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Fasten hilft, Bauchfett zu reduzieren und ist damit auch für nicht religiöse Menschen interessant. Bildrechte: IMAGO/Ruediger Rebmann

Fasten, Diät oder FDH?Gesundheit und Ernährung in Ost und West

15. Februar 2024, 17:06 Uhr

Am Aschermittwoch fängt in der christlichen Religion die Fastenzeit an, die bis zum Osterfest dauert. Auch der Wunsch nach dem perfekten Äußeren ist keine Erfindung von heute. Dass Fasten dabei hilfreich sein kann, hat sich herumgesprochen. Wie viel oder wenig Speck auf den Rippen als optimal gilt, bestimmt der Zeitgeist. Einzig die Diäten variieren, mit denen dem Ideal nachgeeifert wird. In der DDR lautete die Zauberformel eher "FDH" - "Friss die Hälfte".

Hieß das Fasten vor wenigen Jahren noch "Nulldiät", ist Intervallfasten - im wahrsten Sinne des Wortes - gerade in aller Munde. Das Wort "fasten" stammt aus dem Althochdeutschen und meint soviel wie "an den Geboten der Enthaltsamkeit festhalten". Der Verzicht ist historisch in zahlreichen Kulturen und Religionen zu finden und kann sich auf verschiedene einzelne Lebens- oder Genussmittel, aber auch auf Sex oder heutzutage auf Fernsehen-, Internet- oder Handynutzung beziehen.

Fastenzeit: Von Aschermittwoch bis Ostern

"Digital Detox" - digitale Entgiftung - diesen Trend hatte Hippokrates bei seinem Tipp eher noch nicht im Kopf ... Bildrechte: imago images/Rene Traut

In der christlichen Religion fängt am Aschermittwoch die Fastenzeit an und dauert bis zum Osterfest. Doch auch, wenn die reduzierte Nahrungsaufnahme also ursprünglich in den Religionen begründet ist, rücken immer mehr auch gesundheitliche Aspekte in den Mittelpunkt. Appetitlosigkeit und Nahrungsverzicht sind häufige Symptome, wenn wir erkranken. Dadurch ist bekannt, dass durch den Fastenmodus das Immunsystem und unsere Zellfunktionen profitieren und Heilungsprozesse offenbar besser funktionieren. Das will man sich auch ohne Krankheit zunutze machen. Schon der alte Grieche Hippokrates heilte "ein kleines Weh eher durch Fasten als durch Arznei" (Hippokrates von Kos).

Ich will so bleiben, wie ich bin - nur schlanker

In der Fastenzeit wird auf bestimmte Lebens- und Genussmittel, insbesondere auf Fleisch, verzichtet. Auch wenn der Zweck des Fastens ein ganz anderer ist, nehmen die fastenden Gläubigen dabei meistens an Gewicht ab. Und da nicht alle Menschen religiös oder auch willens sind zu fasten, der Wunsch nach dem perfekten Äußeren aber auch bei jenen vorhanden ist, hat die Industrie schon lange vorgegaukelt, dass alles ja viel einfacher ist: "Ich will so bleiben, wie ich bin", gefolgt von einem geflüsterten "Du darfst" - so schlich sich Ende der 1980er-Jahre in der TV-Werbung eine Lebensmittel-Marke als Ohrwurm ins allgemeine Lebensgefühl. Kein Wunder, basierte die Melodie doch auf dem Sommerohrwurm "Dolce Vita" von Ryan Paris aus dem Jahr 1983. Die Lebensmittelbranche verknüpfte hier geschickt das Lebensgefühl des einstigen Sommerhits über das "süße Leben" mit der Botschaft, das Leben sei nur "süß" als schlanker Mensch - und das Mittel dazu die kalorienarmen Produkte jener Firma. Und auch die DDR erlaubte süße Sünden und erfand die kalorienreduzierte Torte.

