DEFA-SchauspielerRolf Herricht im Porträt
Ob auf der Bühne oder im Fernsehen – seine Rolle war die des naiven, liebenswert verschrobenen, aber letztlich harmlosen Kleinbürgers. Bekannt geworden war er vor allem durch seine Rolle im DEFA-Film "Geliebte weiße Maus" und das Komikerduo "Herricht & Preil". Der letzte Kinofilm mit Rolf Herricht in der Hauptrolle entstand Ende der 1970er-Jahre: In "Der Baulöwe" bewies er einmal mehr, dass er ein stiller, feiner Komiker war, der mit sparsamsten Mitteln größte Wirkung erzielten konnte.
"Es reichte schon, dass er 'Guten Morgen' sagte, schon fingen alle an zu lachen", erzählt Hans-Joachim Preil, der langjährige Kompagnon von Rolf Herricht. Alle sahen in ihm immer nur den Komiker. Selbst seinen Tod hielten viele Kollegen zunächst für einen typischen Herricht-Scherz.
Während der Aufführung von "Kiss Me, Kate" am Berliner Metropol-Theater am 23. August 1981 erlitt der Schauspieler einen Herzanfall. Sein Bühnenpartner Wolfgang Ostberg erinnert sich: "Dann rutschte er schon weg. Ich hab ihn schnell aufgefangen." In diesem Moment musste Ostberg folgenden Text sprechen: "Schlaf in deinem Grab. Find Dich damit ab." Ostberg legte seinen Kollegen auf den Bühnenboden, der Vorhang fiel, das Publikum jubelte. Doch für den erst 53-jährigen Herricht war der Vorhang für immer gefallen.
Seit Mitte der 1960er-Jahre war Rolf Herricht ein Star in der DDR. Bekannt geworden war der gebürtige Magdeburger als Part des Sketch-Duos "Herricht und Preil" und später als Schauspieler durch diverse Film- und Fernsehproduktionen wie etwa "Geliebte weiße Maus", vor allem aber "Der Mann, der nach der Oma kam". Auch mit Helga Hahnemann verband Herricht eine erfolgreiche Sketchpartnerschaft - bei gemeinsamen Auftritten in den Unterhaltungssendungen "Ein Kessel Buntes" und "Helgas Top(p)-Musike" konnte das Duo Erfolge feiern.
"Aber Herr Preil!"
Sketchpartner Hans-Joachim Preil, mit dem Herricht fast drei Jahrzehnte lang zusammenarbeitete, erinnert sich an die erste Begegnung bei einem Vorsprechen 1951 am Theater Magdeburg: "Wir haben beide improvisiert auf der Bühne. Das, was wir improvisierten nach einem vorgegebenen Thema, funktionierte wie ein einstudierter Sketch. Damals habe ich gemerkt, die 'beeden' können 100-prozentig zusammen." Eines der beliebtesten Komikerduos der DDR war geboren: Herricht & Preil. Im Herbst 1959 traten die beiden erstmals im DDR-Fernsehen auf und waren seitdem Dauergäste bei heiteren Unterhaltungssendungen.
Die Arbeitsteilung war strikt: Preil schrieb die Texte, Herricht klopfte sie auf Punkt und Komma ab. Monatelang feilten beide an jedem Satz, an jeder Geste, bis die Pointe saß. Improvisation auf der Bühne war undenkbar: "Die Szenen wurden gelernt auf Punkt und Komma. Wenn man aus dem Rhythmus einer Szene kam, war es vorbei", erklärt Hans-Joachim Preil ihre Arbeitsweise." Auch die Rollenverteilung war immer die gleiche: Preil gab den cholerischen Oberlehrer, Herricht war der naive, aber bauernschlaue. Mit seinen spitzfindigen Einwänden "Aber Herr Preil!" trieb er seinen Partner immer zur Verzweiflung.
DEFA-Star Rolf Herricht
Auch in vielen DEFA-Filmen spielte er den Zerstreuten und liebenswert verschrobenen, aber harmlosen Kleinbürger. Die erfolgreichsten Filme waren meist die, die direkt für Rolf Herricht geschrieben wurden. In "Der Reserveheld" von 1965 spielt der Magdeburger den fast gleichnamigen Schauspieler Ralf Horricht, der zur Reserve eingezogen wird. Auch in seinem erfolgreichsten Film "Der Mann, der nach Oma kam" (1972) spielt der Komiker sich gewissermaßen selbst. Er mimt einen Fernsehkomiker, dessen Haushalt nach dem Weggang von Oma im völligen Chaos versinkt. Die Komödie zählt mit mehr als 3,3 Millionen Besuchern zu einem der erfolgreichsten DEFA-Lustspielfilme überhaupt.
Doch auch seine Beliebtheit bewahrte den Komiker Rolf Herricht nicht immer vor dem Rotstift der SED-Ideologen. Das Lustspiel "Hände hoch – oder ich schieße" (1965/66), in dem Herricht einen melancholischen Volkspolizisten spielt, fiel dem Kultur-Kahlschlag des 11. Plenums des ZK der SED 1965 zum Opfer. Wegen des Verstoßes gegen die ideologischen Vorgaben wurde der Film 1966 beschlagnahmt. Das Lustspiel erwecke den Eindruck, dass die Sicherheitsorgane der DDR überflüssig seien, hieß es in der Begründung des Ministeriums des Innern. 2009 – nach über 40 Jahren – kam schließlich eine rekonstruierte Fassung des Films in die Kinos.
"Der Baulöwe": Sein letztes Werk
Der letzte Kinofilm mit Rolf Herricht in der Hauptrolle entstand Ende der 1970er-Jahre. In "Der Baulöwe" (1979) spielt Herricht wieder einmal einen erfolgreichen Schauspieler, der ein Eigenheim bauen möchte und durch die DDR-typischen Schwierigkeiten, z.B. bei der Beschaffung des Baumaterials, an den Rand des Wahnsinns getrieben wird. Herrichts Erfolg rührte vor allem daher, dass er den Zuschauern mit seinen Figuren ihre eigenen Schwächen und Stärken vor Augen führte. Kritiker schrieben über ihn: "Er war ein stiller, feiner Komiker, der mit sparsamsten Mitteln größte Wirkung erzielte."
Privat wollte er allerdings eines: ernst genommen werden. Eine seiner Schwestern erinnert sich: "Witze erzählen, das war nicht sein Ding. Und auch in der Öffentlichkeit hat ihn das gestört, dass alle erwarteten, dass er sie zum Lachen bringt."
Unersetzbar: Sketchpartner Rolf Herricht
Nach Herrichts Tod wurde Hans-Joachim Preil vom Ministerium für Kultur gebeten, sich "zur weiteren Erheiterung des Publikums" einen neuen Partner zu suchen. "Ich hab das aus drei Gründen abgelehnt: Erstens: Hätte ich das meinem Freund Rolf nie angetan. Zweitens: Hätte das unsere Arbeit ad absurdum geführt. Drittens: Mit wem denn bitteschön? – Das ging nur mit Rolf", sagte Preil 1994 in der MDR-Talkshow "Riverboat".
Dieser Artikel erschien erstmals im Mai 2011.
Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | artour: Zum 90. Geburtstag – Erinnerungen an Rolf Herricht | 08. Juli 2021 | 22:10 Uhr