Sibirien 1986 Als das Trassen-Projekt der DDR beinahe platzte

31. Januar 2022, 16:57 Uhr

In Barda stand 1986 der gesamte Trassenbau auf der Kippe: "Wenn ihr den Plan nicht schafft, fliegt ihr raus", drohte die UdSSR der DDR unverhohlen.

Offiziell galten die beiden Erdgas-Trassenprojekte in den 70er- und 80er-Jahren als Ausdruck der "unverbrüchlichen Freundschaft zwischen der DDR und der UdSSR", die "einen Schritt ins nächste Jahrtausend" darstellen sollten. Für die UdSSR hatte der Trassenbau allerdings weniger mit Freundschaft denn mit ökonomischen Interessen zu tun, denn der größte Teil des Erdgases sollte durch die neuen Trassen in den Westen fließen. Gas gegen Devisen, lautete der einfache Deal. Davon freilich stand nichts im "Neuen Deutschland" und der "Prawda". Eben so wenig wie von den mitunter ultimativen Forderungen, die die UdSSR an die DDR und die anderen am Trassenbau beteiligten Länder richtete.

Die gesamte Trasse steht auf der Kippe

Bauabschnitt Barda, Permer Gebiet, Sibirien, Anfang 1986. Die DDR-Trassenbauer können die von der UdSSR vorgegebenen Planziele nicht halten. Die Gegend ist schwierig, sumpfiges Gelände, zudem Flüsse, die überwunden werden müssen, und es geht nicht wie geplant voran. Die UdSSR aber lässt nicht mit sich verhandeln, eine Terminverzögerung steht für sie überhaupt nicht zur Debatte. Ganz im Gegenteil. Der mächtige Bruder droht den Genossen in Ost-Berlin unverhohlen: Wenn der Plan nicht erfüllt wird, kündigen wir das Regierungsabkommen und beenden die Zusammenarbeit. Stattdessen würde man den Franzosen oder Kanadiern anbieten, die Erdgastrasse weiterzubauen. Das rigide Vorgehen der UdSSR hat einen einfachen Grund: Sie hat bereits Erdgas-Lieferverträge mit dem Westen geschlossen und braucht dringend Devisen. Die DDR ihrerseits das Gas aus Sibirien ...

Die "Schlacht um Barda“

Ein gewaltiger Kraftakt beginnt jetzt. Die "Trassniks" sprechen von der "Schlacht um Barda". Der Trassenchef Joachim Reinsch befiehlt: "Leute, Marsch, der Plan muss unbedingt gehalten werden!" Reinsch zieht alle Reserven an Material und zusätzliche Arbeitskräfte zusammen. Statt 500 Arbeitern schuften von nun an mehr als 3.000 im Abschnitt Barda. Gearbeitet wird rund um die Uhr in zwei Schichten, bei jedem Wetter. "Für alle war das extreme Knochenarbeit", erinnert sich Reinsch, "es wurde malocht bis zur totalen Erschöpfung." Die Atmosphäre im Barackenlager ist angespannt: Die Betten sind über Monate doppelt und dreifach belegt wie auf einem U-Boot – einer raus, der andere rein, die Plätze in der Kantine reichen nie aus. Einige Arbeiter drehen durch - sie bekommen den gefürchteten "Trassenkoller".

Der Plan ist erfüllt!

Endlich, ein dreiviertel Jahr später, im Dezember 1986, kann der Trassenchef vermelden: Der Plan ist erfüllt! Den Genossen in Berlin fällt ein Stein vom Herzen: Die Erdgastrasse ist gerettet. Und Joachim Reinsch kommt heute noch ins Schwärmen, wenn er an die Einsatzbereitschaft seiner Leute bei der "Schlacht um Barda" denkt: "Selbst die, die in den DDR-Betrieben eher zu den Fauleren gehörten, zogen damals voll mit."