Der Ministerrat - "Regierung ohne wirkliche Befugnisse"

Regierung | Willi Stoph

16. Februar 2010, 12:03 Uhr

Der Ministerrat - "Regierung ohne wirkliche Befugnisse"

Auch wenn alle wichtigen Entscheidungen vom Politbüro des ZK bzw. vom ZK-Apparat getroffen wurden, war der Ministerrat zumindest rein formal die Regierung der DDR.

Nach Gründung der DDR wählte die "Provisorische Volkskammer" die "Provisorische Regierung der DDR", der Ministerpräsident Otto Grotewohl (SED) mit seinen Stellvertretern Hermann Kastner (LDPD), Otto Nuschke (CDU) und Walter Ulbricht (SED) vorstand. Von den damals 18 Regierungsmitgliedern waren zwar nur acht in der SED, aber dennoch lag die politische Führung schon jetzt in SED-Hand: von 17 Staatssekretären waren neun SED-Mitglieder. Durch die Schaffung neuer und die Aufsplittung bereits vorhandener Verantwortungsbereiche sowie die ständige Erweiterung der Regierung wurde die SED weiter gestärkt. Eine bedeutende Rolle spielte dabei (bis 1971) Walter Ulbricht, in dessen Büro, wie Grotewohl resignierend feststellte, die wichtigsten Regierungsentscheidungen getroffen wurden.

Schwächung und erneute Stärkung des Ministerrates

Mit der Bildung des Staatsrates entstand eine "konkurrierende" Instanz, die, ebenso wie der Ministerrat, ein Organ der Volkskammer war. Der Ministerrat wurde dem Staatsrat untergeordnet und sollte künftig als Exekutivorgan der Volkskammer und des Staatsrates fungieren. Während die gesamte Gesellschaftspolitik durch Staatsratsbeschlüsse bestimmt wurde, war der Ministerrat in dieser Zeit vornehmlich für die Leitung und Planung der Wirtschaft zuständig. Dieses Machtverhältnis wurde erst 1970/71 mit der Ablösung Walter Ulbrichts durch Erich Honecker korrigiert und der Ministerrat in seiner Regierungsfunktion erneut gestärkt. Nun hatte er allerdings unter Führung der Partei der Arbeiterklasse zu arbeiten...

Aufgabe des Ministerrates war es, oberstes vollziehend-verfügendes Organ der Staatsmacht zu sein, die Grundsätze der staatlichen Innen- und Außenpolitik auszuarbeiten, die einheitliche Durchführung der Staatspolitik zu leiten und die Erfüllung der politischen, ökonomischen, kulturellen und sozialen Aufgaben sowie der ihm übertragenen Verteidigungsaufgaben zu organisieren. Nach 1971 blieben Struktur und personelle Zusammensetzung des Ministerrates nahezu unverändert. Einige wenige Änderungen ergaben sich durch wirtschaftliche Entwicklungen und Innovationen.

Der Ministerrat unter Willi Stoph

Im Mai 1989 gehörten dem Ministerrat unter der Leitung Willi Stophs 44 Mitglieder an: 40 SED-Mitglieder sowie je ein Vertreter von CDU, LDPD, NDPD und DBD. Die einzige Frau im Ministerrat war Margot Honecker. 31 Mitglieder waren als Ressortminister tätig, davon leiteten 18 die Industrieministerien oder solche von speziell ökonomischer Ausrichtung.

Die restlichen 13 Mitglieder bekleideten die Ämter des Vorsitzenden, seiner beiden 1. Stellvertreter, des Vorsitzenden der Staatlichen Planungskommission (SPK) nebst zwei Staatssekretären, des Ständigen Vertreters der DDR im RGW, des Vorsitzenden des Staatlichen Vertragsgerichtes, des Leiters des Amtes für Preise, des Leiters des Amtes für Jugendfragen, des Präsidenten der Staatsbank der DDR, des Oberbürgermeisters von Berlin sowie des Vorsitzenden der Arbeiter- und Bauerninspektion.

Außer den 31 Ministerien waren dem Ministerrat viele öffentliche Institutionen direkt unterstellt. Der Ministerrat verfügte über ein Sonderfernsprechnetz sowie über zahlreiche, hervorragend ausgestattete Gästehäuser in Berlin, Heringsdorf, auf der Insel Vilm, in Oberhof usw.

Die Fäden fest in der Hand der SED

Die staatsrechtliche Fixierung der Aufgaben und Befugnisse des Ministerrates erfolgte entsprechend der gesellschaftspolitischen Strategie der SED und wurde in verschiedenen Gesetzen festgeschrieben. Laut Verfassung fiel der stärksten Fraktion in der Volkskammer, also in jedem Falle der SED, das Recht zu, den Vorsitzenden des Ministerrats vorzuschlagen. Dieser wurde dann für fünf Jahre gewählt und vom Vorsitzenden des Staatsrats auf die Verfassung vereidigt.

