DDR-Stürmer Jürgen Sparwasser (M) von der jubelt am 22.06.1974 im Hamburger Volksparkstadion nach seinem Treffer zum 1:0 gegen die Bundesrepublik Deutschland mit erhobenen Armen, der geschlagene westdeutsche Torhüter Sepp Maier (l) und Verteidiger Berti Vogts (r) sind konsterniert.
Jürgen Sparwasser jubelt über sein Tor zum 1:0 gegen die Bundesrepublik Bildrechte: Verfügbar für Kunden mit Rechnungsadresse in Deutschland. | ANP

Fußball-Weltmeisterschaft im Kalten Krieg Fußball-WM 1974: Die DDR schlägt die Bundesrepublik

21. Juni 2021, 13:53 Uhr

Als die beiden deutschen Mannschaften am 22. Juni 1974 in einem Weltmeisterschafts-Vorrundenspiel aufeinandertrafen, war die Favoritenrolle klar geregelt. Doch zunächst lief die WM für den Außenseiter DDR wirklich gut und sie gewann sogar die deutsch-deutsche Begegnung durch ein Tor von Jürgen Sparwasser mit 1:0. Am Ende aber wurde die Bundesrepublik zum zweiten Mal Weltmeister.

Es war ein Samstag, dieser 22. Juni 1974. Im ausverkauften Hamburger Volksparkstadion sollte am Abend die Partie zwischen den Nationalmannschaften der Bundesrepublik und der DDR angepfiffen werden. Die Männer von Helmut Schön - dem gebürtigen Dresdner - waren als Europameister 1972 klar favorisiert. Namen wie Beckenbauer, Maier, Overath, Netzer oder Heynckes waren auch im Fußball-Osten wesentlich bekannter als im Westen die Namen wie Croy, Sparwasser, Lauck oder Bransch. Der Hallenser Bernd Bransch war es gewesen, der im September 1973 im Qualifikations-Heimspiel im Leipziger Zentralstadion der DDR mit zwei herrlichen Freistößen gegen Rumänien den Sieg bescherte und damit erstmals die Tür zu einer WM-Endrunde aufstieß. Das letzte Gruppenspiel wurde dann in Tirana 4:1 gegen Albanien gewonnen. Freude und Erleichterung waren bei den DDR-Funktionären riesengroß.

DDR kämpfte sich in Runde zwei

Die Weltmeisterschaft auf westdeutschem Boden verlief für den WM-Neuling zunächst glänzend. Gegen Chile gab es ein 1:1, gegen Australien wurde 2:0 gewonnen. Da sich vor dem Spiel in Hamburg Australien und Chile in Westberlin unentschieden 0:0 getrennt hatten, bedeutete das schon die vorzeitige Qualifikation für die zweite Finalrunde. Dieses Spiel der Mannschaft von Trainer Georg Buschner wurde von der DDR-Führung zum großen Politikum aufgebauscht. Handverlesene und zumeist linientreue "Fans" wurden mit einem Sonderzug nach Hamburg geschickt. Georg Buschner äußerte 20 Jahre später in einem MDR-Interview Zweifel, ob überhaupt echte Fußballfans in dieser Reisegruppe nach Hamburg gekommen waren.

"Sieg gegen den Klassenfeind"

Das Spiel wurde zunächst von Beckenbauer und Co. dominiert, die DDR-Mannschaft hielt aber - wohl wissend, dass sie die nächste Runde bereits erreicht hatte - diszipliniert dagegen. Überdies hatte der Zwickauer Torwart Jürgen Croy einige Male Glück. Vor allem der sogenannte "Bomber der Nation", Gerd Müller von den Münchner Bayern, traf das Gehäuse nicht. Dann kam die mittlerweile legendäre 78. Minute. Abwurf von Jürgen Croy, der Ball kam zum Berliner Lauck, der wiederum sah den Magdeburger Sparwasser starten. Der Pass auf "Spari" kam zentimetergenau. Sparwasser nahm den Ball auf, ging an Beckenbauer, Höttges und Vogts vorbei und ließ Torwart Sepp Maier keine Chance. Später wurde noch Günter Netzer eingewechselt, aber der Einsatz des langhaarigen Blonden aus Mönchengladbach brachte dem bundesdeutschen Team auch nichts mehr. Die DDR gewann 1:0 und sorgte damit für die große Sensation dieser Weltmeisterschaft. Im DDR-Mannschafts-Hotel in Quickborn wurde ausgiebig gefeiert, Mannschaftsleiter Willy Boldt nahm stark angetrunken ein unfreiwilliges Bad in einem See, die "Fans" wurden wieder nach Hause gefahren und die Ostberliner Funktionäre feierten den Erfolg als "Sieg gegen den Klassenfeind".

Die heilsame Wirkung einer Niederlage

Beim Favoriten begann das große Nachdenken. Die Zeitungen kritisierten massiv Mannschaft und Bundestrainer Helmut Schön. Schuldzuweisungen gab es reichlich, bis Franz Beckenbauer lautstark "auf den Tisch klopfte": Eine andere Mannschaft mit einer anderen Einstellung käme zum ersten Spiel in Runde zwei auf den Platz. Und genau so war es auch. Während sich die DDR trotz des 1:0-Sieges gegen den späteren Weltmeister Bundesrepublik für die weitaus schwerere Gruppe mit Titelverteidiger Brasilien, Argentinien und dem späteren Finalisten Holland qualifizierte hatte, mussten die Gastgeber "nur" gegen Jugoslawien (2:0), Schweden (4:2) und Polen antreten. In der "Wasserschlacht von Frankfurt" erzielte Gerd Müller das entscheidende Tor gegen die allerdings stark aufspielenden Polen. Im WM-Finale wurde schließlich Holland nach 0:1-Rückstand durch Tore von Paul Breitner und Gerd Müller 2:1 geschlagen.

Georg Buschner 2 min
Bildrechte: DRA

Einzige WM-Teilnahme für die DDR

Die DDR hatte in ihrer Gruppe immerhin noch ein Unentschieden gegen Argentinien erzielt, aber gegen Brasilien und Holland verloren und war als Gruppendritter aus der WM ausgeschieden. Die Bundesrepublik wurde zum zweiten Mal nach 1954, dem Wunder von Bern, Weltmeister. Für die DDR blieb es die einzige Teilnahme an einer Weltmeisterschaft.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Aktuell - Spätausgabe | 17. Juni 2021 | 21:45 Uhr