Dean Reed auf einerm Foto von 1986
Dean Reed auf einem Foto von 1986 Bildrechte: mdr/DRA/Herbert Schulze

Dokumentarfilmer Leopold Grün im Interview Bekenntnis zur Inszenierung – Dean Reed in der DDR

20. September 2013, 08:45 Uhr

Dean Reed – der "Rote Elvis" – war einer der bekanntesten Amerikaner in der DDR und Sowjetunion. Der Cowboy aus Denver/Colorado unterstützte in den 1960/70er-Jahren den Freiheitskampf in Chile, drehte Italowestern, tourte als erster US-Amerikanischer Sänger durch die Sowjetunion, war TV-Star und Frauenschwarm in der DDR. 1986 wurde er tot in einem See in der Nähe von Ost-Berlin aufgefunden. Leopold Grün hat einen Dokumentarfilm mit dem Titel "Der Rote Elvis" über den Politaktivisten, Schauspieler, Sänger und Menschen gedreht. Wir haben ihn zum Multitalent Reed befragt.

Dean Reed wurde ja in Südamerika, aber auch in der Sowjetunion wie ein Superstar gefeiert, war dort fast bekannter als sein Idol Elvis Presley. Warum hat er sich ausgerechnet die DDR als Wahlheimat ausgesucht?

Leopold Grün: Das ist in gewisser Weise ein Zufall. Aber auch Zufälle haben ihre Gesetzmäßigkeiten. Er kam in die DDR, um 1971 auf dem Internationalen Dokumentarfilmfestival in Leipzig einen Film über Chile zu präsentieren und hat gemerkt, dass er hier eine Wirkung erzielte, die ganz besonders war. Und dann gab es noch diesen Zufall mit seiner späteren Frau Wiebke Reed. Und diese Beziehung ging ja weiter.

Er hätte seine Frau ja auch mit nach Amerika nehmen können …

Das ist der Knackpunkt in seinem Leben: Er hat sich einfach dorthin begeben, wo er mit offenen Armen empfangen wurde, wo er plötzlich neue Arbeitsfelder für sich gesehen hat. Das haben ihm ja auch viele vorgeworfen: Angela Davis hat ihn aufgefordert, lieber die kommunistische Partei in den USA zu unterstützen als im Osten rumzutanzen. Aber diese Kritik hat er nicht an sich rangelassen. Und dann haben sich viele Dinge einfach ergeben: Er wurde in der DDR hofiert und durfte Filme machen. Er musste ja auch Geld verdienen, denn aufgrund seiner politischen und antiamerikanischen Aktionen bekam er im westlichen Ausland kaum noch eine Arbeitserlaubnis.

Wie hat sich Ihr Bild von Dean Reed während der Arbeit an Ihrem Dokumentarfilm geändert?

Das erste Bild war eine blasse Erinnerung an jemanden, der in der DDR der Vorzeigeamerikaner war, und den man als Schauspieler und Musiker nicht wirklich gut fand. Das Bild wurde immer differenzierter, und es hat mich zunehmend fasziniert, zu merken, dass dieser Mann wesentlich mehr Eigenschaften hatte, als ich am Anfang dachte. Für mich ging es um die Frage von Authentizität und Inszenierung, das hat mich an der Figur Dean Reed eigentlich immer interessiert. Als ich gemerkt habe, welches menschliche und politische Spektrum mich dabei erwarten, wollte ich den Film unbedingt machen. Sein politisches Engagement und die Wahrhaftigkeit dabei haben mich wirklich beeindruckt.

War das wirklich wahrhaftig oder ging bei seinen politischen Auftritten nicht vielmehr sein schauspielerisches Talent mit ihm durch? Denn seine politischen Aktionen wirkten oft inszeniert?

Sein Engagement in Südamerika war absolut echt, da gibt es für mich keinen Zweifel. Das hat mich selbst dann überzeugt, wenn ich Zweifel hatte.  

