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SachsenBuß- und Bettag: Ein Feiertag auf Arbeitnehmerkosten

16. November 2022, 05:00 Uhr

Der Buß- und Bettag wurde 1995 als gesetzlicher Feiertag zur Finanzierung der Pflegeversicherung bundesweit gestrichen. Nur die Sachsen unter ihrem damaligen Landesvater Kurt Biedenkopf widersetzten sich tapfer. Der Buß- und Bettag blieb im Freistaat auch weiterhin ein arbeitsfreier Feiertag – den die Arbeitnehmer freilich teuer bezahlen müssen.

Ein gesetzlicher Feiertag ist der Buß- und Bettag natürlich noch immer. Und dies auch in ganz Deutschland – in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg oder Bayern. Überall wird der evangelische Feiertag festlich begangen – freilich erst nach getaner Arbeit.

Sachsens Alleingang: Buß- und Bettag bleibt

Am 22. Mai 1994 beschloss der Deutsche Bundestag die Streichung des Buß- und Bettages, um die Mehrbelastung der Arbeitgeber durch die neu eingeführte Pflegeversicherung auszugleichen. In einigen Bundesländern regte sich jedoch Widerstand: Sachsen, Bayern und Baden-Württemberg wollten die Streichung des evangelischen Feiertags nicht so ohne weiteres hinnehmen. Während sich Baden-Württemberg und Bayern nach zähen Verhandlungen schließlich fügten, setzte sich der damalige sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf mit einem Sonderweg durch: Der Buß- und Bettag blieb im Freistaat ein gesetzlicher Feiertag.

Minusgeschäft für die Arbeitnehmer

Um den arbeitsfreien Tag zu finanzieren, müssen sächsische Arbeitnehmer aber seither 0,5 Prozent ihres Bruttolohns mehr in die Pflegeversicherung einzahlen als die Arbeitnehmer in den anderen Bundesländern. Den durchschnittlichen sächsischen Arbeitnehmer im produzierenden Gewerbe und Dienstlsitungssektor kostet dieser Feiertag rund 207 Euro. Was sie davon haben? Einen nicht selten verregneten freien Tag im November. An der Sinnhaftigkeit dieser Regelung kann man erst recht zweifeln, wenn man bedenkt, dass 75 Prozent der Bevölkerung in Sachsen konfessionslos ist.

Was kostet der Buß- und Bettag? – Die Berechnung

Nach Angaben des Statistischen Landesamtes lag der durchschnittliche Bruttoarbeitsverdienst für Vollzeitbeschäftigte im produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungssektor im Jahr 2021 bei 3445 Euro im Monat. Auf das gesamte Jahr hochgerechnet ergibt das 41.340 Euro. 0,5 Prozent davon sind 207,60 Euro.

Ihre tatsächliche Mehrbelastung können Sie auf der Seite des DGB Sachsen exakt ausrechnen, wenn Sie Ihren Jahresbrottolohn eintragen.

Die Arbeitgeber profitieren dagegen von Kurt Biedenkopfs Alleingang 1994. Sie zahlen einen halben Prozentpunkt weniger in die Pflegeversicherung ein als im Rest der Republik. Dabei wurden inzwischen in anderen Bundesländern neue, zusätzliche Feiertage geschaffen, wie den Kindertag in Thüringen oder den Frauentag in Berlin. Der DGB fordert deshalb die Abschaffung des 0,5-Prozent-Aufschlags.

Kurt Biedenkopf (2019) Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Buß- und Bettag: Tradition des Protestantismus

Der Buß- und Bettag zählt seit der Reformationszeit zur festen Tradition des Protestantismus. 1878 wurde er zum freien Tag erklärt, jedoch erst ab 1934 auch als gesamtdeutscher Feiertag am 20. November begangen. Fünf Jahre später schaffte ihn Adolf Hitler jedoch schon wieder ab: "Der aufgezwungene Kampf nötigt zur Anspannung aller Kräfte", begründete der Diktator seine Entscheidung.

Nach Kriegsende wurde der Buß- und Bettag mit Ausnahme von Bayern in allen Bundesländern wieder eingeführt. Bayern entschloss sich erst 1981, ihn ebenfalls zum Feiertag zu erklären. Auch in der DDR war der Buß- und Bettag zunächst ein gesetzlicher Feiertag. 1967 wurde er allerdings im Zuge der Einführung der Fünf-Tage-Arbeitswoche ersatzlos gestrichen. Nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten galt der Buß- und Bettag aber auch im Osten wieder als Feiertag.

Kerzen zum Buß-und Bettag Bildrechte: Colourbox.de

Versuche der Wiedereinführung des Feiertags scheiterten

Nachdem der Buß- und Bettag 1995 als gesetzlicher Feiertag abgeschafft worden war, gab es in einigen Bundesländern Versuche, den Buß- und Bettag als Feiertag wieder zu reaktivieren. So sollte etwa ein Volksbegehren in Schleswig-Holstein die Wiedereinführung des Feiertags erzwingen. Auch im katholischen Bayern wollte der damalige Ministerpräsident Edmund Stoiber, der die Protestanten zwar als "numerische", jedoch keineswegs als "qualitative Minderheit" betrachtete, seinen Landeskindern den Buß-und Bettag zurückgeben. Diese Versuche aber scheiterten allesamt.

Andererseits gab es in Sachsen in all den Jahren wiederholt Kritik. So bezeichnete etwa die sächsische FDP den Tag 2010 als "anachronistisch" und forderte dessen baldige Abschaffung. Unterstützung fanden die Liberalen vor allem beim Deutschen Gewerkschaftsbund, der den Alleingang Sachsens von Anfang an bekämpft hatte. Die CDU beharrte auf dem gesetzlichen Feiertag: Die Sachsen wüssten durchaus mit Buße und Beten etwas anzufangen, hieß es aus den Reihen der CDU.

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 16. November 2022 | 19:30 Uhr