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Thema: Das Erbe der KombinateWie "Fit" das Ende der DDR überlebte

18. Mai 2010, 11:26 Uhr

"Fit" war in der DDR das Spülmittel schlechthin. Es war ebenso bekannt wie der "Rotkäppchen"-Sekt oder das Waschmittel "Spee". 1990 aber stand "Fit" vor dem Aus - und überlebte trotzdem.

1990 wollte sich der 38-jährige Chemiker Dr. Wolfgang Groß, Leiter der Forschungsabteilung bei "Procter & Gamble" in Mannheim, endlich seinen Traum von einem eigenen kleinen Betrieb erfüllen. Und die Chancen dafür waren nie besser gewesen: Tausende Betriebe standen im Osten zum Verkauf und warteten auf Investoren. Groß machte sich frohgemut auf den Weg. Er besuchte "Domol" in Stadtilm, "Klarofix" in Leipzig und den "VEB Feinwaschmittel" in Dresden. Doch es war alles nicht das rechte. Endlich, 1992, stieß er in Hirschfelde bei Zittau, im hintersten Winkel Deutschlands, auf einen kleinen Betrieb mit dem putzigen Namen "Fit". Und Groß wusste augenblicklich, das ist es: "Ich war sofort begeistert von der schönen Fabrik."

Das DDR-Spülmittel schlechthin

In der DDR war "Fit" das Geschirrspülmittel schlechthin gewesen. Es fehlte in keinem Haushalt und mit ihm wurden nicht nur Teller und Töpfe geputzt, sondern auch Autos poliert und Zimmerpflanzen gereinigt. Es gehörte einfach dazu und war ebenso bekannt wie die Sektmarke
"Rotkäppchen, das Waschmittel "Spee" oder das Bier aus Radeberg.

Das Geschirrspülmittel "Fit" hatten Chemiker des "VEB Fettchemie Karl-Marx-Stadt" 1954 erfunden. Hergestellt wurde es ab 1967 von 500 Beschäftigten in Hirschfelde bei Zittau in einem eigenständigen Betrieb. 1984 fasste der Ministerrat der DDR jedoch den Beschluss, dass die Kombinate auch dringend benötigte Konsumgüter herzustellen hätten. Und so wurde "Fit" dem Kombinat "VEB Leuna-Werke Walter Ulbricht" zugeschlagen, das auf diese Art den Ministerratsbeschluss erfüllt hatte. Bis 1992 gehörte "Fit" zum Leuna-Werk.

Nach der Wende droht das Aus

In den ersten Jahren nach der Wende bevorzugten die Ostdeutschen erst einmal die Konkurrenzprodukte aus dem Westen. Der Absatz des legendären Spülmittels fiel ins Bodenlose: Wurden 1989 noch 55.000 Tonnen "Fit" produziert, so waren es 1991 nur noch müde 9.000 Tonnen. Dem von der Treuhand verwalteten Betrieb drohte das Aus. Die Belegschaft war schon drastisch reduziert worden: Nur 60 Mitarbeiter waren noch bei "Fit" beschäftigt.

Zwar gaben sich alle namhaften Konzerne - "Henkel", "Procter & Gamble", "Unilever" und "Colgate & Palmolive" - zu dieser Zeit in Hirschfelde die Klinke in die Hand – doch die verbliebenen "Fit"-Mitarbeiter hatten den Eindruck, dass alle nur an der Marke interessiert waren. Die Konzern-Vertreter reisten jedenfalls schnell wieder ab und die "Fit"-Leute verloren allmählich ihre Hoffnung auf ein Weiterbestehen ihres Betriebs.

Die Stunde des "Herrn Niemand"

Als Wolfgang Groß 1992 in Hirschfelde anrief und um einen Besichtigungstermin bat, sagte ihm der Werksleiter müde, es seien schon so viele da gewesen und nichts hätte sich ergeben. Was soll das alles noch? Doch Groß machte sich trotzdem auf den weiten Weg in den äußersten Osten. Und da alle abgewinkt hatten, kam er, der "Herr Niemand" ohne Kapital, zum Zuge. Am 1. Januar 1993 übernahm Groß "Fit" von der "Treuhandanstalt" und war nun tatsächlich Besitzer eines kleinen Betriebes.

Jedoch die Banken hatten so ihre Bedenken. Sie glaubten nicht an "Fit" und daran, dass ein Privatmann auf dem heiß umkämpften Markt der Pflege- und Waschmittel gegen die internationale Konkurrenz bestehen würde. Einzig die "Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Sachsen" stellte Groß einen Kredit zur Verfügung. Und das war der Anfang einer rasanten Erfolgsstory. Binnen eines Jahrzehnts entwickelte sich die "Fit GmbH" zum führenden ostdeutschen Putzmittelhersteller, der mit seinen mittlerweile 20 verschiedenen Produkten auch im Westen präsent ist. Den Weg dorthin ebneten "Fit" aber vor allem die westdeutschen Traditionsmarken "Rei" und "Sanso", die Groß 2000 von seinem alten Arbeitgeber "Procter & Gamble" gekauft hatte.

Flasche ohne Henkel

Zwischen Erzgebirge und Ostsee ist "Fit" mit 40 Prozent Marktanteil heute wieder unangefochtener Marktführer. Und die "Fit"- Flasche sieht auch immer noch so aus wie früher: Eine henkellose 500 Milliliter-Flasche, die dem "Roten Turm" in Chemnitz nachempfunden ist. "Mit dieser Flasche werdet ihr nie gelistet", hatte 1992 der Vertreter einer großen Supermarktkette orakelt. "Eine Flasche braucht einen Henkel!" Aber die "Fit"-Macher hörte glücklicherweise nicht auf ihn, sondern auf einen Schweizer Unternehmer, der ihnen bei einem Seminar riet: "Diese Flasche müsst ihr so behalten wie sie war. Nur damit könnt ihr überleben!"