In diesem Dossier:
Tragische SymbolfigurenPetra Kelly und Gert Bastian
Die einstige Frontfrau der Grünen und der abtrünnige NATO-General galten in Ost und West als Identifikationsfiguren. Frieden hieß für sie vor allem Abrüstung.
Berlin Alexanderplatz am 12. Mai 1983: Fünf Bundestagsabgeordnete der Grünen, darunter Petra Kelly und Gert Bastian, entrollen gemeinsam mit DDR-Oppositionellen ein Transparent mit dem "Schwerter-zu-Pflugscharen"-Symbol. Es dauert nur wenige Minuten, bis die Volkspolizei die Demonstranten festnimmt. Als sich herausstellt, dass es sich um die prominenteste westdeutsche Gegnerin der NATO-Mittelstreckenraketen handelt, entschuldigen sich die Polizisten höflich, verabschieden sich mit Handschlag und den besten Wünschen für den Kampf gegen die Hochrüstung in Westdeutschland.
Friedensschützer gegen das Wettrüsten
Anfang der 1980er-Jahre ist das Wettrüsten zwischen Ost und West in vollem Gange. Der Warschauer Pakt verkündet die Stationierung von SS-20-Raketen. Die NATO reagiert mit dem Doppelbeschluss, ebenfalls Mittelstreckenraketen mit nuklearem Sprengkopf zu stationieren: Pershing-II sollen in der Bundesrepublik, Cruise Missiles in weiteren westeuropäischen Ländern dagegen halten.
Friedensschützer in Ost und West sind in Aufruhr. Unter ihnen auch Petra Kelly und Gert Bastian. Sie, Feministin, Mitbegründerin der Grünen und Symbolfigur der Friedensbewegung. Er, Russlandkämpfer im Zweiten Weltkrieg, ehemaliger Bundeswehrgeneral, dann Gegner der Mittelstreckenraketen. Im Herbst 1980 begegnen sie sich zum ersten Mal. Sie werden ein Paar und treten fortan gemeinsam gegen die Aufrüstung an.
Frieden schaffen ohne Waffen
1983 ziehen Kelly und Bastian mit den Grünen zum ersten Mal in den Bundestag ein. Die etablierten Parteien betrachten den Neuzugang argwöhnisch. Auch im Osten wird die Friedensbewegung mit den Grünen an der Spitze aufmerksam beobachtet. Die SED sieht hier mögliche Verbündete gegen den NATO-Doppelbeschluss. Ende Oktober 1983, nur wenige Monate nach der Aktion auf dem Alexanderplatz, empfängt SED-Chef Honecker zum ersten Mal eine Delegation hochrangiger grüner Politiker, unter ihnen auch Petra Kelly. Sie fordert von Honecker die Freilassung der "Verhafteten der DDR-Friedensbewegung" und spricht ihn forsch in Bezug auf DDR-Oppositionelle an: "Ich würde Sie bitten zu erklären, Herr Honecker, warum Sie hier verbieten, was Sie bei uns bejubeln?"
Mitte der 1980er-Jahre kühlt Kellys und Bastians Verhältnis zu den Grünen immer mehr ab. Die kompromisslose Haltung der beiden Friedenskämpfer ist dort nicht mehr gefragt. Mit Bezug auf Kelly sagt die grüne Politikerin Renate Künast rückblickend, dass deren grenzenloser Mut zum Tabubruch einerseits faszinierend, aber für viele Mitstreiter auch beängstigend gewesen sei. Ende der 1980er-Jahre schließlich ist die Zeit von Basisdemokratie und leidenschaftlichem Engagement abgelaufen. Auch die Grünen wollen Pragmatismus und Macht.
Soldat ohne Auftrag
Der Abgang aus dem Rampenlicht führt Kelly und Bastian in die politische Isolation, mit der sie nur schwer umgehen können. Kelly wird von Zweifeln und Ängsten geplagt. Auch Bastian, der einst gefeierte Friedensgeneral, ist überzeugt davon, politisch gescheitert und abgeschoben zu sein. 1992 löscht er sein Leben – und das der schlafenden Petra Kelly - aus. Und zwar soldatisch - mit einem Revolver.
Für viele steht damals fest: Ihr Tod war eine Verzweiflungstat. An dieser Version werden allerdings immer wieder Zweifel laut. Selbstmord, sagt der Staatsanwalt. Doch viele Spuren führen auch zum MfS.
Über dieses Thema berichtete der MDR in "Geheimakte Geschichte - Die Mordakte Kelly und Bastian":TV | 05.05.2019 | 23:40 Uhr