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Hermann Flade wegen Boykotthetze verurteilt

14. Februar 2005, 16:48 Uhr

Am 20. Januar 1951 wurde am Dresdner Landgericht in einem Aufsehen erregenden politischen Prozess das Urteil gesprochen. Der angeklagte 19jährige Oberschüler Hermann Josef Flade wurde der Boykotthetze und des versuchten Mordes für schuldig befunden. Er hatte Ende 1950 mit selbst hergestellten Flugblättern gegen die undemokratische Wahlpraxis im SED-Staat protestiert. Bei der Verteilung der Flugblätter war Flade von Volkspolizisten überrascht worden und verletzte im Handgemenge einen von ihnen mit einem Messer. Die Dresdner Richter verurteilten Hermann Josef Flade zum Tode.

Grundlage dieses Urteils war, wie in vielen anderen politischen Prozessen, der Artikel 6 der DDR-Verfassung von 1949: "Boykotthetze gegen demokratische Einrichtungen und Organisationen [...] sind Verbrechen im Sinne des Strafgesetzbuches. Ausübung der demokratischen Rechte im Sinne der Verfassung ist keine Boykotthetze." Obwohl rechtlich nicht als Straftatbestand ausgestaltet, erklärte das Oberste Gericht der DDR den Artikel 6 zum unmittelbar anzuwendenden Strafgesetz. Das Fehlen einer genauen Definition der "Boykotthetze" sowie das Offenlassen des Strafrahmens erlaubten der Justiz, jedes abweichende politische Verhalten mit schwersten Strafen zu ahnden.

Der Fall Flade war nur einer unter einer Vielzahl politischer Verfahren, die Anfang der 50er Jahre vor allem gegen junge Oppositionelle geführt wurden. Am 3. Oktober 1951 verurteilte das Zwickauer Landgericht 19 Werdauer Schüler zu Zuchthausstrafen zwischen zwei und 15 Jahren, nachdem sie gegen Volkskammerwahl und das Urteil gegen Hermann Flade protestiert hatten. Ihre Flugblattaktion blieb jedoch wirkungslos. Das Todesurteil gegen Flade wurde in eine 15jährige Freiheitsstrafe umgewandelt, nachdem die Flucht seines Rechtsanwaltes internationale Empörung ausgelöst hatte.