Die Geschichte des Frauentags Frauentag in der DDR: Einmal im Jahr vom Chef verwöhnt werden
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Mit Gedichten oder Blumensträußen wurden die Frauen der DDR alljährlich von ihren eigenen Kindern oder denen der "Patenklasse" beglückwünscht. Dazu gab es eine gemalte Karte, ein gebasteltes Geschenk und vielleicht noch Blumen. Letztere wurden in jedem Fall auch vom Partner und im Betrieb vom Chef überreicht.

Frauentag: Das Comeback nach dem 2. Weltkrieg
Der Frauentag war eine Institution in der DDR, ein Ritual mit festem Platz im Kanon der Feiertage. 1946 in der Sowjetischen Besatzungszone wieder eingeführt, feiern ihn KPD und SPD zunächst getrennt. Anlässlich dieses ersten Frauentags wird die Zeitschrift "Die Frau von heute" ins Leben gerufen. Genau ein Jahr später wird der Demokratische Frauenbund Deutschlands (DFD) gegründet, dem von nun an die Organisation des Ehrentags obliegt.
Frauentag ist heute
überall, auch hier.
Euch, ihr lieben Frauen, gratulieren wir.
Krieg soll’s nie mehr geben.
Dafür kämpfet ihr.
Und wir Kinder alle
danken euch dafür.
Schon 1949 registrierte man die Beteiligung von rund einer Million Frauen. Diese nahmen hauptsächlich an offiziellen Veranstaltungen teil, auf denen Redner die volkswirtschaftlich dringend notwendige Beteiligung der Frauen an der Erwerbstätigkeit propagierten. Nachdem dieses Ziel schrittweise verwirklicht worden war, trat die Propaganda stark in den Hintergrund. Sie beschränkte sich auf ein jährliches "Grußwort" des Zentralkomitees der SED an die "Frauen und Mädchen der DDR" im Zentralorgan "Neues Deutschland".
Gesellige Betriebsfeiern zum Frauentag
Stattdessen trat immer mehr der Aspekt der Geselligkeit, des gemeinsamen Feierns, in den Vordergrund. Obwohl – im Gegensatz zu anderen sozialistischen Staaten – der Frauentag kein offizieller Feiertag und nicht arbeitsfrei war, ruhte in vielen Betrieben die Produktion spätestens ab Mittag bzw. wurde notdürftig von den verbliebenen Männern übernommen. Ein Teil von ihnen war zum Kaffee- und Schnaps-Einschenken und als Tanzpartner abkommandiert. Denn dies war die Besonderheit des Frauentags in der DDR, der eben kein "sozialistsicher Muttertag" – wie er von westlichen Feministinnen oft bezeichnet wurde und wird – war: Er richtete sich ausdrücklich nicht nur an Mütter und spielte sich vor allem dort ab, wo sich der Lebensmittelpunkt der weiblichen DDR-Bevölkerung befand.
Für 92 Prozent, was der weltweit höchsten Frauenerwerbsquote entsprach, war dies der Betrieb. Kulturhäuser boten entsprechende Rahmenveranstaltungen mit bunten Show-Programmen, die auf Grund der großen Nachfrage über Wochen vor und nach dem 8. März liefen – so dass die eigentliche Feier oft gar nicht auf den Tag selbst fiel.
Frau sein in der DDR: Der Schein der Gleichberechtigung
Zum immer gleichen Ritual zählte neben der unvermeidlichen Ansprache des – zumeist männlichen – Führungspersonals die Auszeichnung "verdienter" Kolleginnen, begleitet von einer finanziellen Gratifikation. Dieser konnte freilich nicht wettmachen, dass Frauen insgesamt weit schlechter bezahlt waren als Männer. Zwar galt der Grundsatz "gleicher Lohn" für gleiche Arbeit, doch herrschte in Erwerbszweigen, in denen überwiegend Frauen beschäftigt waren wie in Pflegeberufen oder der Textilbranche, ein weitaus niedrigeres Lohnniveau als in "Männerberufen". Selbst dort wurden Frauen oft für schlechter bezahlte Tätigkeiten angestellt, kaum jedoch in Leitungspositionen jenseits der mittleren Ebene. So liegt das Rentenniveau ostdeutscher Frauen heute um vierzig Prozent niedriger als das der Männer.
Kunst als Nische für Kritik an Gleichberechtigung
Solche Probleme anzusprechen oder dagegen zu protestieren, dass auch in der DDR die Hauptlast der Hausarbeit und "Kinderaufzucht" mit bis zu siebzig Prozent bei der Frau lag, wäre jedoch auch am Frauentag niemandem in den Sinn gekommen. Von seiner ursprünglichen, durch Clara Zetkin begründeten Intention, ein Tag des Protests zu sein, hatte er sich meilenweit entfernt – und nicht ohne Grund wurde an seine Ursprünge kaum erinnert.
Nur einen Wunsch äußert 1974 eine "Frauentagsfeiergesellschaft" in einem Brief an das "Magazin": Man möge doch wenigstens anlässlich des Internationalen Frauentages einmal das Aktfoto eines Mannes veröffentlichen. Wirkliche öffentliche Diskussionen wurden – wie so oft in der DDR – stellvertretend im Bereich der Kunst geführt. So löste Wolfgang Mattheuers Bild "Die Ausgezeichnete", das eine abgehärmte, unglücklich wirkende ältere Frau allein vor einem kränklichen Tulpenstrauß zeigt, 1973 erbitterte Debatten aus. Sie blieben die Ausnahme.
Verwöhnprogramm zum Frauentag: Genuss ohne Wenn und Aber
In der Hauptsache genossen es die DDR-Frauen aber, an ihrem Ehrentag - auch wenn es nur einmal im Jahr war - von den Männern einschließlich ihrer Chefs bedient und verwöhnt zu werden. In Zeitungen wurden extra für diesen Tag Rezepte mit einfach zu kochenden Gerichten, die auch "er" zubereiten konnte, abgedruckt. Dass die Umkehrung der Rollen diese eigentlich nur bestätigte und nie ernsthaft in Frage stellte, war ihnen zweifellos bewusst. Dass sie es sich dennoch einen Tag lang gut gehen ließen statt auf die Straße zu gehen, wird ihnen mitunter vorgeworfen. Alice Schwarzer empfindet eine Übernahme dieses Tages für alle Frauen in Deutschland als: "gelinde gesagt, der reinste Hohn". Was nichts daran ändern wird, dass der 8. März – mit oder ohne Protest – auch heute noch begangen wird.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Zeitreise | 08. März 2020 | 22:30 Uhr