Nudossi
Nudossi im Plastikbecher aus Radebeul Bildrechte: imago/HRSchulz

Ost-Produkte Nudossi: DDR-Antwort auf Nutella

19. April 2021, 17:28 Uhr

Am 20. April 1964 wurde das erste "Nutella"-Glas in Italien im kleinen Städtchen Alba abgefüllt. Als 1965 dann auch das erste "Nutella"-Glas in die Bundesrepublik ausgeliefert wurde, wollte die DDR bald nachziehen. Die Antwort auf den Kult-Aufstrich des Westens kam aus Radebeul: Sie hieß "Nudossi". Heute prägt die Nuss-Nougat-Creme des Ostens den Geschmack in Ost und West.

Sie ist die "Nutella des Ostens": Die Nuss-Nougat-Creme "Nudossi" aus dem sächsischen Radebeul vor den Toren Dresdens. Von dort wurde einst die gesamte DDR mit der Süßigkeit im Plastikbecher beliefert. Nach der Wende hat sich der Brotaufstrich einen festen Platz bei Leckermäulern in Ost und West erobert:

"Wir haben das Produkt 1998 wieder reaktiviert, nachdem es jahrelang vom Markt verschwunden war. 2020 wurde Nudossi zur Top-Marke im Bereich Nuss-Nougat-Cremes gewählt", so Thomas Hartmann, der zusammen mit seinem Vater und Konditor Karl-Heinz Hartmann die "Sächsische und Dresdner Back- und Süßwaren GmbH und Co. KG" leitet. Zu deren Sortiment gehört auch Nudossi.

Das Geschäft blüht, selbst in Corona-Zeiten: So geht die Süßwarenproduktion im sächsischen Werk wie zuvor geregelt weiter, wenngleich mit verschärften Standards. Je nach Saison arbeiten hier 30 bis 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. 2019 habe das Unternehmen knapp zehn Millionen Euro erwirtschaftet und im vergangenen Jahr 1.500 Tonnen Nuss-Nougat-Creme verkauft, so der Geschäftsführer Thomas Hartmann.

Süße Tradition seit 1920

Schon vor dem Zweiten Weltkrieg ist Dresden eine Hochburg der Schokoladen- und Süßigkeitenherstellung. Die Nudossi-Geschichte beginnt am 1. Oktober 1920, als Friedrich Lischka das Backhaus "Vadossi" in Dresden-Plauen gründet. Damals produziert der gebürtige Oberschlesier noch Gebäck und Schokoladentafeln – von Nudossi keine Spur. Da die Räume für die wachsende Produktion zu klein werden, zieht die Firma 1924 in ein leerstehendes Fabrikgebäude in Radebeul um. Es kommen neue Maschinen hinzu. Die Produktpalette wächst, von russischem Konfekt, über Marzipan-Früchte bis hin zu Pralinen. Hunderte Mitarbeiter arbeiten zeitweise für den Unternehmer Lischka. Mit dem Kriegsbeginn 1939 werden die Rohstoffe immer knapper, viele Arbeiter wechseln in die Rüstungsindustrie. Doch das Unternehmen übersteht den Zweiten Weltkrieg. Schon im Juni 1945 werden wieder Pralinen, Schokolade und Marzipan produziert.

Arbeiter beim verpacken der Nougatcreme Nudossi von Vadossi in Radebeul
Arbeiterin beim Verpacken der Nuss-Nougat-Creme Nudossi in Radebeul, 2007. Bildrechte: imago/momentphoto/Killig

Als 1964 im Westen Nutella auf den Markt kommt, entwickelt das DDR-Unternehmen in den folgenden Jahren ein eigenes Pendant. "Nudossi" wird geboren – zusammengesetzt aus "Nuss" und "Vadossi". 1970 kommen eine halbe Million Becher in die Feinkost- und Delikatgeschäfte der DDR. 1972 wird das Unternehmen verstaatlicht und an den "VEB Dresdner Süßwarenfabriken Elbflorenz" angegliedert.

Doch die Creme ist damals teure "Bückware". Ein 200-Gramm-Becher kostet etwa drei Mark. Denn die dafür notwendigen Rohstoffe sind teuer und nicht leicht zu beschaffen. Palmöl ist in der DDR beispielsweise nur gegen Devisen zu haben. Einfacher sieht es mit Haselnüssen aus. Verglichen mit anderen Zutaten sind diese preiswert aus der Sowjetrepublik Georgien zu bekommen. Das spiegelt sich auch im Nudossi-Rezept wieder, dass im Vergleich zu Nutella – und dank der DDR-Mangelwirtschaft – einen hohen Haselnuss-Anteil enthält.

Mitte der 1980er-Jahre wird die Nudossi-Produktion ins Dresdner Hauptwerk von Elbflorenz verlegt. Die Bauten in Radebeul sind zu klein und sollen nun für die Produktion von Gelatine genutzt werden. Nach der politischen Wende werden die Süßwarenfabriken schließlich 1991 aufgelöst und die Nudossi-Produktion eingestellt.

Neustart nach der Wende

Der Start in die Marktwirtschaft missglückt zunächst. Nach der Übernahme durch einen westdeutschen Investor geht die Firma Vadossi 1994 in die Liquidation. Danach übernehmen zwei Freitaler die Immobilien und Marken von Vadossi: Die Unternehmer Karl-Heinz und Thomas Hartmann, Vater und Sohn. Hartmann Senior kauft das Rezept von dem einstigen Schichtleiter der Elbflorenz und sichert sich die Markenrechte. Im März 1998 beginnt der Neustart. Nudossi steht wieder im Regal – diesmal in Ost und West. "Von 1999 bis 2004 hat das Unternehmen einen riesigen Sprung gemacht. Nudossi ging in den neuen Bundesländern durch die Decke", so Geschäftsführer Thomas Hartmann.

Nudossi hat in den letzten drei Jahren einen großen Hype erlebt. Die Leute haben die Qualität erkannt. 36 Prozent Haselnüsse bei uns und nur 9 bis 13 Prozent bei unseren Mitbewerbern.

Thomas Hartmann Geschäftsführer

Das Unternehmen erlebt Höhen und Tiefen: 2005 muss der Familienbetrieb Insolvenz anmelden, übersteht die Krise aber. In der Folge wird das Unternehmen 2007 in "Sächsische und Dresdner Back- und Süßwaren GmbH und Co. KG" umgewandelt.

Nudossi ist in ganz Deutschland eine angesehene und nicht wegzudenkende Marke im Einzelhandel.

Thomas Hartmann, April 2020

Neue Trends, neues Nudossi

Nussnugatcreme mit dem Aufdruck ohne Palmöl
Nudossi: Jetzt auch im Glas und ohne Palmöl Bildrechte: imago/photothek

Heute läuft das Geschäft mit dem süßen Brotaufstrich – vor allem, weil der Haselnussanteil fast dreimal so hoch sei wie bei Nutella, sagt Hartman Junior und ergänzt: "Aber das Essverhalten hat sich geändert. Die Kunden haben sich verändert. Sie wollen nachhaltige Produkte." Also ging der sächsische Nudossi-Hersteller einen neuen Weg und produziert die Nuss-Nougat-Creme nun auch ohne Palmöl. Damit liegt er voll im Trend. Nun gibt es also beides: Den Ostalgie-Plastikbecher Nudossi und das palmölfreie Glas für den umweltbewussten Verbraucher.

(me)

Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV: MDR Umschau | 15. Dezember 2020 | 20:15 Uhr