Kalorienarme Ernährung - Abnehmen mit Diät

Der Wunsch nach der äußeren Selbstoptimierung begleitet uns schon lange - in allen Überflussgesellschaften und auch in Ost und West. Wie viel oder wenig Speck auf den Rippen gerade als optimal gilt, bestimmen schon immer Zeitgeist und der kulturelle Lebensraum. Die Vorbilder, an denen sich das mitteleuropäische Schönheitsideal heute orientiert, hat mit den normalen Maßen der Bevölkerung mitunter herzlich wenig zu tun – doch das hat die Menschen noch nie daran gehindert, gertenschlanken Vorbildern nachzueifern. Dabei helfen heute wie einst kalorienreduzierte Lifestyle-Produkte vom Typ "Light" oder "kalorienarm". Auch mit Pülverchen und Pillen, Eiweißshakes und verschiedensten Diät-Methoden wird versucht, Gewicht zu verlieren. In Westdeutschland ist die Brigitte-Diät nach der gleichnamigen Frauenzeitung ein Renner und noch heute ein Begriff, erlebt sie doch jährliche Neuauflagen. In der ostdeutschen Mode-Zeitschrift Sibylle sucht man schnöde Diättipps jedoch vergebens. Portraits, Essays und Interviews mit interessanten Persönlichkeiten waren von hohem journalistischen Niveau. Gefragt war die "Vogue des Ostens" vor allem auch wegen der begehrten Schnittmuster.

Gewichtsprobleme - auch ein Problem im Osten?

Zu DDR-Zeiten sind die Menschen im Osten nach einer Studie des Robert Koch-Institus dicker als in der Bundesrepublik – und haben dadurch mehr gesundheitliche Probleme, wie z.B. Diabetes. Auch wenn es in DDR an manchem fehlt, Lebensmittel sind immer reichlich vorhanden - wenn vielleicht auch das Gewünschte nicht immer und überall verfügbar ist. Der Staat versucht ab den 1970er-Jahren gezielt gegen "Übergewicht" vorzugehen und kämpft neben Aufklärung und Diät-Tipps mit unerwarteten Methoden. Den Bürgern wird nicht nur nahegelegt abzunehmen, dicke Körper werden auch öffentlich angeprangert und geächtet. Es gibt die Idee, dass man durch Stigmatisierung der Menschen deren Verhalten positiv beeinflussen kann. Damit soll Druck aufgebaut werden, etwas verändern, sagt Kulturwissenschaftler Stefan Offermann von der Universität Leipzig im Gespräch mit MDR ZEITREISE:

Ostfrauen - natürlich schön?

Orangen aus Kuba gaben allenfalls einen guten Saft. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Nach Plan auf die Waage steigen, Kalorien zählen und notieren, ist im Osten vor der Wende weniger verbreitet als im Westen Deutschlands. Diäten auf Basis von Zitrusfrüchten fallen mangels entsprechender Zutaten ohnehin aus. Die Kuba-Orangen eignen sich allenfalls zum Saft.

Victoria Herrmann war Model in der DDR Bildrechte: MDR/Marco Prosch

Vielleicht war das Frauenbild in der DDR ohnehin nicht das, mit dem sich die Damenwelt in den gängigen Frauenmagazinen in der Bundesrepublik herumschlug? Victoria Herrmann und Barbara Weidt, beide Models in der DDR, meinen im Rückblick:

Ich kann mich nicht erinnern, dass eine irgendwie 'ne Diät gemacht hat. Also wir haben uns immer eigentlich gesund ernährt. Wir waren natürlich nicht ganz – also nicht ganz so dünn! Kann ja auch sein, dass das Idealbild in der DDR ein anderes war - nicht ganz so dünn.

FDH: zu viel essen macht dick!

Allerdings geht es nicht allen so wie den beiden Models. Die Arbeitswelt hatte sich auch in der DDR verändert, viele essen jedoch noch, als stünden sie am Hochofen oder schufteten auf dem Acker, obwohl sie längst hinter einem Schreibtisch oder an einem Steuerpult sitzen, wie Professor Gerhard Jahreis vom Institut für Ernährungswissenschaften Jena weiß:

Die Versorgung mit Obst und Gemüse war ja schlecht. Es gab ja diesen Witz: Warum ist die Banane krumm? Weil sie einen Bogen um die DDR macht. Man versuchte Alternativen zu finden. Das wesentliche Schlagwort war ja FDH - also 'friss die Hälfte'.

Warum hat es nicht geklappt, das "Übergewicht" in den Griff zu bekommen?

Die DDR hat versucht, Möglichkeiten und Bedingungen geschaffen, so Stefan Offermann von der Universität Leipzig. Aber es gab Umsetzungsprobleme, periodische Knappheit von Diät-Lebensmitteln, der Ausbau einer Fitness-Infrastruktur hat nicht so gut wie im Westen funktioniert und das hatte auch mit ökonomischen Problemen zu tun. Beim Erreichen der gesteckten Ziele war man aber ähnlich erfolglos wie im Westen. Die Kurve der Zahl dicker Menschen runterzudrücken, hat nicht geklappt. Aber was die Ächtung dicker Körper anbetrifft, war man schon sehr erfolgreich.

Auszüge des Artikels, wie das Zitat von Victoria Herrmann, erschienen erstmals im März 2017.

(NR)

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