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Rondo, Zetti, Club ColaWerbung für Ostmarken: "Wir sind wieder da, uns gibt es wieder."

25. Juli 2020, 05:00 Uhr

Nach der Währungsunion im Juli 1990 haben Waren aus der DDR kaum noch eine Chance - bunte, lockende Westprodukte füllen die meisten Regale in den Kaufhallen. Dennoch setzt schon relativ früh eine erste Ernüchterung ein: nicht alle Westprodukte halten den hohen Erwartungen stand. Ostproduktehersteller profitieren davon und greifen in geschickten Werbebotschaften diese Grundstimmung auf. Im Interview berichtet der Sozialwissenschaftler Dr. Thomas Ahbe über einige besonders eindrückliche, ostdeutsche Werbebotschaften.

von Claudia Gründer

Club Cola, ein Kultgetränk aus der DDR, wurde nach kurzer Pause ab 1992 wieder produziert. Wie wurde das Produkt beworben?

Club Cola tauchte Anfang der 90er-Jahre mit einer Werbebotschaft auf, die lautete: "Hurra, ich lebe noch! Von vielen belächelt, sind wir nicht totzukriegen." Oder: "Club Cola aus Berlin - weniger süß, trotzdem erfrischend. Stark im Geschmack. Club Cola - unsere Cola." Wenn man diese Anzeige nimmt, dann ist das eigentlich das vollständige Entsprechung, welches bestimmte Gruppen von Ostdeutschen, sich zuschrieben nach der Wende. Also die haben sich verstanden als Wendeüberlebende. Das war ja auch nicht einfach, die ganze Wirtschaft ist zusammengebrochen, man musste umschulen, wurde arbeitslos. Oder man hat eine neue Arbeit gefunden - hurra, wir leben noch!

Welche Botschaft wollte man mit der Unterzeile "Von vielen belächelt, sind wir nicht totzukriegen" transportieren?

Das betrifft das konstruierte Kollektiv "Der Ostdeutsche“. Es gab eben welche, die konnten sich das genau zuschreiben: "Von vielen belächelt". Ostdeutsche galten ja als zurückgeblieben, steif, spießig, vormodern und auch in ihren Geschmacksvorstellungen noch ein bisschen zurückgeblieben. "Von vielen belächelt, sind wir doch nicht totzukriegen!" Das war die Botschaft, mit der den Ostdeutschen entgegengetreten wurde und gesagt wurde: Unsere Cola, kauft sie!

Die DDR-Kaffee-Marke "Rondo" wurde 1997 von der Rösterei "Röstfein" in Magdeburg wieder ins Sortiment geholt. Welche Werbestrategie haben sie dabei verfolgt?

Der Rondo-Kaffee hat etwas anders gemacht als andere Produkte. Der hat sich nicht vordergründig als Ostprodukt präsentiert. Er hat zwar die gleiche Verpackung gehabt, wie zu DDR-Zeiten. Nämlich blau-silber. Aber in den ganzen Prospekten, die Rondo so verschickt hat, hat sich Rondo eher inszeniert, als eine alte Kaffeemarke. Das stimmt ja auch, sie war aus dem 19. Jahrhundert. Und die DDR-Zeit ist eigentlich ausgeblendet worden.

Die Botschaft lautet: Es gab uns mal, ihr kennt uns, ihr mochtet uns, ihr habt uns geknuspert, dann waren wir weg und jetzt sind wir wieder da und bitte kauft uns.

Thomas Ahbe | über die "Zetti"-Knusperflocke

Welche Reaktionen hat "Röstfein" auf die Wiedereinführung des DDR-Kaffee-Klassikers bekommen?

Die Kaffeerösterei "Röstfein" war völlig überrascht von dem Markterfolg, also es ist vielmehr abgesetzt worden, als man geplant hatte. Und es kamen Briefe, wo drin zu lesen ist: "Ja, so will es das Ossi-Herz" oder "Der gute, alte Rondo". Also auch hier wurde sozusagen von der Bevölkerung, von den Leuten, die dann tatsächlich Briefe schrieben an die Zeitung oder die Kaffeerösterei, dieser Diskurs aufgenommen nach dem Motto: "Wir Ossis und unsere Ostprodukte, wir sind nicht so schlecht, wie man uns macht." Der Witz ist aber bei dem Kaffee, dass es tatsächlich eine Konstruktion ist, von Seiten der Bevölkerung. Weil es unstrittig ist, dass der DDR-Kaffee minderwertig war. Es fehlten die Rohstoffe. Damals zu DDR-Zeiten hätte niemals jemand gesagt "Der gute, alte Rondo", wenn als direkter Vergleich der West-Kaffee her hielt. Also hier hat sich innerhalb von acht Jahren etwas verschoben. Hier wollte man das Gute entdecken an seinem Leben in der DDR und auch Ankerpunkte, Produktankerpunkte finden, um über dieses Gute zu reden.

Zusammenfassend kann man also sagen, dass es in den 1990er Jahren durchaus Sinn machte, ein Produkt auf dem Ostmarkt wiedereinzuführen. Indem man eben die Karte ausspielte "Wir sind wieder da, es gibt uns wieder"?

Ja, das stimmt. Ein weiteres Beispiel ist die Knusperflocke von Zetti, die seit 1995 wieder auf dem Markt ist. "Zetti, die Knusperflocken: Hallo Knusperfreunde, es gibt uns wieder." Die Botschaft lautet: Es gab uns mal, ihr kennt uns, ihr mochtet uns, ihr habt uns geknuspert, dann waren wir weg und jetzt sind wir wieder da und bitte kauft uns. Und dieses Werbeverfahren hat natürlich nur Sinn, wenn man einer Käuferschaft gegenüber steht, die alle drei Etappen kennt. Es gab uns, wir waren weg, jetzt sind wir wieder da. Das macht natürlich später keinen Sinn mehr– da kann man nur sagen, ich bin die Knusperflocke. Und bestenfalls sagt dann Mutti: "Die hab ich auch gegessen" - oder Mutti verschenkt sie.

Über dieses Thema berichtet der MDR auch im TV:Der Geschmack von früher - Ostprodukte und ihr langer Weg in die Marktwirtschaft | MDR Zeitreise | 26. Juli 2020 | 22:00 Uhr

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