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In Leipzig wurde 1650 die Tageszeitung erfunden

01. Juni 2011, 13:38 Uhr

347 Tageszeitungen gibt es zurzeit in Deutschland. Die erste überhaupt kam aus Leipzig: 1650 veröffentliche Timotheus Ritzsch die "Einkommenden Zeitungen". Dass die täglichen Nachrichten in Leipzig ihren Ursprung haben, ist kein Zufall. Mehr dazu erfahren Sie auch in den Hintergründen.

Am Anfang war die Karikatur – zumindest auf Flugblättern, die ab 1501 in den deutschen Ländern kursierten. Denn die meist anonymen Verfasser wollten ihre religiöse oder politische Kritik verstanden wissen und die Mehrzahl der Bevölkerung konnte nicht lesen. Also wurde gemalt. Später entstanden Lesezirkel. Die Flugblätter reagierten auf aktuelle Ereignisse – war der Anlass vorbei, gab es auch kein Flugblatt mehr. Es sollte noch einmal hundert Jahre dauern, bis die erste regelmäßig erscheinende Zeitung herauskam: die "Relation aller fürnemmen und gedenckwürdigen Historien" aus Straßburg.

Knotenpunkt Leipzig

Die Zeitung mit dem sperrigen Namen setzte eine enorme Entwicklung in Gang: Überall in Europa entstehen in den darauf folgenden Jahren neue Zeitungen. Eine Ursache dafür war der Dreißigjährige Krieg, in den alle Länder des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation verwickelt sind. Plötzlich hatten Kämpfe im Nachbarland auch für die eigene Zukunft Bedeutung. Plötzlich wollte man möglichst schnell wissen, was in der Ferne passierte. Informationen wurden dort gesammelt, wo sich die Menschen aus unterschiedlichsten Regionen trafen: an den Verkehrsknotenpunkten entlang der Handels- und Heeresstraßen. In Leipzig zum Beispiel.

Händler und Korrespondenten machten in der Messestadt Rast und gaben weiter, was sie gehört oder erlebt hatten. Nach dem Vorbild aus anderen Ländern stellte der Leipziger Buchdrucker Timotheus Ritzsch diese Nachrichten, damals auch Zeitungen genannt, zusammen. Dann druckte und verkaufte er sie in der "Wöchentlichen Zeitung". Das Blatt entstand 1643 und erschien vier Mal pro Woche.

Offenbar war das Informationsbedürfnis nach Ende des Dreißigjährigen Krieges jedoch nicht gestillt, es hatte sogar zugenommen: Am 1. Juli 1650 erhält Ritzsch vom König die Erlaubnis für eine Zeitung, die sechs Mal in der Woche erscheint. Seine "Einkommenden Zeitungen" gelten damit als erste Tageszeitung der Welt.

Vernetzt in Europa

Die Zeitung bestand aus vier Seiten und war so groß wie ein Taschenbuch. Ein Impressum gab es nicht. Auch inhaltlich unterschieden sich die "Einkommenden Zeitungen" von ihren heutigen Nachfolgern. Es waren nur Berichte und Nachrichten ohne Meinungsteil darin zu finden. Die Beiträge sind so abgedruckt, wie Ritzsch sie erhalten hatte. Wichtigkeit oder Bedeutung spielten bei der Platzierung keine Rolle. Auch Bilder suchte man vergeblich. Thema war ausschließlich die Politik, andere Rubriken, auch das Lokale, gab es nicht.

Aber eines hatte Ritzsch schon damals: Informanten in Paris, Lissabon oder Riga, die ihm regelmäßig Nachrichten übermittelten. Deswegen gelten die "Einkommenden Zeitungen" in der Fachwelt als Qualitätsblatt.

Es ist nicht nur die am häufigsten erscheinende Zeitung, es war auch die bestinformierte. 'Bestinformiert" hieß, dass sie eben Nachrichten aus ganz Europa brachte, dass man hier über die Kriegs- und Welthändel, wie es seinerzeit hieß, bestens Bescheid wusste.

Medienhistoriker Jürgen Schlimper

Trotz des guten Rufs hatte die Zeitung kein langes Leben. Nach zwei Jahren lief das Zeitungsprivileg aus. Für Ritzsch bedeutete der Einschnitt aber nicht das Ende seiner Publizisten-Tätigkeit: Ab 1660 gab er die "Neueinlauffende Nachricht von Kriegs- und Welt-Händeln" heraus, die – seit 1734 als "Leipziger Zeitung" – bis ins 20. Jahrhundert hinein bestand.