Hiddensee: Das "Capri des Nordens"

04. August 2022, 12:39 Uhr

Die Insel war mehr als jeder andere Ostsee-Badeort eine Fluchtburg im DDR-Alltag. Hatten in Vorkriegszeiten Wissenschaftler und Künstler von Thomas Mann über Gerhart Hauptmann bis zu Albert Einstein hier Ruhe und Inspiration gesucht, so setzte sich diese Tendenz auch nach dem Krieg fort.

Der Aufenthalt im Grenzgebiet ohne Quartier war verboten und Hiddensee war wegen der Nähe zu Dänemark zum Grenzgebiet erklärt worden. So suchten die Urlauber, die keinen Ferienschein hatten oder ihn vielleicht auch gar nicht wollten, nach Privatunterkünften.

Die Insulaner vermieteten an die Sommerfrischler alles, was halbwegs mit einem Bett auszurüsten war: Schuppen, Dachkammern, selbst Scheunen wurden zu Gästezimmern für die Sommermonate umfunktioniert. So füllte sich die Insel allsommerlich.

Morgens überflutet von Tagestouristen, die sich mit der Fähre auf die einzige Ostseeinsel der DDR ohne Brücke übersetzen ließen, um sie nach einem Strandtag abends wieder zu verlassen. Abends gehörte die Insel dann wieder ganz den Insulanern und den paar hundert Glücklichen, die eine Bleibe auf Hiddensee gefunden hatten.

Erholung pur

Hiddensee, von den Einheimischen liebevoll "sötet Länneken" genannt, bezauberte durch eine gewisse Wildheit. Sanddornbüsche, durch die der Wind pfiff, kilometerlange Sandstrände, nur einige kleine Orte und der weithin sichtbare Leuchtturm. Mehr war nicht zu finden: Keine große Disco, keine wilden Strandpartys, Erholung pur. Aber wer kulturell interessiert war, der konnte in Gerhart Hauptmanns Sommerhaus stöbern oder an Lesungen von Schauspielern oder Autoren teilnehmen, die so ihren eigenen Urlaub etwas verschönerten und den der Gäste gleich mit.

Viele Berühmtheiten logierten hier Jahr für Jahr, von Stefan Heym über Walter Felsenstein bis zu Gret Palucca. Die Insel war auch zu DDR-Zeiten autofrei. Allein der Gelände–Trabi des Inselarztes oder die knatternde "Schwalbe" des Abschnittsbevollmächtigten störten zuweilen die Stille.