Beschluss für Beitritt der DDR "Dann nehmen wir den 3. Oktober"

08. März 2018, 13:24 Uhr

Es war das Ende eines Wochen währenden Ringens: In der Nacht zum 23. August 1990, um 2:47 Uhr, beschloss die Volkskammer in einer turbulenten Mammutsitzung den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik am 3. Oktober 1990.

Nicht weniger als 15 Termine für den Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes, so rechnete der PDS-Abgeordnete Gregor Gysi seinen Kollegen auf der 30. Tagung der Volksammer am Abend des 22. August 1990 vor, seien in den letzten Wochen genannt worden. "Welcher DDR-Bürger soll das noch verstehen?", fragte er. Keiner! Darüber waren sich auch die Abgeordneten der anderen Fraktionen einig.

Doch auf einen Beitrittstermin schienen sie sich auch an diesem Tag nicht einigen zu können. Zu unterschiedlich waren die Positionen: Die DSU wollte den Beitritt noch "am heutigen Tag", CDU und Demokratischer Aufbruch favorisierten den 10. oder 14. Oktober, die SPD den 15. September, die PDS plädierte dafür, die Volkskammer möge am 9. Oktober einen Termin beschließen und Bündnis '90 wollte diese Sitzung bereits für den 3. Oktober anberaumen. "Das war alles nicht mehrheitsfähig", sagt Reinhard Höppner, damals Vizepräsident der Volkskammer. "Wir mussten etwas tun."

de Maizière: "Alles wird in Chaos versinken"

Der Druck der Öffentlichkeit war enorm. Die Währungsunion war bereits vor sechs Wochen vollzogen worden, der Einigungsvertrag fast unterschriftsreif und die DDR-Wirtschaft stand vor dem Kollaps, wie Ministerpräsident Lothar de Maizière am 2. August eindringlich Bundeskanzler Kohl in dessen Urlaubsort St. Gilgen schilderte:

Lothar die Maiziere
Lothar de Maizière war der letzte Ministerpräsident der DDR. Bildrechte: imago/United Archives

"Alles wird in Chaos versinken", warnte de Maizière. "Als Ausweg schlug er vor", schreibt Kohl in seinen Erinnerungen, "den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik bereits für den 14. Oktober zu verkünden." Bis dahin war dieser Schritt für einen viel späteren Termin geplant gewesen. Einen Tag nach seinem Besuch bei Kohl präsentierte de Maizière den 14. Oktober auf einer Pressekonferenz. Die Bundesregierung hielt sich ihrerseits mit einem Terminvorschlag zurück. Regierungssprecher Hans Klein erklärte lediglich: "Der Bundesregierung erscheint jeder Termin sinnvoll, der nach dem 2. Oktober liegt."

Die Mehrheit will keinen 41. Jahrestag der DDR

Am 22. August 1990, um 19 Uhr, beantragte de Maizière eine Sondersitzung der Volkskammer zur Festlegung des Beitrittstermins. Es war eine einsame Entscheidung, nicht einmal seine Fraktion hatte er in sein Vorhaben eingeweiht. Doch er war sich jetzt schon nicht mehr sicher, ob der 14. Oktober tatsächlich der beste Tag für den Beitritt ist: "Ich hatte geplant, dass wir am 7. Oktober, dem 41. Jahrestag der DDR, den Beitritt zum 14. Oktober beschließen. Aber mir wurde klar, dass die Mehrheit der Abgeordneten keinen 41. Jahrestag will." Die Sondersitzung schien beendet, noch ehe sie richtig begonnen hatte.

Beitrittstermin unbedingt vor dem 7. Oktober

Doch Reinhard Höppner wollte ein Ergebnis. Nach de Maizières Rede rief er die Fraktionsvorsitzenden zu sich:

Ich sagte ihnen, dass ich die Sitzung nicht schließen werde, bevor es ein Ergebnis gibt. Wir können hier nicht eine Sondersitzung veranstalten und die internationale Presse herbeilocken und dann sagen: April, April.

Ins Gespräch kam jetzt der 9. Oktober, der Jahrestag der entscheidenden Montagsdemonstration in Leipzig. Ein würdiger Tag, gewiss. "Aber was machen wir mit dem 7. Oktober?", fragte Höppner. Denn alle wussten, dass auch Helmut Kohl keineswegs noch einen Jahrestag für die DDR wollte. Also musste der Beitrittstermin unbedingt vor dem 7. Oktober liegen. Vor dem 2. Oktober konnte er aber auch nicht liegen. Es blieben im Grunde also nur fünf mögliche Termine.