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Neuanfang nach dem Krieg: Karriere im Justizapparat der DDR

Georg Benjamin kam im August 1942 im KZ Mauthausen um. Bewirkte der Tod ihres Mannes in den folgenden Jahren eine Art Wesensveränderung bei Hilde Benjamin?

Der Tod ihres Mannes war sicher ein Trauma, das sich weiter durch ihr ganzes Leben zog. Sie hat damit ihren persönlichen Partner verloren. Es soll ja eine sehr gute, sehr harmonische und intensive Beziehung gewesen sein. Sie hat damit auch ihren wichtigsten, denke ich, politischen Vordenker verloren. Sie hat damit auch einen Menschen verloren, der ruhiger war als sie, der sicher auch selbstbewusster war und unabhängiger von den kommunistischen Idealen als sie. Damit hat sie also auch eine Art Korrektiv verloren.

Wie lebte sie nach dem Krieg, als Sie im Justizapparat der DDR recht schnell Karriere machte?

Sie hatte kein echtes Privatleben mehr, sie hatte noch ihren Sohn, der war dann aber auch irgendwann mal erwachsen. Sie hat ja in einem Lebenslauf für die Kaderakte auch mal geschrieben, dass es für sie an erster Stelle nur noch die Partei gäbe. Ihr Leben reduzierte sich auf ihre politische Tätigkeit. Ihr Mann war für sie ja untrennbar mit solch einem Engagement verbunden. Er ist ja praktisch gestorben für die kommunistische Idee, hatte also das höchste Opfer dafür gebracht. Ich glaube, es war für sie psychologisch gar nicht mehr möglich, sich davon zu lösen, selbst wenn sie es gewollt hätte.

War Hilde Benjamin durch ihr persönliches Schicksal in der NS-Zeit später von Rachegefühlen getrieben?

Soweit würde ich nicht gehen. Rache ist vielleicht der falsche Ausdruck. Sie hat, jetzt mal völlig unabhängig von dem Tod ihres Mannes, dieses Freund-Feind-Schema, das ja gerade für kommunistische Bewegungen typisch ist und auch für andere radikale politische Bewegungen, auch für religiöse Bewegungen, komplett verinnerlicht. Das heißt, Leute, die nicht für die Bewegung des Sozialismus waren, waren Feinde. Das hat sie auch des Öfteren gesagt, die Feinde muss man bekämpfen und das ist eben ein "schmutziges Geschäft". So hat sie es später mal formuliert. Ich glaube nicht, dass ihr das Spaß gemacht hat. Sie fühlte sich dazu verpflichtet.

Welche Rolle hat Hilde Benjamin als Justizministerin der DDR für die rechtliche Gleichstellung der Frauen in Alltag und Arbeitsleben gespielt?

Das ist der Bereich, in dem sie sich erlaubt hat, ganz persönliche Ziele zu verfolgen. Sie hat sich ja sonst in der Regel extrem linientreu verhalten. Es gibt also keine richtigen Konflikte, die sie etwa mit Partei- und Staatschef Walter Ulbricht gehabt hätte. Sie hat grundsätzlich, wenn irgendwelche Reformvorstellungen von ihr nicht auf fruchtbaren Boden im Politbüro fielen, sie auch gleich wieder aufgegeben.

Aber die Förderung von Frauen, der Einsatz für die Gleichberechtigung und Chancengleichheit von Frauen war ihr ein echtes Anliegen. Das hat sie aktiv verfolgt durch ihr ganzes Wirken in der DDR und sich damit nicht beliebt gemacht. Denn das Thema war zunächst nicht auf der Agenda, es galt als bürgerliches Thema.

Es gibt ja diese Vorstellungen in der sozialistischen Theorie vom Haupt- und Nebenwiderspruch, das war nur der Nebenwiderspruch, da kümmerte man sich nicht in erster Linie darum. Man hielt es mit Engels, wonach sich diese Dinge ja von selbst erledigen würden im Sozialismus. Dieser Ansicht war sie nicht. Sie war der Ansicht, dass Frauen ganz real, im täglichen Leben benachteiligt sind und dagegen wollte sie etwas tun.