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DDR-Touristen als Schmuggler

30. August 2018, 14:18 Uhr

DDR-Bürger durften bei ihren Urlaubsreisen in die sozialistischen Bruderländer nur einen genau festgelegten und nicht eben üppigen Betrag umtauschen. Das Geld reichte nur für das Notwendigste. Deshalb wurden viele DDR-Touristen zu Schmugglern. Auch die Berlinerin Annemarie L. Sie hat uns erzählt, wie sie sich ihre Urlaubsreisen finanzierte. Ein Erinnerungsbericht.

Die Bürger der DDR standen vor einigen Herausforderungen, wenn sie in einem "sozialistischen Bruderland" wie etwa Bulgarien oder Ungarn Urlaub machen wollten. Das größte Problem war die Finanzierung des Urlaubs. Zwar hatten viele DDR-Bürger ausreichend Geld für ihre Ferienreise gespart, aber sie durften es eben nicht zum Urlaubsort mitnehmen. Zumindest nicht genug.

Reglementierter Umtauschsatz

Ein Zöllner kontrolliert, ob sich hinter der Türverkleidung eines Wartburgs Schmuggelware befindet. Bildrechte: Deutsches Rundfunkarchiv

Von staatlicher Seite war genau festgelegt, wieviel DDR-Mark man pro Urlaubstag in eine ausländische Währung umtauschen durfte. Und das war nicht besonders viel. Man konnte damit zwar die Grundbedürfnisse decken, aber viele besondere Ausgaben, wie zum Beispiel regelmäßige Restaurantbesuche oder der Einkauf von Kleidung, waren bei dem festgelegten Tagessatz kaum denkbar. Sogar wenn es darum ging, seinem Kind ein Eis zu kaufen, musste man immer im Hinterkopf haben, wieviel Geld man noch hatte und wieviel man für lebensnotwendige Dinge brauchte. Und "Westgeld", also die bundesdeutsche D-Mark, durfte von DDR-Bürgern überhaupt nicht von einem Land ins andere mitgenommen werden.

Schmuggel

Um sich im Urlaub in Ungarn, Bulgarien oder der ČSSR auch mal etwas mehr leisten zu können, wurde Geld geschmuggelt. Am besten waren übrigens die DDR-Bürger dran, die Westmark besaßen und in den Urlaub mitnehmen konnten, denn auf den Märkten in der ČSSR oder in Ungarn akzeptierten die Händler viel lieber D-Mark als ihre einheimische Währung oder DDR-Mark.

Geschmuggelt haben sicherlich nicht alle DDR-Bürger, aber doch sehr viele. Auch die Berlinerin Annemarie L. wurde damals zur Schmugglerin: "Unser Auto war ein gutes Versteck", erinnert sie sich heute. "Man musste sich nur solche Verstecke ausdenken, die von den Zöllnern nicht so schnell entdeckt werden konnten."

An der DDR-Grenze gab es strenge Kontrollen und jeder musste damit rechnen, gründlich 'gefilzt' zu werden.

Der Sanitätskasten wurde zum Geldversteck

Viele DDR-Bürger fuhren mit dem eigenen Auto in die Ferien – und dementsprechend waren der Trabi, Wartburg oder Škoda die wichtigsten Schmuggelverstecke. Annemarie L. machte es so: Sie nahm einen sterilen Verband aus dem Sanitäts-Kasten des Autos, öffnete ganz vorsichtig die Verpackung mit einem Skalpell und rollte sie aus. Dann wurde der Verband zusammen mit diversen Geldscheinen wieder zusammengerollt.

Annemarie L. wurde nie erwischt

Die große Herausforderung dabei war, die Verpackung wieder so zu verschließen, dass sie von außen unbeschädigt aussah. Das musste sie allerdings schon mehrere Wochen vor dem Urlaub machen, denn als Kleber diente eine spezielle Gummilösung, die einen verdächtigen Geruch absonderte – und dieser Geruch musste über Wochen hinweg erst einmal vollständig verfliegen. Das Mitführen eines Sanitätskastens war auch damals schon Pflicht und sein Vorhandensein wurde überprüft. Aber dass die Zöllner bei einer Kontrolle jede einzelne Verpackung aufreißen würden, war doch eher unwahrscheinlich. Annemarie L. jedenfalls wurde nie erwischt. Andere DDR-Touristen bastelten sich einen "doppelten Boden" im Handschuhfach, im "Himmel" des Autos oder im Rückspiegel. Damals im Osten mussten ganz normale DDR-Bürger zu derlei illegalen Methoden greifen, um im Urlaub nicht ständig Geld sparen zu müssen.

"Zollerklärung"

Doch selbst, wenn es einem gelang, zusätzliche DDR-Mark ins Ausland zu schmuggeln, durfte man sie nur dann in die Währung des Urlaubslandes umtauschen, wenn man eine sogenannte Zollerklärung vorlegen konnte. Aber solche Zollerklärungen konnte man auf dem Schwarzmarkt für 10 bis 15 DDR-Mark pro Stück kaufen – und jede einzelne davon berechtigte einen zum Umtausch von weiteren 100 DDR-Mark in die entsprechende ausländische Währung. Natürlich musste man dann auch diese Zollerklärungen in einem Versteck bis zum Urlaubsort schmuggeln.

Benzin war ein Problem

Ein weiteres Problem war das Benzin. Besonders in Ungarn war der Sprit im Vergleich zur DDR und zur ČSSR so teuer, dass jeder Tankstopp auf ungarischem Gebiet die Urlaubskasse erheblich belastete. Deshalb wurde auf dem Weg in den Urlaub in Bratislava, kurz vor der Grenze nach Ungarn, noch einmal vollgetankt. Zusätzlich durfte man nur einen 5-Liter-Reservekanister mitnehmen – aber keinen Tropfen mehr. "Also", so Annemarie L., "musste ich wieder schmuggeln!"

Zweiter Tank im Auto

Eine einfache, aber auch unsichere Variante war es, einen 20-Liter-Kanister in einem Reisekoffer zu verstecken, schmunzelt die Berlinerin. Bei einer flüchtigen Kontrolle durch die Zöllner an der Grenze hatte man gute Chancen, unentdeckt damit durchzukommen. Cleverer, aber auch aufwendiger, war der Einbau eines zweiten Autotanks: Ein Škoda beispielsweise hatte nur einen 38-Liter-Tank. Aber der Wagen hatte einen ausreichend großen Kofferraum, um dort noch zusätzlich einen Trabi-Tank mit weiteren 26 Litern einzubauen. "Der Tankwart in Bratislava bekam natürlich große Augen, wenn er sah, dass  in so einem kleinen Škoda mehr als 60 Liter Kraftstoff verschwanden", erzählt Annemarie L. Aber mit so einem zweiten Tank kam man von Bratislava bis zum Balaton und wieder zurück – ohne ein einziges Mal in Ungarn tanken zu müssen. Das Geld, das man dadurch gespart hatte, konnte man dafür verwenden, sich im Urlaub die eine oder andere zusätzliche Annehmlichkeit zu leisten.

Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV:Geschichte Mitteldeutschlands | 19.02.2013 | 21:15 Uhr