Helga Hahnemann als Ilse Gürtelschnalle
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"Henne" und "Big Helga": Ein Star aus der DDR Ganz Privat: Entertainerin Helga Hahnemann

13. Oktober 2010, 13:50 Uhr

Sie unterhielt, sang, tanzte und gehörte zu den Größten im Unterhaltungsfach der DDR: Helga Hahnemann. "Big Helga" war berühmt für ihre charmant-freche Berliner Schnauze. Doch nach dem Umbruch 1989 konnte die "Henne" nicht mehr an alte Erfolge anknüpfen.

1937 wird Helga Hahnemann in Berlin-Pankow geboren und will immer nur eins: auf der Bühne stehen. Nach der Schauspielschule gibt sie 1959 ihr Debüt am Leipziger Kabarett "Pfeffermühle" und trainiert dort drei Jahre lang ihre unnachahmliche, fröhlich-freche Berliner Schnauze. Ab 1962 tritt Helga Hahnemann mit eigenen Solo-Programmen auf Berliner Bühnen und bald auch im DDR-Fernsehen auf. Ein breites Publikum lernt sie zunächst in der Satire-Sendung "Tele-BZ" kennen, mit "Helgas Fittparade" bekommt sie 1977 ihre erste Fernsehshow.

Helga Hahnemann: Garant für volle Säle

Ende der 1970er Jahre ist Helga Hahnemann auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Sie moderiert die Fernsehshow "Ein Kessel Buntes" - das Höchste, was man in der DDR-Unterhaltungskunst erreichen kann. Denn die "Henne", wie sie auch genannt wird, ist ein Garant für volle Säle. Verbunden sind damit ein paar Privilegien wie Reisefreiheit und Westgeld. Und nach der Show nutzt sie das auch gern mal, am liebsten zusammen mit ihrer Texterin und Freundin Angela "Gela" Gentzmer, mit der sie seit 1974 zusammenarbeitet.

Manchmal waren wir auch im Westen. Da war dann die Grenze zu, als wir zurückwollten. Da hat sie die Scheibe runter geleiert und hat gebrüllt: 'He, ihr Eierköppe, macht mal hier auf, ich will nach Hause.' Und dann haben die uns die Scheinwerfer ins Gesicht geknallt um erstmal zu sehen, wer da grölt. Und dann haben sie gesehen, das ist die Hahnemann und haben aufgemacht.

Angela Gentzmer

Spagat zwischen Staatsopportunismus und Selbstachtung

Auftrittsorgen kennt Helga Hahnemann nicht. Sie ist in der DDR beliebt wie keine andere Entertainerin. Sie singt, tanzt, spielt im Friedrichstadtpalast, in der Rundfunksendung "Helgas Top(p)-Musike" und bei Gastspielen im Berliner Westen. Als Synchronsprecherin leiht sie der einzigen weiblichen Hauptrolle in der "Olsenbande" ihre Stimme. Mit Gela Gentzmer und Komponist Arndt Bause entstehen Hits wie "Wo ist mein Geld bloß geblieben", "Jetzt kommt dein Süßer" und "Hundertmal Berlin". Den Spagat zwischen Staatsopportunismus und Selbstachtung beherrscht sie perfekt. Für die Stasi wird die "Henne", die kein Blatt vor den Mund nimmt, uninteressant. Parteilos, partnerlos und kinderlos erlebt sie die Wende und will mit 52 Jahren noch mal durchstarten.

Klinken putzen nach der Wende

Doch nach der politischen Wende geht es Helga Hahnemann wie nahezu allen Promis aus der DDR. Auch sie wird von der Abwehr gegen alles "Ostige" erfasst. Ob als "Erna Mischke", "Ilse Gürtelschnalle" oder legendäre Diplomraumpflegerin "Traudel Schulze" – die Hahnemann als Stimme aus dem Volk will keiner mehr hören und sehen. Also fährt die "Henne" nach Westen, um sich ein neues Publikum zu erobern.

Dann musste Henne auch Klinken putzen gehen. Und sie hat das auch gemacht. Sie ist überall hin und hat sich dazu gesetzt, wenn Diskussionen waren im Fernsehen und so. Und dann wurde sie auch mal mit Gottschalk abgelichtet. Aber die Macher haben gesagt, brauchen wir nicht, so einen Spaßmacher. Wir haben Hella von Sinnen, das reicht uns.

Angela Gentzmer

Strich durch die Rechnung: Hahnemann bekommt Diagnose Lungenkrebs

Helga Hahnemann macht vor allem im Radio weiter. Ob sie sich vor dem neuen gesamtdeutschen Publikum vielleicht doch einen neuen Spitzenplatz im Showbusiness erobert hätte, darüber kann man nur spekulieren. Denn Anfang November 1991 erfährt sie, dass sie krank ist: Diagnose Lungenkrebs. Nur zwei Wochen später ist sie tot.

Der Publikumspreis "Die goldene Henne"

Gerade einmal 54 Jahre wird "Big Helga" alt und bleibt doch unvergessen. Nach ihrem frühen Tod erscheinen mehrere Bücher zu ihrem Leben, unter anderem von Texterin Angela Gentzmer.
Im Showbusiness ist "die Henne" weiter ein prägnanter Name, denn seit 1995 vergeben die Zeitschrift "Super-Illu" und der MDR in Erinnerung an die große Entertainerin den Publikumspreis "Goldene Henne". Und seit September 2010 erinnert ein Stern auf dem Berliner "Boulevard der Stars" an Helga Hahnemann - direkt neben Stars wie Marlene Dietrich, Hildegard Knef und Romy Schneider.

Buchtipp Angela Gentzmer: Das dicke Helga-Hahnemann-Buch. War schön mit euch ..., 226 S., Eulenspiegel 2006