Predigender Martin Luther auf einem Plakat in der Stadtkirche Wittenberg
Predigender Martin Luther auf einem Plakat in der Stadtkirche Wittenberg Bildrechte: MDR/Astrid Wulf

Reformation Wie der arbeitsfreie Samstag in der DDR den Reformationstag ersetzt hat

30. Oktober 2022, 05:00 Uhr

Zum letzten Mal war der Reformationstag 1967 ein gesetzlicher Feiertag in der DDR. Der 31. Oktober ist der Tag, an dem Martin Luther 1517 seine Thesen gegen den Ablasshandel an das Tor der Wittenberger Schlosskirche schlug. Doch mit der Einführung des arbeitsfreien Samstags 1967 wurde der Reformationstag als Feiertag gestrichen.

An einem sonnigen Samstag Ende August 1967 verkündete die "Aktuelle Kamera", die Nachrichtensendung des DDR-Fernsehens, eine frohe Botschaft: "Heute nun ist es soweit, meine Damen und Herren. Ab heute kommen Millionen Werktätige in unserer Republik in den Genuss des regelmäßigen verlängerten Wochenendes von Freitagabend bis Sonntagabend."

Arbeitsfreier Samstag

1967 hatte die SED die Fünftagewoche eingeführt. Bis dahin war der Samstag ein gewöhnlicher Arbeitstag gewesen. Die DDR-Bürger waren tatsächlich hoch erfreut über den erheblichen Zuwachs an Freizeit. "Der Sonnabend als arbeitsfreier Tag, das war schon also eine gewaltige soziale Leistung, ein gewaltiges soziales Zugeständnis auch an die Bevölkerung, die immer noch zu einem Gutteil traumatisiert war durch den Bau der Mauer 1961", erinnert sich der Historiker Peter Maser. "Und da war das natürlich eine großartige Sache, diese Fünftagewoche."

Eine geschlossene Bäckerei in einem leerstehenden Gebäude
Ab 1967 war der Samstag kein Arbeitstag mehr. Bildrechte: imago/Hohlfeld

"In Zukunft keine Tage der Arbeitsruhe mehr"

Doch ganz ohne Gegenleistung hatte die SED den sechsten Arbeitstag dann doch nicht hergegeben. Zwei Optionen standen zur Auswahl: Entweder längere Arbeitszeiten oder der Wegfall von Feiertagen. Auf dem VII. Parteitag der SED im Sommer 1967 führte Staats- und Parteichef Walter Ulbricht aus: "Mit Einführung der durchgängigen Fünf-Tage-Arbeitswoche müsste unter den gegenwärtigen Bedingungen die tägliche Arbeitszeit um etwa eine halbe Stunde verlängert werden. Das würde für viele Werktätige eine Mehrbelastung darstellen. Andererseits gehört die DDR zu den Ländern mit den meisten Feiertagen, von denen der größte Teil auf Werktage fällt. Wir schlagen deshalb der Regierung vor, die volle 5-Tage-Arbeitswoche einzuführen und im Zusammenhang hiermit die Arbeitszeit und Feiertage neu zu regeln. Einige Feiertage sollten in Zukunft keine Tage der Arbeitsruhe mehr sein."

Ökonomisch nachvollziehbar

Unter ökonomischen Gesichtspunkten war die Ankündigung Ulbrichts, einige Feiertage für den arbeitsfreien Samstag zu streichen, durchaus begründet, erklärt der Historiker Stefan Wolle. "Auch weil es in der DDR Sitte war, wenn dann mal so ein Feiertag auf einen Dienstag oder auf einen Donnerstag fiel, einen Brückentag einzuschieben. Damit war dann mehr oder weniger der Rest der Woche auch gelaufen." Die Frage war damals nur noch, welche und wie viele Feiertage die SED opfern würde.

Fünf Feiertage wurden gestrichen

Am Ende traf es fünf Feiertage: Neben dem Reformationstag den Ostermontag, den Buß- und Bettag sowie Himmelfahrt. Damit nicht nur kirchliche Feiertage betroffen sind, ließ die SED auch den "Tag der Befreiung" am 8. Mai als arbeitsfreien Feiertag streichen. Der Historiker Stefan Wolle: "Ganz bestimmt hat die SED Führung damals sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Auf der einen Seite dem Volk ein Geschenk offeriert und auf der anderen Seite den kirchlichen Einfluss dadurch etwas zurückgedrängt, dass einige kirchliche Feiertage gestrichen wurden." Zum letzten Mal war der Reformationstag am 31. Oktober 1967 ein gesetzlicher Feiertag. Und dieser Tag wurde auch von der SED wohlwollend begleitet - schließlich galt es, 450 Jahre Reformation zu feiern.

"Beklagenswerter Eingriff ins kirchliche Leben"

Der Protest der evangelischen Kirche gegen den Wegfall der vier kirchlichen Feiertage fiel relativ zahm aus. Kirchenobere schrieben vorsichtige Briefe an Ministerpräsident Willy Stoph, in denen sie "den beklagenswerten Eingriff ins kirchliche Leben" bedauerten. Da die großen kirchlichen Feiertage aber samt und sonders erhalten blieben, nahmen sie den Wegfall der kleineren hin. Der Reformationstag blieb für Lutheraner natürlich ein Feiertag und wer wollte, konnte an diesem Tag Urlaub nehmen. "Das war ein Zugeständnis, das von der Bevölkerung mit der Zeit aber kaum noch in Anspruch genommen wurde", erinnert sich der Historiker Peter Maser. "In der Regel machte man am Reformationstag am Abend einen Gottesdienst, und damit war es dann auch gut."

Adventspredigt in der Stadtkirche Wittenberg
Predigt in der Stadtkirche Wittenberg Bildrechte: MDR/Astrid Wulf

Reformationstag im Osten seit 1990 wieder Feiertag

Seit der deutschen Einheit 1990 ist der Tag, an dem Martin Luther 1517 seine Thesen gegen den Ablasshandel an die Pforte der Wittenberger Schlosskirche nagelte, in allen ostdeutschen Bundesländern (mit Ausnahme Berlins) alljährlich wieder ein arbeitsfreier Feiertag. Seit 2018 ist der Reformationstag aber auch in Bremen, Hamburg, in Niedersachsen und Schleswig-Holstein gesetzlicher Feiertag. Eine Ausnahme gab es nur 2017, als der 500. Jahrestag des Thesenanschlags zu Wittenberg begangen wurde. In jenem Jahr war der Reformationstag in ganz Deutschland zum Feiertag erklärt worden.

Dieser Artikel erschien erstmals 2018.
(Quelle: Steffen Jindra, Wie die DDR den Reformationstag abschaffte, MDR 2017.)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Der Osten - Entdecke wo du lebst | 31. Oktober 2022 | 07:50 Uhr