Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio

Geschichte

DDRNS-ZeitZeitgeschichteMitteldeutschlandWissen
Der "Klappfix" – ein Anhänger, aus dem sich kurzerhand ein Zelt errichten lässt - und nahezu unverwüstlich. Bildrechte: picture alliance/dpa | Jan Woitas

Campen in der DDR"Klappfix" – der legendäre Wohnzelt-Anhänger

04. August 2022, 11:49 Uhr

Ein Anhänger, aus dem sich mit wenigen Handgriffen ein Zelt machen lässt, das ist der "Klappfix". Zu Tausenden zogen die DDR-Bürger früher mit ihrem "Klappi" auf die Zeltplätze. Insgesamt machten etwa 30 Prozent der DDR-Bürger Urlaub auf den staatlichen Campingplätzen der Republik. Viele zog es aber auch nach Ungarn oder Bulgarien. Das Campen war damals nicht nur eine Alternative zum FDGB-Urlaub, es war auch pures Abenteuer.

Auch das liebe Geld dürfte einer der Gründe gewesen sein, warum Camping in der DDR so beliebt und verbreitet war. Die staatlichen Campingplätze waren spottbillig. In der besten Kategorie kostete eine Übernachtung Mitte der 80er-Jahre eine Mark pro Person, für Wohnwagen und Auto kam noch eine Mark dazu. In den Anfangsjahren allerdings, da beäugte der junge Arbeiter- und Bauern-Staat diese Urlaubsform noch mit einigem Argwohn, denn beim Campen verbringen die Bürger ihre Freizeit individuell - so individuell, dass es anfangs Zweifel gab, ob das auch wirklich "sozialistisch" genug ist.

FKK wurde populär

An den Ostseezeltplätzen spielte außerdem die FKK-Bewegung eine große Rolle. Als die ersten Nackten am Strand von Prerow Anfang der 50er-Jahre auftauchten, wurden sie von der Kasernierten Volkspolizei zusammen mit sowjetischen Soldaten auf Pferden auseinandergetrieben. Aber es war eines der wenigen Verbote, das die DDR nicht durchsetzen konnte. Nacktbaden wurde immer populärer - die Zeltplätze an der Ostsee waren auch deshalb sehr gefragt.

Autodachzelt, Dübener Ei und Klappfix

Das Autodachzelt - eine weitere Erfindung findiger DDR-Ingenieure fürs Campen Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Für den motorisierten Camper hatte die Autoindustrie der DDR einiges zu bieten. Das war nicht immer billig, aber durchaus originell. Das berühmte Dachzelt für den Trabant hat wirklich funktioniert. Und zu Tausenden zogen die DDR-Bürger mit ihrem "Klappfix" auf die Campingplätze – einem Anhänger, aus dem sich ein Zelt machen ließ. Heute ist es ein Sammlerstück, das von den Fans aber immer noch benutzt wird. Ein paar Handgriffe genügen, um aus dem Anhänger ein Zelt samt Küche zu zaubern.

Wohnwagen made in GDR: Das wahrscheinlich älteste erhalte "Dübener Ei" in der Caravan-Werkstatt von Jörg Würdig in Bad Düben. Bildrechte: MDR/Christa Würdig

Zahlreiche Amateurfilme aus jener Zeit offenbaren heute, wie einfallsreich die Bürger Ost die Mängel in Ausstattung und Infrastruktur ausgeglichen haben. Aber auch in den Fernseharchiven lagern wahre Camping-Schätze: Legendär sind die Auftritte vom nackten Reporter Wolle am FKK-Strand in der Sendung "Außenseiter, Spitzenreiter". Der Fernsehfilm "Camping, Camping" mit Ursula Karusseit und Henry Hübchen zeigt die Höhen und Tiefen im ostdeutschen Camperleben. In der Wiedervereinigungskomödie "Go Trabi go" mit Wolfgang Stumph, Claudia Schmutzler und Marie Stein erfährt der "Klappfix" 1991 seine bundesweite Vorstellung.

Klappfix, Hering, Luftmatratze - Campen in der DDR

Anfang der 1950er-Jahre beginnt die Camping-Bewegung in der DDR eher bescheiden. Noch gibt es kaum offizielle Campingplätze. Man zeltet wild. 1954 zählt die DDR-Statistik etwa 10.000 Camper. Bildrechte: IMAGO / Gerhard Leber
Für viele DDR-Bürger bedeutet Camping ein Stück Freiheit – jenseits der Reglementierungen des gewerkschaftlichen oder betrieblichen Feriendienstes. In den frühen 1960er Jahren gibt es schon knapp 500 Campingplätze in der DDR. Bildrechte: picture alliance/dpa | dpa Zentralbild
Anfang der 1960er tauchen auch die ersten Wohnwagen in der DDR auf. Hier das Modell "Würdig 301", im Volksmund auch: "Dübener Ei". Max Würdig hat es schon 1936 in Bad Düben erfunden. Der Preis lag Mitte der 1960er bei rund 5.000 Mark und stieg bis 1990 auf etwa 6.500 Mark. Das entsprach etwa der Hälfte eines durchschnittlichen Jahreseinkommens in der DDR. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Zum Campen braucht man in der DDR eine Genehmigung, den so genannten Zeltschein. An den beliebten Ostseestränden sind die Zeltscheine jedoch damals rar. Der Zeltplatz Markgrafenheide ist in seinen besten Zeiten mit fast 5.000 Campern belegt. Eine Übernachtung mit dem Zelt kostet 1 Mark. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Für Aufsehen sorgte Ende der 1960er auch der so genannte "Klappfix" – ein Anhänger, aus dem sich kurzerhand ein Zelt errichten lässt. Er wurde sogar ins Ausland exportiert. 1994 gingen beim Produzenten VEB Fahrzeugwerk Olbernhau im Erzgebirge jedoch die Lichter aus. Dennoch existieren vermutlich heute noch 5.000 bis 10.000 Anhänger. Bildrechte: picture alliance/dpa | Jan Woitas
Ende der 1970er taucht ein neues, skurriles Campingutensil auf: das Autodachzelt von Gerhard Müller aus Limbach-Oberfrohna. Heute ein echter Kultklassiker. Es wird zuerst nur für den Trabant entwickelt, später auch für andere Fahrzeuge wie Wartburg oder Skoda. Bis 1990 werden knapp 1.800 Dachzelte produziert. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Die Fans des "Klappi" sitzen bei Weitem nicht nur im Osten Deutschlands. Die Zeltanhänger aus Olbernhau wurden europaweit verkauft. Die Exportquote lag zeitweise sogar bei über 80 Prozent, berichten Zeitzeugen. Die campingbegeisterten Holländer zum Beispiel zogen sie als "Alpenkreuzer" hinter sich her. Durch die Fertigung in der DDR konnten sie im Westen vergleichsweise billig verkauft werden. Und oft genug werden sich die Leute dort wohl gewundert haben, was für eine "Villa" aus so einem kleinen Anhänger herauskam.

Der Artikel wurde erstmals 2019 veröffentlicht.


Über dieses Thema berichtet der MDR auch im TV:Klappfix, Hering, Luftmatratze - Campen in der DDR || 02.07.2019 || 22:05 Uhr