise nicht mehr ganz so überzeugt, zumindest was das Thema Zuwanderung betrifft. Auf der Internetseite des Verbandes teilt er mit:

"Ich erkläre hiermit, dass ich niemals die Absicht gehabt habe, Menschen anderer Religionen, Nationen und Kulturen zu diffamieren, Ängste zu schüren, nationalistische Klischees zu bedienen oder zu pauschalisieren. Die Wortwahl einiger Passagen sehe ich im Nachhinein als unglücklich und missverständlich gewählt."

Allerdings ist nicht nur Wortwahl unglücklich oder missverständlich, sondern wirklich gefährlich sind die Gedanken und Vorteile, die zu diesen Äußerungen geführt haben. Und die sind leider gar nicht missverständlich und verlieren auch mit einer Entschuldigung nichts an ihrer Brisanz. Sachsen-Anhalts Verfassungsschutz warnte unlängst, die bürgerliche Mitte verliere die Scheu vor Rechtsextremisten. Wollte man dafür einen Beleg suchen, empfiehlt sich der Blick die Zeitschrift des Philologenverbandes. Allerdings findet sich im aktuellen Heft auch ein Funken Hoffnung. Ein wenig holprig zwar steht dort zu lesen: Junge Schüler – alte Lehrer, das macht wirklich gute Bildung schwerer. Dem ist nichts hinzuzufügen.