Das DDR-Grenzregime und seine Mauertoten Die Zahl der Todesopfer an der Berliner Mauer 1961-1989

Forschung des Zentrums für Zeithistorische Forschung in Potsdam (ZZF)

14. August 2009, 11:13 Uhr

Am 13. August 1961 hat die Volkspolizei damit begonnen, eine Mauer um West-Berlin zu errichten, um der Flüchtlingswelle aus der DDR in die Bundesrepublik beenden. Noch am selben Tag bezeichnete der Berliner Senat diese Mauer als "die Sperrwand eines Konzentrationslagers". Wie viele Menschenleben die Berliner Mauer in den 28 Jahren ihres Bestehens tatsächlich gekostet hat, konnte bis heute nie geklärt werden. Hans-Hermann Hertle und Maria Nooke schrieben ein Buch über die Todesopfer der Berliner Mauer.

Berliner Mauer: Die genaue Zahl der Mauertoten bleibt unbekannt

Das Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam (ZZF) und die Stiftung Berliner Mauer haben sich vorgenommen, "dieses Defizit zu beheben". Mit dem Forschungsprojekt "Todesopfer an der Berliner Mauer" haben sich die Wissenschaftler zum Ziel gesetzt, "die Zahl der Todesopfer an der Mauer zu ermitteln, die Lebensgeschichten und Todesumstände aller Mauertoten durch solide Quellen zu dokumentieren" – den Opfern ein Gesicht zu geben. In minutiöser Arbeit wurden und werden sämtliche verfügbaren Angaben zu Todes- und Verdachtsfällen ausgewertet, Listen überprüft, Gerichts- und Stasi-Akten gewälzt und Zeitzeugen und Angehörige von Opfern befragt. Bis heute wurden 575 Fälle erfasst und geprüft. Ein biographisches Handbuch fasste schließlich den aktuellen Forschungsstand zusammen und gibt Raum für die bewegenden Geschichten von mindestens 140 Todesopfern.

Keiner hat geholfen: Ein Kind ertrinkt an der Berliner Mauer

Eines der mindestens 140 Todesopfern ist Cengaver Katranci. Der 8-jährige Sohn einer türkischen Familie füttert am 30. Oktober 1972 Schwäne – am westlichen Ufer der Spree nahe der Oberbaumbrücke an der Sektorengrenze zwischen Kreuzberg und Friedrichshain. Er fällt in den Fluss, der auf diesem Gebiet gänzlich zur DDR gehört. Sein Freund holt Hilfe, doch dem Angler, der schon begonnen hat, sich auszuziehen, wird im letzten Moment bewusst, dass er bei seinem Rettungsversuch in DDR-Gebiet eindringen und riskieren würde, von den Grenzsoldaten auf dem anderen Ufer erschossen zu werden. Er springt nicht. Dramatische Minuten folgen: Die schnell herbeigerufenen West-Berliner Zollbeamten, Polizisten und Feuerwehrleute müssen hilflos mit ansehen, wie ein Tankschiff in Begleitung eines DDR-Löschbootes zwar zögernd doch schließlich vorbeifährt an dem Ertrinkenden. Alle Rufe und Gesten zu den DDR-Grenzern am anderen Ufer verhallen, ohne dass die rettende Erlaubnis, ins Wasser springen zu dürfen, erteilt wird. Vor den Augen zahlreicher Menschen ertrinkt das Kind.

Weitere tödliche Unfälle an Berliner Mauer

Drei ähnliche Fälle mussten noch passieren, bis Jahre später, nach zähen Verhandlungen, endlich eine Vereinbarung zustande kam. 1975 einigten sich der Berliner Senats und die DDR- Regierung auf Rettungsmaßnahmen, die bei Unfällen eingeleitet werden.

Buchtipp Buch: Hans-Hermann Hertle / Maria Nooke (Hrsg.): "Die Todesopfer an der Berliner Mauer 1961-1989. Ein biographisches Handbuch".
Ch. Links Verlag (August 2009). Ca. 360 Seiten. 24,90 Euro.
ISBN: 978-3-86153-517-1.