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Schwerter zu PflugscharenDer Schmied von Wittenberg

Stand: 24. September 2020, 05:00 Uhr

Das Bild des Schmiedes Stefan Nau, der in aller Öffentlichkeit ein Schwert umschmiedete, ging 1983 um die Welt. Für Nau hatte die Aktion drastische Folgen ...

Bildrechte: Dirk Eisermann

Es ist am 24. September 1983, als der Kunstschmied Stefan Nau auf dem Wittenberger Lutherhof vor mehr als 2.000 enthusiastischen Zuschauern ein Schwert zu einer Pflugschar umschmiedet. Das Bild, das den damals 38-Jährigen während der Schmiedeaktion zeigt, geht später um die Welt. Es wird zu einem Symbol der Friedensbewegung in Ost und West. Doch um Naus persönlichen Frieden ist es geschehen. Er muss für die spektakuläre Aktion einen hohen Preis zahlen.

Friedensaktion in der DDR "illegal"

Stefan Nau ist selbständiger Handwerker und betreibt in Wittenberg eine kleine Schmiedewerkstatt. In den Monaten nach der illegalen Aktion auf dem Lutherhof werden die Aufträge immer weniger und schließlich gibt es gar keine mehr. Nau steht vor dem wirtschaftlichen Ruin. Er vermutet, dass die Staatssicherheit dabei ihre Finger im Spiel hat. Und tatsächlich ist das ziemlich wahrscheinlich, auch wenn Nau keine Beweise dafür hat.

In der DDR hat Nau keine Perspektive mehr

In dieser für ihn ausweglosen Situation entschließt sich Stefan Nau, einen Ausreiseantrag zu stellen. Er will mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in die Bundesrepublik übersiedeln und einen neuen Anfang wagen. In der DDR sieht er keine Perspektive mehr. "Aber damit fing das Spießrutenlaufen erst richtig an", erinnert sich der Kunsthandwerker. "Ich stand jetzt zwischen der Staatssicherheit und der Friedensbewegung."

Aus dem Friedenskreis ausgeschlossen

Die "Abteilung Inneres" beim Rat des Kreises nimmt seinen Antrag entgegen und vertröstet ihn – es könnten Jahre bis zur Ausreisebewilligung vergehen. Nau muss seine Schmiedewerkstatt schließen und wird Anlagenfahrer im Chemiekombinat Piesteritz. Aus dem Wittenberger Friedenskreis schließt man ihn aus. Sein Wunsch fortzugehen wird dort als Verrat empfunden. "Friedrich Schorlemmer versuchte mich immer wieder zu überzeugen, in der DDR zu bleiben und meinen Antrag zurückzuziehen. Aber ich wollte nicht mehr." Nau wird unterstellt, dass er die Schmiedeaktion einzig mit der Absicht durchgeführt habe, um seine immer schon geplante Ausreise aus der DDR voranzutreiben.

Übersiedlung in den Westen

Im Oktober 1985 darf Stefan Nau die DDR verlassen. Er siedelt sich mit seiner Familie zunächst im schwäbischen Nagold an, heute lebt er in einer Kleinstadt in Hessen. In den ersten Jahren nach seiner Übersiedlung konnte er noch als Kunstschmied arbeiten, dann war es damit vorbei - die Arbeit brachte nicht mehr genug ein. Seither ist er als Anlagenbauer beschäftigt. Geschmiedet hat er schon ewig nichts mehr.

Die Aktion von 1983 ist für den "Schmied von Wittenberg" eine "schöne und berührende Erinnerung". Vor ein paar Jahren war er noch einmal in Wittenberg. Auf der Straße traf er zufällig auch einstige Mitstreiter aus der Friedensbewegung. "Aber außer 'Guten Tag' und 'Auf Wiedersehen' war da nichts", sagt Nau. Und auch die Distanz zu Friedrich Schorlemmer ist geblieben: "Wir haben uns nichts mehr zu sagen."

Über dieses Thema berichtet der MDR in "Nah dran"24.09.2020 | 22:40 Uhr