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Das Hinspiel Bayern München gegen Dynamo Dresden 1973Das deutsch-deutsche Fußballduell auf internationaler Bühne

18. November 2021, 13:43 Uhr

Europapokal der Landesmeister, Spielzeit 1973/74: Im Münchner Olympiastadion stehen sich am 24. Oktober 1973 erstmals seit dem Bau der Mauer zwei deutsche Mannschaften - Bayern München und Dynamo Dresden - im Hinspiel gegenüber.

Als am 24. Oktober 1973 zum Achtelfinale des Europapokals angepfiffen wird, kommt es das erste Mal seit dem Mauerbau zu einem direkten Duell zwischen den beiden deutschen Staaten auf der internationalen Fußballbühne. Und nicht nur das: Es stehen sich auch zwei deutsche Meister gegenüber. In der Vorsaison waren die SG Dynamo Dresden DDR-Meister und der FC Bayern München Deutscher Meister geworden. Nun, im Achtelfinale, steht auch Fußballer Reinhard Häfner für Dynamo Dresden auf dem Rasen. Zuversichtlich blickt er damals dem Spiel entgegen.

Die Bayern waren Favorit. Aber wir wollten natürlich unsere Chance nutzen. Und mit dem Sieg gegen Juventus Turin war unser Selbstvertrauen auch gewachsen.

Reinhard Häfner, 1973 Spieler bei Dynamo Dresden

Deutsch-deutscher Spitzenfußball

Die Bayern sind hochkarätig besetzt, unter anderem mit Uli Hoeneß, Franz Beckenbauer und Gerd Müller. Doch auch die Dresdner Kicker zeigen sich international konkurrenzfähig und hatten zuvor in der ersten Runde des Europapokals überraschend die starke Mannschaft von Juventus Turin ausgeschaltet. Das Los danach ergibt eine deutsch-deutsche Partie - vor allem für die Fans in der DDR ein ganz besonderes Duell, denn die Bayern haben auch jenseits der Mauer viele begeisterte Anhänger.

Wenn Sport zum Politikum wird

Das Duell der beiden deutschen Meister ist nicht nur sportlich spannend, sondern vor allem ein Politikum. Die DDR-Führung will den Erfolg gegen das kapitalistische Ausland.

Und dann kam der Parteisekretär und da ging's los: 'Ihr wisst ja, Jungs, gegen die Bayern müssen wir unbedingt gewinnen und das ist ja noch wichtiger, für die friedliche Koexistenz.' Und so weiter - das ging hier rein und da raus.

Reinhard Häfner, 1973 Spieler bei Dynamo Dresden

Doch im Ministerium für Staatssicherheit der DDR nimmt man die deutsch-deutsche Rasenschlacht bitter ernst. Die "Aktion Vorstoß", so der Codename der Stasi, soll alles verhindern, was der Sicherheit und dem Ansehen der DDR gefährlich werden könnte. Hunderte Mitarbeiter sind im Einsatz, kontrollieren Spieler, Betreuer und Fans, überwachen Post und Kartenverkauf für das Rückspiel in Dresden. In der Mannschaft selbst sollen fünf Inoffizielle Mitarbeiter sicherstellen, das die Sportler keinen Kontakt mit Bürgern oder gar Journalisten aus der BRD haben. Vor allem aber sollen sie eine Flucht der Sportler mit allen Mitteln verhindern. Doch so ganz geht die Strategie der Funktionäre nicht auf. Auch Reinhard Häfner hält sich nicht an alle Regeln.

Wenn mich ein Journalist nach unseren Chancen im Spiel gefragt hat, hab' ich so geantwortet, wie ich denke. Ich wäre mir ja blöd vorgekommen, wenn ich auf unsere Chancen jedes Mal gesagt hätte: 'Bitte fragen Sie unsere Vereinsführung.' Aber offiziell gab es diese Regel.

Reinhard Häfner, 1973 Spieler bei Dynamo Dresden

Die etwas anderen Fans

Neben der Überwachung der Spieler organisiert die Stasi auch die Anreise einer Dresdner Fandelegation. Mit zwei Sonderzügen werden 1.000 handverlesene, politisch zuverlässige DDR-Bürger nach München geschickt - am veränderten Fanverhalten merken auch die Dynamo-Spieler recht schnell den feinen Unterschied.

Schon wie diese angeblichen Fußballfans die Fahnen geschwenkt haben, da haben wir gemerkt: Das sind keine echten Fans. Ich kannte ja die Dynamo-Fans mit den großen Fahnen und auch die Sprechchöre und Gesänge.

Reinhard Häfner, Reinhard Häfner, 1973 Spieler bei Dynamo Dresden

Hart gekämpft - und doch verloren

Auch ohne echte Fans schlagen sich die Dresdner bei den Bayern bravourös. Zur Pause führen sie mit 3:2 gegen die westdeutschen Fußballstars, sehen den Sieg schon vor Augen. Doch in der zweiten Halbzeit lassen die Kräfte nach und die Bayern können ausgleichen. Kurz vor Schluss gelingt Gerd Müller sogar noch der Siegtreffer - ein schmerzhaftes Tor für die Dynamo-Spieler.

Das 4:3 tat schon weh, weil wir über weite Strecken mindestens gleichwertig waren. Aber wir haben uns gesagt: 'Das ist aufzuholen!' Und haben uns große Hoffnungen auf das Rückspiel gemacht.

Reinhard Häfner, 1973 Spieler bei Dynamo Dresden

Den Dynamo-Spielern ist eine Überraschung gelungen. Und während sich Spieler und Fans schon auf das Rückspiel freuen, beginnt bei der Staatssicherheit bereits Phase 2 der "Aktion Vorstoß", denn nur zwei Wochen später soll es in Dresden um Alles oder Nichts gehen.

BuchtippPleil, Ingolf: "Mielke, Macht und Meisterschaft: Dynamo Dresden im Visier der Stasi",
304 Seiten,
Berlin: Ch. Links Verlag, 2. Auflage 2013,
ISBN: 978-3-86153-756-4,
Preis: 16,90 Euro.