Für die DDR war jemand wie Reed doch ein Glücksfall. Ein freier – mehr oder weniger erfolgreicher  - Amerikaner kommt freiwillig in den Osten und setzt sich für den Sozialismus ein und scheint das auch noch ernst zu meinen. Im Gegenzug durfte er sich künstlerisch fast jeden Traum erfüllen – er sang, drehte Filme, führte Regie, bekam eine eigene TV-Show. Wer hat hier eigentlich wen mehr benutzt?

Wie heißt es heute so schön: To give and to take. Ich denke nicht, dass sich jemand benutzt fühlte. Die haben sich gegenseitig gebraucht und genutzt. Dean Reeds Bekenntnis zur  DDR war ja gleichzeitig auch ein Bekenntnis zur Inszenierung – nicht nur des Politischen, sondern seiner Person überhaupt. Er hatte Spaß daran, den Leuten zu zeigen, was er kann. Er war zwar nicht der begnadete Musiker, aber er war begnadet in der Hinsicht, dass er sehr wandelbar  war und sehr viele Dinge konnte. Und er konnte Leute mitreißen, selbst die, die ihm kritisch gegenüberstanden.

Wäre Dean Reed mit der politischen Wende in der DDR überhaupt zu Recht gekommen?

Der Wechsel hin zu Gorbatschow wäre ihm gerne geglückt, aber das hat er nicht gepackt. Nach der Wende - wenn man ihm das abgenommen hätte, hätte er sich für eine Alternative zur DDR eingesetzt - für eine neue Art von Sozialismus, aber in diese Spur ist er nicht reingekommen.

Hat er es denn überhaupt probiert?

Er hat es probiert, hat sich in Diskussionen eingebracht, aber die Leute haben in ihm einfach immer den Repräsentanten der alten Zeit gesehen. Das hat ihm zugesetzt. Auch künstlerisch war er seiner Zeit hinterher, von der Jugend wurde er ohnehin nicht mehr akzeptiert, der Zug war abgefahren. Aber er hat seine "alten Einsatzfelder" noch gebraucht, um überhaupt noch eine Rolle in der Öffentlichkeit zu spielen. Auf Friedenskonzerten wie dem 1983 von der FDJ in Ost-Berlin war eben Harry Belafonte der Star. Als jemand, der es gewohnt ist, im Mittelpunkt zu stehen, hat er darunter sehr gelitten.

Fast fünf Jahre haben Sie sich für ihren Film intensiv mit Dean Reed beschäftigt. Sind da noch Fragen offen geblieben?

Jede Menge, vor allem Detailfragen. Es bleibt ja immer noch ein Restmoment offen, was den Selbstmord betrifft. Ist es denn definitiv so gewesen? Der Film legt sozusagen den Selbstmord nahe, aber er fixiert ihn nicht. Seltsam bleibt der Adressat des Abschiedsbriefs – der ZK-Abteilungsleiter Eberhard Fensch. Vielleicht weil er von den Genossen das größte Unverständnis darüber erwartet hat, dass er sich so aus dem Leben stiehlt.

Aus der von Tom Hanks geplanten Verfilmung von Dean Reeds Leben wird ja leider nichts.

Ja, es wäre interessant gewesen, weil er als Amerikaner einen anderen Zugang gehabt hätte, das wäre noch mal eine völlig andere Perspektive gewesen.

Über Leopold Grün (Jahrgang 1968) studierter Pädagoge und Medienberater, arbeitet als Filmemacher und Medienpädagoge. 2007 präsentierte er auf der Berlinale seinen ersten Kinodokumentarfilm "Der Rote Elvis", der in Deutschland sehr erfolgreich war. Am 24. Oktober kommt sein zweiter Film "Am Ende der Milchstraße" in die Kinos. Es geht um ein kleines Dorf in Mecklenburg und den Menschen dort, deren Alltag zwar von Armut und Arbeitslosigkeit geprägt ist, die sich aber aufeinander verlassen können und eine eigene Qualität des Zusammenlebens entwickeln.