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In Dresden und Leipzig erzählte man den Kindern zwischen 1820 und 1835, dass im Haus des Lehrers ein Baum mit Zuckertüten wachsen würde. Wenn die dann groß genug sind, wäre es auch Zeit für den Schulanfang. Bildrechte: Colourbox.de

Schulbeginn in der DDRSchulanfang mit Zuckertüte - Große Feier im Osten

19. August 2023, 05:00 Uhr

Der Schulanfang ist der Beginn eines neuen Lebensabschnittes im Leben eines Kindes. Dieser Wendepunkt wird im Osten besonders ausgiebig gefeiert. Dazu gehört unbedingt die Zuckertüte - eine ostdeutsche Erfindung.

Der Schulanfang - in anderen Gegenden Deutschlands auch Schuleinführung genannt - wird in Ostdeutschland besonders ausgiebig gefeiert. Warum ist das so? Ein Grund liegt möglicherweise schon in der Wahl des Wochentages. Während der Schulanfang im Westen üblicherweise unter der Woche stattfindet, ist es im Osten meistens ein Sonnabend, der ja früher auch ein Schultag war. Man feiert gern in Gaststätten und lädt dazu Freunde und die Verwandtschaft ein.

Ein weiterer Grund ist offenbar, dass im Osten die traditionellen kirchlichen Übergangsfeste zu DDR-Zeiten an Bedeutung verloren haben und die Jugendweihe nicht als alleiniger Ausgleich reicht. Wenige Kinder nehmen damals an Konfirmationen oder Firmungen teil, aber alle Kinder wurden schulpflichtig. Heute wird etwa die Hälfte aller Kinder gefirmt oder konfirmiert - im Westen mehr als im Osten.

Schuleinführung: Evangelische Tradition

Früher fiel der Schulanfang oft mit dem Osterfest zusammen. Bildrechte: imago/Panthermedia

Doch die Feier zum Schulanfang ist lang vor Entstehung der DDR eine evangelische Tradition geworden, führt Dr. Thomas Töpfer vom Schulmuseum in Leipzig aus. Damals findet die Schuleinführung an Ostern statt. Dass es diese evangelische Sitte in eher katholischen Gebieten wie Bayern schwer hatte, hat seiner Auffassung nach nichts mit der DDR zu tun. Durch die Teilung Deutschlands hat sich die Ausprägung der Feierlichkeiten im Osten jedoch noch verstärkt. Da das Bildungssystem im Osten auch eine wichtige politische Rolle in der Erziehung zum "sozialistischen Menschen" spielt, werden eigene Rituale eingeführt und damit eine gewisse politische Demonstration erreicht, erklärt der Leiter des Schulmuseums. Mit der Einschulung werden die Kinder Teil der sozialistischen Gemeinschaft. Im Westen dagegen ist der Schulanfang nach seiner Erfahrung häufig eher eine Begrüßung am ersten Schultag.

Ost-Tradition: Mit Zuckertüte und Party Schulanfang feiern

Zum Schulanfang gehört unbedingt die Zuckertüte. Älteste Quellenbelege für die Zuckertüte (in anderen Gegenden auch als Schultüte bekannt) gibt es für das ausgehende 18. Jahrhundert. Damals werden Spitztüten aus Papier verwendet, wie sie auch im Handel benutzt wurden, um Süßwaren zu verpacken. Der Inhalt der Tüten gibt den Namen: Die Zuckertüte ist entstanden. Erste Belege stammen aus Mitteldeutschland, vor allem aus Sachsen und Thüringen. Die Zuckertüte ist ursprünglich so etwas wie eine "vertrauensbildende Maßnahme", die den Kindern die Angst vor den Lehrern und der Schule nehmen sollte. Ursprünglich wird die gefüllte Tüte am ersten Schultag nämlich von der Lehrerin oder dem Lehrer an die Kinder übergeben.

Albert Sixtus über den Zuckertütenbaum

Albert Sixtus hat in seinen Werken das Thema Schule kreativ beleuchtet. Bildrechte: imago/HRSchulz

Im Jahr 1920 wird das Buch "Der Zuckertütenbaum" von Albert Sixtus, dem Autor der "Häschenschule", mit den Illustrationen von Richard Heinrich veröffentlicht. Der "Zuckertütenbaum" avancierte zum Kinderbuchklassiker und hat dennoch nichts an Aktualität eingebüßt und wird auch heute noch gern zum Schulanfang verschenkt.

Der Kinderbuchautor Albert Sixtus (1892–1960) berichtet in eingängigen Versen davon, wo die Schultüten herkommen. Die farbkräftigen Illustrationen von Richard Heinrich verleihen dem Geschehen zusätzliche Fröhlichkeit. Das Buch knüpft an die heitere Legende an, dass den Kindern früher erzählt wurde, im Keller jeder Schule stehe ein Zuckertütenbaum. Wenn die Tüten groß genug seien, wäre es für die Kleinen höchste Zeit, zur Schule zu gehen. Der Autor tritt im April 1915 eine Stelle an der Städtischen Realschule im sächsischen Kirchberg an. Da Albert Sixtus in Sachsen als Lehrer arbeitet, liegt die Vermutung nahe, dass er in dem Buch die Erfahrungen aus seinem Alltag einfließen lässt.

Dieser Artikel erschien erstmals im September 2021.