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Rücktritt des Zentralkomitees der SED

09. September 2010, 17:51 Uhr

Mit dem Fall der Mauer in Berlin verliert die SED nicht nur von Tag zu Tag ihre Macht. Sie verliert auch ihre Mitglieder. Immer mehr geben ihr Parteibuch ab. Die Basis rebelliert gegen ihre Parteispitze.

Am 3. Dezember 1989 verkündet Günter Schabowski die Ergebnisse der 12. Tagung des ZK der SED: "Erstens: Hans Albrecht, Erich Honecker, Werner Krolikowski, Günther Kleiber, Erich Mielke, Gerhard Müller, Alexander Schalck-Golodkowski, Horst Sindermann, Willi Stoph, Harry Tisch, Herbert Ziegenhahn und Dieter Müller werden aus der SED ausgeschlossen. Zweitens. Das Zentralkomitee erklärt seinen Rücktritt ..." Es ist ein verzweifelter Akt der SED-Funktionäre, sich von der alten Führungsriege abzusetzen und die eigene Position zu retten. Auch Egon Krenz muss seinen Posten als SED-Generalsekretär, den er erst vor anderthalb Monaten von Erich Honecker übernommen hatte, an diesem Tag räumen.

Die Partei zerfällt

Bereits seit November scheint die einst allmächtige Staatspartei wie ein Kartenhaus in sich zusammenzufallen. Sie hat keinerlei Legitimation in der Bevölkerung mehr und versucht dennoch, an der Macht zu bleiben. Ihre Zukunft ist jedenfalls ungewisser denn je. In der Basis rumort es und Tausende Parteimitglieder geben in diesen Wochen ihre Mitgliedsbücher zurück. Die, die bleiben, begehren erstmals in ihrem Parteileben auf. Einige von ihnen sprechen sich gar für eine Abwicklung ihrer Partei aus, um eine neue sozialistische Partei gründen zu können.

Sonderparteitag

Auf Druck der Basis muss die neue SED-Führung für den 7. Dezember 1989 einen außerordentlichen Parteitag in Berlin einberufen - einmalig in der Geschichte der SED. Am Abend treffen die Delegierten in der Berliner Dynamo-Sporthalle ein. Zu Beginn spricht Hans Modrow über die politische Situation in der DDR und skizziert die zukünftige Aufgabe der SED: Sie müsse in der Lage sein, so Modrow, "die Koalitionsregierung mitzutragen" und "am Runden Tisch ein echter Partner" sein.

Nur noch eine Partei unter anderen

In einer dramatischen Nachtsitzung diskutieren die SED-Mitglieder anschließend über die von Teilen der Basis geforderte Auflösung der SED. Ministerpräsident Hans Modrow beschwört die Delegierten: "Lasst uns diese Partei, die sich auf Karl Marx und Friedrich Engels, Wilhelm Liebknecht und August Bebel, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, Ernst Thälmann und Rudolf Breitscheid, Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl beruft, lasst diese Partei nicht zerbrechen, sondern macht sie sauber und stark." Auch Gregor Gysi, Hoffnungsträger der Partei, spricht sich vehement für einen Fortbestand der SED aus. Zuvor hatte er noch mit Gorbatschow telefoniert, der ihm unmissverständlich mitteilte: "Wenn wir die SED aufgeben, geben wir die DDR auf und wenn wir die DDR aufgeben, geben wir die Sowjetunion auf."

Bruch mit der stalinistischen Vergangenheit

Am Ende votiert tatsächlich eine Mehrheit gegen eine Auflösung der SED und Gregor Gysi wird mit 95 Prozent der Delegiertenstimmen zum neuen Parteichef gewählt. Gysi verspricht einen "vollständigen Bruch mit dem stalinistischen Sozialismus in unserem Land", denn dieser habe zur "politischen und ökonomischen Krise, zu Korruption und Amtsmissbrauch" geführt. Gut eine Woche später, am 16. Dezember 1989, gibt sich die einst allmächtige Staatspartei den Namenszusatz PDS (Partei des Demokratischen Sozialismus) und verkündet, fortan nur noch eine Partei unter anderen sein zu wollen.

Über dieses Thema berichtete der MDR auch in:LexiTV | 19.02.2013 | 15:00 Uhr