Die übrigen Mitglieder wurden auf Vorschlag des Vorsitzenden der Volkskammer in offener Abstimmung gewählt. Außerdem hatte die Volkskammer der zu Beginn jeder Wahlperiode vorzulegenden Regierungserklärung sowie den Gesetzesentwürfen und Beschlüssen, die durch Ministerrat unterbreitet wurden, zuzustimmen.

Koordiniert wurde die Arbeit des Ministerrates seit 1952 durch ein Präsidium, welches eng mit dem Politbüro der SED verkettet war. Dieses Präsidium bereitete vom SED-Politbüro angewiesene oder zumindest abgestimmte Gesetzesentscheidungen vor und konnte Beschlüsse fassen, die den gesamten Ministerrat betrafen. Die Zusammensetzung des Präsidiums entsprach den Vorstellungen der SED von einer Blockpolitik: Die Leitung lag unangefochten in den Händen von Mitgliedern des ZK der SED bzw. seines Politbüros, Beisitzer waren je ein Vertreter von CDU, LDPD, NDPD und DBD, denen meist auch die Funktion eines Stellvertreters des Vorsitzenden des Ministerrates zugebilligt worden war.

Strukturierung des Ministerrates

Dem Ministerrat oblag die Kontrolle der Arbeit der Räte der Bezirke und aller weiteren regionalen und lokalen Repräsentanzen des Staatsapparates. Der jeweilige Minister leitete sein Ministerium nach dem Prinzip der Einzelleitung, beachtete jedoch bei seinen Entscheidungen die Empfehlung eines von ihm berufenen Kollegiums aus Staatssekretären, stellvertretenden Ministern sowie Vertretern aus Wissenschaft und Praxis.

Die einzelnen Ministerien waren in Hauptabteilungen, Abteilungen und Sektoren gegliedert. Die Binnenstrukturierung eines Ministeriums erfolgte allerdings nicht einheitlich, sondern nach fachlich-inhaltlichen Gesichtspunkten.

Wie im gesamten Staatsgefüge der DDR – von der Regierung bis hin zum Dorfbürgermeister – war eine "Anleitung der Staatsorgane" durch die SED üblich. Dem konnten sich auch die Staatsfunktionäre des Ministerrats nicht entziehen. Meist waren sie sogar selbst Mitglieder der SED. Dadurch erlangte das ZK spätestens seit den 70er Jahren die exekutive Gewalt im Staat: Die zum Teil ähnlich dem Ministerrat aufgebauten ZK-Abteilungen verhielten sich gegenüber dem jeweiligen Ministerium wie eine vorgesetzte Behörde.

Ausnahmen bildeten lediglich die Ministerien für Staatssicherheit und Nationale Verteidigung, deren Minister Mitglieder des Politbüros waren und damit auf wichtige Entscheidungen direkt Einfluss nehmen konnten. Den anderen Ministern war es kaum möglich, wichtige Entscheidungen treffen, ohne zuvor die Zustimmung der zuständigen ZK-Abteilung eingeholt zu haben. Die Verantwortung hatten sie dennoch zu tragen.

Dies führte dazu, dass ein Minister immer weniger motiviert war, selbst die Initiative zu ergreifen und die SED in der ihr eigentlich nie zugedachten staatlichen Leitungstätigkeit weiter gestärkt wurde. Es waren nur einige Wenige, die sich mit Bezug auf gesetzliche Grundlagen dem verweigerten.

Dem Ministerrat direkt unterstellte Institutionen waren... ... der Forschungsrat der DDR, die Staatssekretariate für Arbeit und Löhne, für Berufsbildung, Kirchenfragen, Körperkultur und Sport, die Staatlichen Komitees für Fernsehen und Rundfunk, der Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst, die Oberste Bergbehörde, das Staatliche Amt für Atomsicherheit und Strahlenschutz, die Ämter für Erfindungs- und Patentwesen, industrielle Formgestaltung, Jugendfragen, Standardisierung, Messwesen und Warenprüfung und das für Preise, das Presseamt beim Vorsitzenden des Ministerrates, das Amt für Rechtschutz des Vermögens der DDR, das Staatliches Amt für Technische Überwachung der DDR, die Staatliche Versicherung, die Staatliche Verwaltung der Staatsreserve, die Staatliche Zentralverwaltung für Statistik, die Zollverwaltung der DDR, die Deutsche Außenhandelsbank, die Staatsbank der DDR, die Bank für Landwirtschaft und Nahrungsgüterwirtschaft, das Amt für Außenwirtschaftsbeziehungen, die Kammer für Außenhandel, der VEB Leipziger Messeamt und das Komitee für Arbeiter- und Bauern-Inspektion.