1. Juli 1990 Das Westgeld kommt Manfred Wenzel und die Währungsunion

15. September 2015, 14:56 Uhr

Mit dem Tag der Währungsunion, dem 1. Juli 1990, einem Sonntag, konnten alle DDR-Bürger ihre Ostmark, egal ob in bar oder auf dem Sparbuch, in D-Mark umtauschen. Die Banken im Land haben diesen Tag lange vorbereitet. In Dresden muss Sparkassendirektor Manfred Wenzel den Währungstausch unerwartet managen. Das stellt ihn vor ungeahnte Herausforderungen.

Im Februar 1990 ahnt Manfred Wenzel noch nicht, was auf ihn zukommen wird. Es ist ein verregneter Tag, als er sich in Dresden in seinen Wartburg setzt und das ferne Hamburg als Ziel in den Blick nimmt. Dort will der Sparkassendirektor einen Partnerschaftsvertrag mit der Hamburger Sparkasse schließen – um für eine eventuelle Währungsreform gewappnet zu sein und vom bereits vorhandenen Wissen zu profitieren. Als der Vertrag noch am gleichen Tag unterschrieben wird, ist Wenzel überglücklich. Was er zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: Er wird die Westmark in Dresden einführen müssen.

Hintergrund: Währungsunion und das Umtauschverfahren

Schon kurz nach dem Fall der Mauer prognostiziert Wenzel, dass es mit der DDR-Mark bald zu Ende gehen wird. Denn schnell erklingt der Ruf "Kommt die D-Mark, bleiben wir, kommt sie nicht, geh’n wir zu ihr!" Jede Woche verlassen etwa 15.000 Menschen das Land, Staat und Wirtschaft der DDR drohen im Chaos zu versinken. Bundeskanzler Helmut Kohl will deswegen schon vor dem Einigungsvertrag zum 1. Juli 1990 eine Wirtschafts- und Währungsunion zwischen Bundesrepublik und DDR schaffen.

Für die DDR-Bürger heißt das: Lohne, Gehälter, Stipendien, Mieten, Pachten und Renten sowie andere wiederkehrende Versorgungszahlungen werden im Verhältnis 1:1 umgestellt. Erwachsene können 4.000 DDR-Mark 1:1 gegen harte D-Mark tauschen, Rentner 6.000, Kinder 2.000 Mark. Alles darüber wird im Verhältnis 2:1 getauscht.

Alle wollen neue Konten und Sparbücher

Im ganzen Land werden daraufhin die Banken gestürmt. Familien schichten systematisch ihr Geld um, damit sie möglichst viel im attraktiven Verhältnis 1:1 tauschen können. Vom Baby bis zur Großmutter wird auf jeden, der noch keins hat, ein Konto samt Sparbuch eröffnet. Allein in Dresden sind es 200.000. Schon bald gibt es keine Sparbücher mehr. Wenzel lässt Faltkarten drucken, eine Art Behelfs-Sparbücher.

Das Eröffnen von Konten nimmt ja doch etwas Zeit in Anspruch. Und wenn das alles im Blickfeld einer langen Schlange passiert, dann ist das schon eine belastende Arbeit für die Kollegen, die das dann acht Stunden gemacht haben und länger. Unsere Frauen hatten vielfach die Ehemänner gegen Dienstende mit zur Sparkasse bestellt, dass sie abgeholt werden. Da haben die Männer dann noch die letzten Kunden abgewiesen, weil die Schlange nahm ja kein Ende.

Manfred Wenzel, ehemaliger Sparkassendirektor in Dresden

Bis dato ist für die Sparkassen der DDR das Westgeld tabu, allein die Staatsbank verfügt über Devisen. Doch in deren Dresdner Filiale wird ausgerechnet vor der Währungsunion der Tresor umgebaut. Die Stadtsparkasse soll einspringen, Manfred Wenzel wird Leiter der Arbeitsgruppe Währungsunion.

Das Westgeld wird angeliefert und Wenzel hat ein Problem

Die Sparkasse in Dresden bekommt Hilfe: Mitarbeiter aus Hamburg kommen in die Elbestadt und arbeiten Seite an Seite mit den Ostkollegen, es entstehen enge Freundschaften. Als das neue Geld angeliefert wird, hat die deutsch-deutsche Sparkassencrew allerdings ein Problem: Tonnenweise werden die schweren Münzen geliefert, doch der Tresor ist nur über eine Wendeltreppe erreichbar. Kurzerhand lässt Wenzel im Hof drei Garagen räumen. In einer werden die ein D-Mark Münzen gelagert, in den beiden anderen die 2-Mark und die 5-Markstücke. Auf dem Dach patrouillieren Bereitschaftspolizei oder NVA und bewachen mit Maschinenpistolen das Geld.

Das Eröffnen von Konten nimmt ja doch etwas Zeit in Anspruch. Und wenn das alles im Blickfeld einer langen Schlange passiert, dann ist das schon eine belastende Arbeit für die Kollegen, die das dann acht Stunden gemacht haben und länger. Unsere Frauen hatten vielfach die Ehemänner gegen Dienstende mit zur Sparkasse bestellt, dass sie abgeholt werden. Da haben die Männer dann noch die letzten Kunden abgewiesen, weil die Schlange nahm ja kein Ende.

Manfred Wenzel, ehemaliger Sparkassendirektor in Dresden

Die D-Mark muss in Dresden auf 71 Auszahlstellen westdeutscher Banken verteilt werden. Dafür stehen ein 50 Jahre alter Ifa F8, ein Barkas-Transporter und ein dreirädriger Kleinlaster aus der Nachkriegszeit zur Verfügung. Auch hier hilft die Hamburger Sparkasse wieder und schickt Autos nach Dresden.

Der 1. Juli 1990

Als dann am 1. Juli 1990 die Banken kommt es in  Berlin am Alexanderplatz zu Tumulten, als 10.000 Menschen um Mitternacht in eine Bankfiliale wollen. Anders in Dresden – dort läuft alles reibungslos. Manfred Wenzel ist glücklich: Als Banker erlebt man nur einmal eine Währungsumstellung, wird er später in eine Fernsehkamera sagen, und gegen 22 Uhr nach Hause gehen. Erschöpft, aber zufrieden, dass der Geldumtausch in Dresden so reibungslos über die Bühne gegangen ist.