1950: Europäische Menschenrechtskonvention unterzeichnet Die DDR und die Menschenrechte

04. November 2020, 08:28 Uhr

Am 4. November 1950 wurde die "Europäische Menschenrechtskonvention" unterzeichnet. Die DDR gehörte nicht zu den Unterzeichnerstaaten, doch das Thema Menschenrechte war auch im Osten stets auf der Tagesordnung.

Es war ein historisches Ereignis, als am 4. November 1950 die Vertreter westeuropäischer Staaten in Rom die "Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten" unterzeichneten. In dieser Konvention verpflichten sich die Unterzeichnerstaaten, die Menschenrechte und Grundfreiheiten im eigenen Hoheitsgebiet und untereinander anzuerkennen.

Unter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs

Die Europäische Menschenrechtskonvention war relativ zügig und ohne Probleme ausgearbeitet worden. "Man stand ja unter dem Eindruck dessen, was sich in den Jahren von 1933 bis 1945 ereignet hatte an Mord, Zerstörung, Völkermord, die Verneinung der grundlegenden Freiheiten, alles dieses war ein grauenhafter Rückblick", sagte Christian Tomuschat, emeritierter Professor für Völker- und Europarecht an der Humboldt-Universität zu Berlin, dem Deutschlandfunk. "Und das hat man zum Anlass genommen, um nun wirklich den Rechtsstaat zu konsolidieren."

Die Europäische Menschenrechtskonvention fußte übrigens auf Vorarbeiten der Vereinten Nationen, die mit der UNO-Charta bereits einen Menschenrechtskatalog aufgestellt hatte. Mit der Europäischen Menschenrechtskonvention war nun jedenfalls zum ersten Mal in Europa ein völkerrechtlich verbindlicher Katalog von Grundrechten aufgestellt worden, die Jedermann einklagen konnte.

Stalinistisch geprägte DDR

Die DDR gehörte nicht zu den Unterzeichnern der Europäischen Menschenrechtskonvention. Aber freilich spielte das Thema Menschenrechte auch im Osten stets eine große Rolle.

Die erste DDR-Verfassung jedenfalls sollte den sozialistischen deutschen Staat durchaus wie einen demokratischen Rechtsstaat aussehen lassen. Tatsächlich jedoch war er durch und durch stalinistisch geprägt. Und alle Macht ging keineswegs vom Volke aus, sondern von der Staatspartei SED. Aber genau so hatte es Staats- und Parteichef Walter Ulbricht im Gespräch mit führenden Genossen nach seiner Rückkehr aus dem Exil in der UdSSR auch gefordert: "Es muss demokratisch aussehen, Genossen, aber wir haben alles in der Hand."

Führende Rolle der SED

1968 schließlich durften die DDR-Bürger in einem Referendum über eine neue Verfassung abstimmen. In dieser von der übergroßen Mehrheit der DDR-Bürger angenommenen neuen Verfassung wurde nun die führende Rolle der SED auch festgeschrieben. Andererseits wurden aber auch grundlegende Menschenrechte aufgenommen. Die Verfassung garantierte jetzt etwa das "Recht auf die Würde und Freiheit der Persönlichkeit", die Gewissensfreiheit sowie das Recht auf politische, soziale und kulturelle Mitgestaltung. In der Realität war davon allerdings nicht viel zu spüren. Die Menschenrechte endeten für gewöhnlich immer dort, wo die führende Rolle der SED in Zweifel gezogen wurde. Und das ging ziemlich schnell.

1975: Schlussakte von Helsinki

Anfang der 1970er-Jahre gehörte die DDR zu den Teilnehmerstaaten der "Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa" (KSZE). Mit Unterzeichnung der "Schlussakte von Helsinki" im August 1975 verpflichteten sich die Staaten, die Menschenrechte in ihren Ländern ohne Einschränkungen zu gewährleisten. Auch die DDR unterschrieb die Schlussakte und befand sich fortan in einem Dilemma. Einerseits strebte die DDR-Staatsführung nach internationaler Anerkennung, andererseits würde die Einhaltung des Abkommens das Machtmonopol der SED natürlich grundlegend in Frage stellen. Die SED verzichtete also einfach darauf, ihr Rechtssystem an die "Schlussakte von Helsinki" anzugleichen und die ihren Bürgern zustehenden Menschenrechte zu gewähren. DDR-Bürgerrechtler, die sich eine Liberalisierung erhofft hatten und gegen die fortwährende Verletzung der Schlussakte in ihrem Land protestierten, wurden von der Staatssicherheit verfolgt. Wiederholt kritisierten internationale Menschenrechtsorganisationen, der UN-Menschenrechtsausschuss und Politiker in der Bundesrepublik die Verletzung der Menschenrechte in der DDR, wie etwa den Schießbefehl an der Mauer. Allerdings ohne großen Erfolg.

Selbstgerechte SED

Die SED reagierte auf die internationale Kritik mit einer immer gleichen Strategie. Sie wurde nicht müde zu behaupten, dass die sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Menschenrechte in der sozialistischen Republik viel umfassender verwirklicht seien als im Westen. Anders als etwa in der Bundesrepublik sei in der DDR niemand von Arbeitslosigkeit und Obdachlosigkeit bedroht. Beinahe allabendlich berichtete dementsprechend das DDR-Fernsehen von Streiks, Werksschließungen und wohnungslosen Menschen in den westlichen Staaten, um dann stets selbstgerecht zu verkünden, dass solche Probleme im Sozialismus, im Arbeiter- und Bauernstaat, in dem die Werktätigen also selbst regierten, zum Glück nicht mehr existieren. Die DDR sei der tatsächliche Hort der Menschenrechte.

Menschenrechte sind unteilbar

Das sahen die DDR-Bürger im Herbst 1989 allerdings etwas anders. Zu Hunderttausenden gingen sie auf die Straßen und forderten die universellen und ihnen schließlich auch garantierten Menschenrechte ein: Meinungs- und Pressefreiheit, Reise- und Versammlungsfreiheit sowie das Recht auf freie und geheime Wahlen... Die aufmüpfigen Bürger wussten: Menschenrechte sind nicht interpretierbar in einem für das jeweilige System passenden Sinn. Auch in der DDR nicht. Die Menschenrechte sind unteilbar. Damit aber war die Staatspartei SED am Ende, ihr Machtmonopol, das sie 40 Jahre ununterbrochen innehatte, gebrochen.

Dieses Thema im Programm: Aufbruch zur Demokratie - Runde Tische in der DDR | 24. November 2019 | 22:50 Uhr