Interview mit DDR-Radsport-Star Uwe Ampler Auf Carbon zu Olympia-Gold

21. Juli 2017, 16:45 Uhr

Er gehörte in den 1980er-Jahren zur Radsport-Weltspitze: DDR-Star Uwe Ampler. Er gewann Gold bei Olympia und drei Mal in Folge die Friedensfahrt, ein einmaliger Hattrick. Auch von der Tour de France kann er hautnah berichten.

Was war das Besondere an der Internationalen Friedensfahrt?

Die Friedensfahrt war damals das bedeutendste Amateurrennen, eben wie die Tour de France bei den Profis. Es gab drei Etappen in drei Ländern. Ich erinnere mich noch genau an die Begeisterung der Menschen in den verschiedenen Städten, vor allem bei der Zieleinfahrt. Von den einzelnen Ländern haben wir aber nicht viel mitbekommen. Der Sport stand im Vordergrund. Aber noch heute sind mir die Hauptstädte Warschau und Prag in guter Erinnerung. Vor allem in Tschechien war ich gerne, weil es da so gutes Bier gab.

Sie waren auch bei der Friedensfahrt 1986 ab Kiew mit dabei, kurz nach dem Reaktor-Unglück von Tschernobyl. Wie haben Sie das damals erlebt?

Das Rennen war etwa 100 Kilometer von Tschernobyl entfernt. Uns wurde damals gesagt, dass es keine Probleme gebe und die Sache nicht dramatisch sei. Natürlich hatten wir gehört, dass da etwas in die Luft gegangen ist. Aber die Infos, die wir bekommen haben, waren minimal. Und ich wusste damals nicht, was es überhaupt bedeutet, wenn ein Atomkraftwerk oder ein Reaktor hochgeht.

Misstrauisch wurden wir erst, als viele westliche Länder ihre Teilnahme absagten. Von den 120 Teilnehmern waren auf einmal nur noch etwa 50 am Start. Aber für uns war die Friedensfahrt natürlich der jährliche Sport-Höhepunkt. Da gab es keine Diskussion. Erst viele Jahre später wurde mir das Ausmaß der ganzen Sache bewusst.

Was hat den Rad-Rennsport in der DDR ausgemacht?

Wenn man damals in der DDR für die Nationalmannschaft gefahren ist und Auslandseinsätze hatte, gab es das Material vom Deutschen Turn- und Sportbund (DTSB). Das waren top Fabrikate, Weltmaßstab. Das meiste kam aus dem Westen. Wenn du vorne mitfahren willst, dann kannst du ja auch nicht mit einem Fahrrad fahren, das fünf Kilo schwerer ist als das der anderen.

Als wir zum Beispiel bei Olympia 1988 Gold holten, waren wir eines der ersten Teams weltweit, das Carbon-Räder hatte. Die waren besonders leicht und steif, sodass nicht so viel Kraft verloren ging. Sowas hatte nicht einmal das westdeutsche Team. Es wurde da schon alles unternommen, um das Optimale rauszuholen und Vorteile zu haben.

Haben Sie eigentlich Geld oder Prämien vom Sportbund bekommen?

In der DDR waren wir alle keine Profis, also gab es auch kein Geld. Neben dem Sport haben wir noch eine Ausbildung oder einen Beruf gehabt. Prämien gab es nur dann, wenn man bei den großen Wettkämpfen Podiumsplätze erreicht hat. Das war aber nicht mit dem Weltmaßstab zu vergleichen. Für einen Sieg bei der Friedensfahrt gab es zum Beispiel 6.000 Mark.

Der eigentliche Preis für den Einzelsieger der Friedensfahrt war ein Auto. Das war je nach Zielort ein anderes: in Tschechien ein Skoda, in Polen ein Fiat, in der DDR ein Wartburg. Als ich zum Beispiel 1988 gewonnen habe, bekam ich einen Wartburg. Damit bin ich dann auch eine Proberunde in der Stadt gefahren. Den Schlüssel musste ich danach aber wieder abgeben. Das Auto wurde vom DTSB eingezogen und als Geschäftswagen benutzt. Aber, dass es so kommen wird, wusste ich ja schon von den Vorjahresgewinnern. Das war nichts Neues, damit mussten wir klarkommen. Der Wert eines solchen Wartburgs war für die DDR-Führung einfach ein zu großer Preis. Also hat man im Gegenzug 6.000 Mark bekommen – auf dem Schwarzmakt wäre der Wartburg allerdings 30.000 Mark wert gewesen.

Internationale Friedensfahrt 1948 gab es die erste Internationale Friedensfahrt. Damals ging es von Warschau nach Prag. Seit 1952 war auch Berlin – die Hauptstadt der DDR – dabei. Es war das größte und bedeutendste Amateur-Radrennen der Welt. Nach der Friedlichen Revolution 1989 verlor die Friedensfahrt an Bedeutung. 2006 war nach insgesamt 58 internationalen Fahrten endgültig Schluss.

Anfang der 90er sind Sie bei der Tour de France für das Team Telekom gefahren. Was waren die Unterschiede zur Friedensfahrt?

Bei der Tour de France war die Leistungsdichte einfach größer. Hingegen sind bei der Friedensfahrt immer nur die Polen, Tschechen, Russen und wir um den Sieg gefahren. Es waren also immer die gleichen 20 führenden Fahrer, die um Platzierungen gekämpft haben. Und bei der Tour de France mit 200 Profis sah das natürlich ganz anders aus. Da waren schon mehr dabei, die einzelne Etappen oder eine Tour gewinnen konnten.

Doping und Radsport ist ein großes Thema – gerade jetzt, wo die Tour de France wieder losgeht. Wie stehen Sie dazu?

1999 wurde ich positiv getestet, habe aber vorher nicht bewusst etwas genommen. Ich hatte eine Grippe und stand als Kapitän der Mannschaft unter Leistungsdruck. Da wurden mir Aufbaupräparate gegeben. Und mir wurde gesagt, dass da nichts Verbotenes drin ist. Darum habe ich die Präparate auch nicht hinterfragt. Aber: Doping muss in jeder Sportart thematisiert werden. Oft steht der Radsport im Fokus, was sehr schade ist. Selber wäre ich heute viel achtsamer und misstrauischer bei der Einnahme von Präparaten.

Uwe Ampler wurde 1964 in Zerbst im heutigen Sachsen-Anhalt geboren. Wie Vater Klaus, der 1963 die Friedensfaht gewonnen hatte, stieg auch Sohn Uwe aufs Rennrad und wurde in der zweiten Hälfte der 1980er zu einem der besten Amateure der Welt im Straßenradsport. 1986 wurde Ampler Straßenweltmeister, 1988 holte er Olympiagold mit dem Straßenvierer der DDR und landete den einzigen Hattrick bei der Internationalen Friedensfahrt: 1987, 1988, 1989. Nach dem Ende der DDR wurde er Profi-Fahrer, u.a. beim Team Telekom, und nahm dreimal an der Tour de France teil. 1998 gewann er noch einmal die Friedensfahrt. Nach einer sechsmonatigen Dopingsperre beendete er 2000 seine aktive Karriere. Heute arbeitet er als Personal Trainer.

Über dieses Thema berichtet der MDR auch im TV: Riverboat | 30.06.2017 | 22:00 Uhr