1973 - Erster RennsteiglaufDen Kammweg überwinden: Die Geschichte des Rennsteiglaufs
Unter Normalbedingungen treten alle Jahre wieder im Mai Tausende Läufer beim Rennsteiglauf im Thüringer Wald an. Das Streckenprofil des Supermarathons, der mehr als 70 Kilometer zählt, ist selbst für Sportfanatiker eine absolute Herausforderung. Der Rennsteiglauf gehört zu den größten und anspruchsvollsten Landschaftsläufen Europas. Seine Tradition geht ins Jahr 1973 zurück, als vier Studenten aus Jena erstmals über den Rennsteig rannten.
Der Rennsteig ist vor allem als Wander- und Urlaubsdomizil bekannt. Aber auch durch die Klänge von Herbert Roth und Karl Müller, die dem grünen Höhenweg eine eigene Hymne widmeten. Doch neben Natur und Volksmusik hat sich der Rennsteig auch die Herzen der Sportler erobert. Schwitzende Läufer in knallengen Synthetikklamotten und mit getapten Waden laufen bis zu 73 Kilometer durch grüne Wälder und über ausgedehnte Felder. Dabei laufen sie auch an der Wartburg vorbei ins "schönste Ziel der Welt in Schmiedefeld". Seit 1973 Jahren bezwingen Sportler die Höhen des Rennsteiges und bewegen sich dabei auf einer Strecke mit Geschichte.
Der Rennsteiglauf: Eine Laufstrecke mit Geschichte
Der Rennsteigweg war einst ein Handels- und Grenzweg zwischen Thüringen und Franken, 170 Kilometer lang. Im Mittelalter war der Thüringer Wald eine natürliche Grenze, die man am besten beim Gang über den Gebirgskamm bezwingen konnte. Die höchsten Erhebungen erreichen fast 1.000 Meter und mussten von Reisenden mühsam zu Fuß oder Pferd überwunden werden. So lernten die gekrönten Häupter Mitteldeutschlands und sogar die Napoleonische Armee den Thüringer Wald kennen. Noch heute zeugen rund 1300 alte Grenzsteine, die ältesten aus dem 16. Jahrhundert, von der früheren Bedeutung des Rennsteiges.
Von der Wanderbewegung entdeckt
Noch bevor der Rennsteig für seine anspruchsvolle Marathon-Strecke gefeiert wurde, entdeckten Wanderer Ende des 19. Jahrhunderts den Rennsteig für sich. So wurde der Weg nicht nur als Verkehrsweg erschlossen, sondern bekam auch kulturelle Bedeutung. Der erste Rennsteigverein gründete sich, Vermessung und Untersuchung des Naturraumes schlossen sich an. Hotels und Gastronomie siedelten sich an und der Tourismus belebte die Region. Wanderer auf dem Rennsteig wünschten sich nun eine "Gute Runst", wenn sie sich bei Etappenwanderungen zu Pfingsten begegnen. Wandern auf dem Rennsteig war nicht mehr nur ein Reiseziel, sondern vielmehr ein Kulturgut geworden.
"Gute Runst!"
Runst bedeutet Rennsteigwanderung. Eine "Gute Runst" wünschen sich demnach Wanderer, die den Rennsteigweg in Etappen erlaufen. Den Gruß gibt es seit 1900. Er wurde vom ersten Rennsteigverein während der "Pfingstrunst" eingeführt.
Vom Wanderweg zum Grenzweg
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die beliebten "Runsten" wieder aufgenommen und bekamen am 14. April 1951 die passende Hymne. Herbert Roth und Waltraut Schulz sangen im Gemeindesaal von Hirschbach bei Suhl das erste Mal das bekannte "Rennsteiglied" und setzten der Region so ein musikalisches Denkmal. Den "Weg auf den Höh'n" gingen nach dem Krieg wieder viele Menschen, ungeachtet der vorläufigen Zonengrenzen. Doch spätestens mit dem Bau der Mauer 1961 war der Rennsteig nicht mehr das, was er war. Rund sechs Mal kreuzte die neue Grenze zwischen Ost und West nun den beliebten Wanderweg.
Die Idee zum Rennsteiglauf
Die Verbundenheit der Thüringer mit ihrem Rennsteig war im sozialistischen Staat zunächst nicht vorgesehen. Ebenso wie sich Herbert Roth mit seiner Volksmusik erst etablieren musste, waren die Anliegen des Rennsteigvereines - Forschung, Umweltschutz und Brauchtumspflege - dem einen oder anderen Funktionär ein Dorn im Auge. Vier Jenaer Studenten krönten das Treiben der Wald- und Wanderbegeisterten rund um den Rennsteig 1973 mit einer sportlichen Idee: Auf der Suche nach einer wirklichen Herausforderung wollten sie den Rennsteig zunächst in einem Mehrtagesorientierungslauf bewältigen. Als sich bei den Vorbereitungen keine Quartiere finden ließen, wurde der Entschluss gefasst, einfach nonstop durchzuhalten: Die Idee zum Rennsteiglauf war geboren.
Zu Ehren von Johann Christoph Friedrich GutsMuths, dem geistigen Vater des Schulsports, etablierte sich der Rennsteiglauf bei den Sportbegeisterten Mitte der 1970er-Jahre als Wettkampf. Von den Sportfunktionären als "gesundheitlich bedenklich" kritisiert, mauserte sich der Lauf zum Massenereignis mit Volksfestcharakter.
Laufen statt Joggen, Haferschleim statt Müsliriegel
Was man wenige Kilometer weiter in der Bundesrepublik "Joggen" nannte, war hier Laufsport mit einfachsten Mitteln. Ausgediente Sportschuhe von der NVA, Haferschleim und Schmalzbrote statt Müsliriegel und Elektrolyte trieben die Hobbyläufer voran. Aus einer Handvoll Teilnehmer wurden schnell tausend, Tendenz steigend. Es sollen sogar Teilnehmer aus Westdeutschland auf den limitierten Startkarten gelaufen sein. Der Rennsteiglauf überlebte die politische Wende und gehört bis heute zu den beliebtesten Landschaftsläufen Europas. Rund 16.000 Teilnehmern zählt der GutsMuths-Rennsteiglauf im Normalfall. 2020 musste er wegen der Corona-Pandemie ausfallen.
Im vergangenen Jahr hatten wir konsequent entschieden den Lauf nicht in den Herbst zu verschieben, um Laufveranstaltungen welche traditionell dann stattfinden keine Konkurrenz zu machen.
Dirk Ellinger | Vorsitzender des Aufsichtsrats
Damit der 48. Rennsteiglauf 2021 stattfinden kann, wurde er in den Oktober verschoben und über zwei Tage geplant. Statt frisch ergrünter Bäume sehen die Läufer dann bunt gefärbte Wälder.