Zu Unrecht verurteilt – Pfarrer Schmutzler

28. November 2017, 15:41 Uhr

Er war Kritiker des DDR-Regimes: Pfarrer Georg-Siegfried Schmutzler. Am 28. November 1957 wurde er nach einem Schauprozess zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt.

Von der Pädagogik zur Theologie

Georg-Siegfried Schmutzler studierte seit 1933 an der Universität Leipzig Pädagogik und Philosophie, ab 1939 arbeitete er als Volksschullehrer. Nach dem Zweiten Weltkrieg orientierte er sich um und begann, wieder in Leipzig, Evangelische Theologie zu studieren.

Ein Pfarrer für die Studenten

Bekannt geworden ist Georg-Siegfried Schmutzler vor allem durch seine Zeit als evangelischer Studentenpfarrer in Leipzig ab 1954. Die Evangelische Studentengemeinde lockte damals Studenten aller Fakultäten an, denn dort herrschte freie Redekultur. Pfarrer Schmutzler ermutigte die Studenten zum selbständigen und kritischen Denken.

In seinen Veranstaltungen thematisierte Schmutzler Fragen, die die Studenten besonders umtrieben. Dazu gehörten zum Beispiel die Unzufriedenheit mit den Pflichtvorlesungen über Marxismus-Leninismus oder auch die nicht immer freiwillige Mitgliedschaft in sozialistischen Organisationen. Die Weise, in der Schmutzler sich auch öffentlich mit der SED-Diktatur auseinandersetzte, war damals selten.

Zuchthaus nach Schauprozess

Sein Wirken war dem DDR-Regime ein Dorn im Auge und so wurde Schmutzler im April 1957 verhaftet. Konkret warf man ihm die Mobilmachung gegen Parteiorgane und Kontakte zu westdeutschen evangelischen Gemeinden vor. Am Ende eines Schauprozesses wurde am 28. November 1957 durch das Bezirksgericht Leipzig wegen "Boykotthetze" zu fünf Jahren Haft verurteilt. Nach knapp vier Jahren wurde Schmutzler vorzeitig aus dem Zuchthaus Torgau entlassen.

Ich habe keine Gefühle negativer Art gegenüber den Menschen, denen ich im Prozess oder im Strafvollzug begegnet bin. Sondern ich hatte von Anfang an das Gefühl, einem System gegenüber zu stehen. Die Menschen waren alles ausführende Organe.

Georg-Friedrich Schmutzler "Glaubenszeichen" vom 30. Mai 1996

Im Zuge des Prozesses wurden auch studentische Mitstreiter Schmutzlers exmatrikuliert und verhaftet. Der Prozess diente zur Einschüchterung der evangelischen Gemeinde und der sächsischen Landeskirche. Er war in dieser noch frühen Geschichte der DDR eine Repressalie der SED-Führung gegen Kirchenmitglieder, der noch weitere folgen sollten. Auch die Sprengung der Leipziger Universitätskirche im Jahr 1968 lässt sich hierzu zählen. Denn in der Vorstellung der SED-Führung war der christliche Glaube nicht vereinbar mit den Zielen des Sozialismus.

Schmutzler bleibt in der DDR

Trotz seiner Erfahrung mit dem DDR-Regime verließ Schmutzler nach seiner Entlassung nicht das Land. Stattdessen wurde er Fachberater für theologisch-pädagogische Fragen im Dresdner Landeskirchenamt und beim Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR. Nachdem er 1981 in den Ruhestand versetzt wurde, zog er nach Westberlin. Dort verstarb er am 11. Oktober 2003 im Alter von 88 Jahren.

Späte Rehabilitierung

Kurz nach dem Ende der DDR, im Juli 1991, wurde Georg-Siegfried Schmutzler rehabilitiert. Fünf Jahre später wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Auch in Leipzig ehrte man den Widerstandskämpfer gegen das SED-Regime. 1997 beschloss die Ratsversammlung, Schmutzler die "Ehrenmedaille der Stadt Leipzig" zu verleihen. Seit 2011 erinnert eine Gedenktafel am Georg-Siegfried-Schmutzler-Haus an ihn. Auch an der Universität wird an prominenter Stelle an ihn erinnert: Seit 2015 blickt er im Hörsaalgebäude, fast in Lebensgröße, von einem Gemälde des Malers Reinhard Minkewitz.

Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV: MDR Zeitreise | 23.08.2016 | 21:00 Uhr