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In der DDR hatten Vereine nur einen Zweck: Die Freizeit der Bevölkerung unter Beobachtung des Staates zu "kanalisieren". Bildrechte: imago/Ulrich Hässler

Vereine früher und heute"Vereinsmeierei" in der DDR

21. Februar 2020, 12:45 Uhr

Vereine sind Orte für Geselligkeit und Gemeinschaft. Egal ob Stadt oder Dorf: Der Verein führt Menschen aus unterschiedlichen Milieus zusammen. In Deutschland gibt es heute rund 600.000 Vereine, von denen viele ein gesellschaftspolitisches Anliegen haben. Doch in der DDR sah das ganz anders aus.

von Johanna Kelch

Liegen heute Bildung und Politik im Fokus vieler Vereine, ging es in der DDR hauptsächlich um Freizeit und Hobby. In den frühen Jahren der DDR gab es eine Vielzahl von Verbänden und Gesellschaften, um die Interessen der Bevölkerung – wie Fußball, Bergsteigen oder Modellbau – zu fördern. Doch der Freiraum zur inhaltlichen Gestaltung war begrenzt. "In der DDR waren die Vereine der staatlichen Kontrolle unterstellt", sagt Jürgen Reiche, Direktor des Zeitgeschichtlichen Forums in Leipzig. "Heute kann ein Verein als politisches Statement gelten – damals ging das überhaupt nicht."

Keine Schweinereien und nichts gegen die Politik

Vereine hießen in der DDR Vereinigungen oder Klubs. Sie waren einer Massenorganisation, wie der FDJ oder dem Kulturbund, unterstellt. Während heutzutage eine Vereinsgründung sehr einfach ist, war das zu Ostzeiten alles andere als das. "Heute braucht man drei Menschen, eine Satzung und den Eintrag ins Vereinsregister", so Forumsdirektor Reiche. "Zu DDR-Zeiten musste die Idee für einen Verein innerhalb der Massenorganisation entstehen und wurde dann erst auf den Weg gebracht."

Diese SED-gelenkten Massenorganisationen waren Träger des sozialen Lebens. Sie hatten die Aufgabe, die Idee des Sozialismus mit zu stärken und wurden von der Staatssicherheit beobachtet. Das oberste Gebot der Vereinigungen war daher: Keine Schweinereien und nichts gegen die Politik. "An dieser Regel merkt man, wie sehr sich das Vereinsleben heutzutage geändert hat", erklärt Reiche. "Viele Vereine gründen sich, um etwas in der Gesellschaft zu bewegen und zu verändern." 

Freiheit im Kleingartenverein

Nur wenige Vereinigungen konnten ein nahezu unbeobachtetes Eigenleben führen. Dazu gehörten die Kleingartenvereine. Aufgrund der schlechten Versorgungslage wurden diese Anfang der 1970er-Jahre vom SED-Regime gezielt gefördert. Wer einen Kleingarten hatte, konnte in seiner Parzelle oft tun und lassen, was er wollte. Versuche, eine Massenorganisation der Kleingärtner zu bilden, scheiterten zwischen 1952 und 1958 mehrfach. 1959 schwenkte die Partei schließlich auf Tolerierung um und ließ die Gründung des "Verbandes der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter (VKSK)" zu.

Im Visier: Die Jecken aus Wasungen

Weniger Narrenfreiheit hatten hingegen die Jecken aus Wasungen. Der Karnevalsverein aus Thüringen war der Staatssicherheit ein Dorn im Auge. Denn gerade in der fünften Jahreszeit wurden versteckte Anspielungen und Doppeldeutigkeiten genutzt, um Kritik am DDR-System zu üben. Doch auch wenn die Zunft rund 400 Jahre alt war: Kritik an der Obrigkeit war für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) alles außer Spaß. Die Witze und Possen aus den Reihen des Wasunger Vereins wurden vom MfS als "Störversuch gegen den friedlichen Aufbau des Sozialismus" gewertet.

Karneval in Wasungen 2015: Schon zu DDR-Zeiten trieben die Jecken ihren Spaß. Nicht immer zur Freude der Partei. Bildrechte: MDR/Heinz Diller

Aber nicht nur der Narrenverein war im Visier der Staatssicherheit. Auch Brieftaubenzüchter oder Freunde der Frei-Körper-Kultur (FKK-Klubs) wurden scharf beobachtet.

Heute: Der Verein als Kitt der Gesellschaft

"In der DDR war das Vereinsleben nicht frei", so Jürgen Reiche vom Zeitgeschichtlichen Forum. "Heute hingegen nehmen Vereine in ihrer Bedeutung zu. Sie sind der Kitt der Gesellschaft. Die Schule der Demokratie." Im Gegensatz zu den Vereinigungen in der DDR, die von oben gelenkt wurden, müssen sich Vereine heute selbst organisieren. "Da muss demokratisch festgelegt werden, wer welche Rolle übernimmt", so Reiche. In der DDR hingegen wurden Vereinigungen nur geduldet und gefördert, wenn die Mitglieder bereit waren, unter Führung der SED aktiv zu sein.

Der Begriff "Vereinsmeierei"Vereinsmeier sind Menschen, denen die Mitarbeit in einem Verein außerordentlich wichtig ist. Der Begriff ist spöttisch und abwertend gemeint. Wird die Arbeit oder das Wirken eines Vereins übermäßig in den Mittelpunkt gestellt und als das Wichtigste dargestellt, wird das oft als Vereinsmeierei bezeichnet. Oft wird damit auch eine Bürokratie innerhalb eines Vereins kritisiert, wenn zuviel Wert auf Formalien anstatt auf die inhaltliche Vereinsarbeit gemäß der Satzung des Vereins gelegt wird.

Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV:"Im Verein" | 23.02.2020 | 22:50 Uhr