Porträt Eberhard Riedel Ski Alpin am Fichtelberg

15. März 2011, 10:07 Uhr

Eberhard Riedel galt als das größte Talent der DDR im alpinen Skisport. Doch 1969 wurde die Förderung dieses Sports eingestellt. Es war das Ende einer Karriere, die verheißungsvoll begonnen hatte.

1961 fuhr Eberhard Riedel im schweizerischen Adelboden das Rennen seines Lebens: Im Riesenslalom auf der damals gefährlichsten Piste der Welt ließ er die Spitzenfahrer aus den Alpenländern Österreich, Italien und der Schweiz um Längen hinter sich. "Schussfahrt zur Weltspitze" hieß es am nächsten Tag in der internationalen Sportpresse: "Mit 60 Sachen raste Eberhard Riedel auf dem 2,2 Kilometer langen Riesenslalom-Kurs von Adelboden dem Sieg entgegen. Sein erster Platz war eine Sensation!"

Der damals 23-jährige Oberwiesenthaler galt seit diesem Sieg als "das Wunder vom Fichtelberg." Denn so erinnert Eberhard Riedel sich heute: "Man hatte immer geglaubt, dass ein Mittelgebirgler solche Abfahrten gar nicht durchstehen würde."

Man hatte immer geglaubt, dass ein Mittelgebirgler solche Abfahrten gar nicht durchstehen würde.

Eberhard Riedel, das "Wunder vom Fichtelberg"

Das Trainingsgelände des 1938 im erzgebirgischen Lauter geborenen Eberhard Riedel war tatsächlich der Fichtelberg, eine mittelprächtige Erhebung, die man nicht mit den Abfahrten in den Alpen vergleichen konnte, auf denen die Elite des alpinen Skisports trainierte. Hier hatte der neunjährige Riedel auch seine ersten Rennen bestritten, im Trikot von "Traktor Oberwiesenthal". Zehn Jahre später begann dann seine Karriere in der DDR-Nationalmannschaft. Riedel, der elfmal in Folge die Ski alpinen Landesmeisterschaften gewann und bei den Olympischen Spielen in Squaw Valley 1960 und in Innsbruck 1964 jeweils unter die ersten 20 fuhr, galt als große Hoffnung der DDR im alpinen Skisport, dessen Stunde in Grenoble endlich schlagen sollte.

Ski alpin soll eingestellt werden

Vier Wochen vor den Olympischen Winterspielen 1968 in Grenoble erreichte Eberhard Riedel jedoch eine niederschmetternde Nachricht von den Funktionären des "Deutschen Turn- und Sportbundes" (DTSB): Der alpine Skisport solle in der DDR nicht weiter gefördert werden wegen zu hoher Kosten und "Unrentabilität". Gemunkelt wurde allerdings, dass eher die Kommerzialisierung des alpinen Skisports im Westen die Entscheidung beeinflusst hat. Sogenannte "Profis" passten nicht recht ins Bild des sozialistischen Sports mit seinen angeblichen "Amateuren". Riedel bekam sofort die Auswirkungen der neuen Direktive zu spüren: "Wir mussten die Sprechfunkgeräte abgeben, über die wir uns immer verständigten, wie die Streckenverhältnisse sind. Jetzt stand ich oben am Start und hatte keine Informationen, wie unten die Verhältnisse sind."

"Die größte Niederlage meines Lebens"

Die Olympischen Winterspiele in Grenoble hatten der "Glanzpunkt" seiner Karriere werden sollen, zumal es die ersten Spiele waren, bei der die DDR mit einer eigenen Mannschaft einlaufen durfte. Doch dann, so Riedel, wurde es "die größte Niederlage meines Lebens": Er stürzte beim Riesenslalom, seiner Paradedisziplin. Und obgleich er sich schnell wieder aufrappelte, reichte es am Ende nur für eine Platzierung im hinteren Drittel des Klassements. Über diese "Niederlage" konnte ihn auch ein achtbarer 13. Rang im "Spezialslalom" nicht hinwegtrösten.

Sportarten werden "ausgemustert"

1969 verabschiedete der DTSB einen sogenannten "Leistungsbeschluss". Das Zauberwort hieß nun "Konzentration". Die Auswertung der Olympischen Spiele 1968 hatte nämlich ergeben, dass die DDR nicht über die ökonomischen Ressourcen verfügte, um sämtliche olympischen Sportarten so zu fördern, dass sich Gold gewinnen ließe. Und nur darum ging es schließlich den Sportfunktionären. Um die finanziellen und organisatorischen Kräfte zu bündeln, wurden nun einige Sportarten von der Förderung ausgeschlossen, darunter Eishockey, Wasserball, Tennis, Moderner Fünfkampf, Basketball und Hockey. Betroffen war, wie bereits ein Jahr zuvor angekündigt, auch der alpine Skisport. Für diese Sportart, so hieß es nun in dem Beschluss, verfüge die DDR nicht über die notwendigen geografischen Voraussetzungen. Die Nationalmannschaft wurde aufgelöst und Eberhard Riedel musste seinen Reisepass abgeben: "Wahrscheinlich, damit ich das Land nicht verlasse."

Ulbrichts Skilehrer wird Fußballtrainer

Doch daran hatte Riedel keinen Augenblick gedacht, obgleich er seine Karriere im Westen ohne Weiteres hätte fortsetzen können: "Ich hatte meine Familie hier. Und wir sind alle Erzgebirger!" Eberhard Riedel, der einst SED-Chef Walter Ulbricht das Skifahren beigebracht hatte und von 1963 bis 1967 Abgeordneter der Volkskammer war, beendete 1969 seine Karriere. Er wurde Fußballtrainer beim DDR-Oberligisten Wismut Aue. 2005 wurde ihm eine besondere Ehre zuteil: Er durfte sich mit seinem Fußabdruck auf dem "Place of Fame" von Adelboden verewigen – einer "Galerie" der berühmtesten Skifahrer aller Zeiten.

In der DDR haben Riesenslalom und Abfahrtslauf seit 1969 tatsächlich keine Rolle mehr gespielt. Siege und Medaillen wurden fortan in anderen Sportarten eingefahren.

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Eulenspiegel-Verlag Berlin
ISBN 978-3-355-01759-6

(zuerst veröffentlicht am 27.01.2010)