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ErinnerungenVon der Fischereiflotte zur Fischbratwurst

24. März 2011, 15:08 Uhr

Am Mittellandkanal in Sachsen-Anhalt, direkt an einem See, betreibt Olaf Nestler ein Fischrestaurant. Und mit Fischen kennt er sich aus - ist er doch jahrelang als Hochseefischer der DDR-Flotte unterwegs gewesen.

Schon während der Schulzeit zieht es den in Magdeburg geborenen Olaf Nestler in die Ferne. Der Berufswunsch ist schnell klar, er will zur See fahren. Vielleicht ungewöhnlich für einen Jungen, der vom platten Land kommt und bisher nichts als die Börde kennt. Er bewirbt sich beim Fischkombinat in Sassnitz, und schon kann es los gehen mit der Matrosenlaufbahn. 1979 darf Nestler das erst Mal mit an Bord. Und bald schon ist er auf dem Schiff "das Mädchen für alles", muss sogar als Koch einspringen, obwohl er nie zuvor für eine ganze Mannschaft gekocht hat. Er behilft sich kurzerhand mit Mutters Kochbuch, das er mit auf die Reise genommen hat und verzehnfacht einfach die Mengenangaben. Dass er damit schon den Grundstein für seine spätere Karriere gelegt hat, ahnt der junge Matrose damals noch nicht.

Hobby wird zum Verhängnis

Ein weiteres Hobby wird Nestler jedoch an Bord zum Verhängnis. Er fotografiert leidenschaftlich gern und hält das Bordleben in zahlreichen Bildern fest. 1983 darf er dann das Fotolabor des Fischkombinats übernehmen und kommt auf eine vermeintlich gute Idee. Mit dem kombinatseigenen Equipment kopiert er nun Pin-up-Fotos aus dem "Playboy", die sich die Kollegen begeistert in den Spind hängen. Als die Bilder dem Politoffizier in die Hände fallen, ist Nestlers Karriere schlagartig vorbei. Er muss für zwei Tage ins Gefängnis und darf anschließend nie wieder zur See fahren.

Die Idee mit der Fischbratwurst

Danach versucht er sich ein paar Jahre im Bergbau, aber mit der Wende ist auch das vorbei. Nun besinnt sich Nestler auf seine zaghaften Versuche in der Gastronomie, verkauft an der A2 Brötchen, aus einem Trabant heraus, später ist es ein Wohnwagen, dann ein Kiosk. 1997 eröffnet der Gastronom gemeinsam mit seiner Frau das Fischrestaurant "Am Angelhaken" am Barleber See bei Magdeburg. Und wieder kommt ihm der Zufall zu Hilfe. Als in Zeiten von BSE die Geschäfte mit Fleischprodukten immer schlechter laufen, hat sein Fischrestaurant Hochkonjunktur. Um das Angebot zu erweitern, testet Nestler verschiedene Fischprodukte. Er erinnert sich, wie damals an Bord Fischbouletten hergestellt wurden, um länger mit dem Proviant auszukommen. Die Bouletten hatten zum Grillen allerdings nie die richtige Konsistenz. Also experimentiert Nestler ein wenig herum. Nach einigen Variationen in Rezeptur und Herstellung kann er 2001 die erste Fischbratwurst als Patent anmelden. Der Erfinder der Fischbratwurst wird eine regionale Berühmtheit.

Produktion eingestellt

Inzwischen sind die Zeiten für Nestler wieder schwieriger geworden. "Nach zehn Jahren ist nun leider die Luft raus", erzählt er. Die Fischbratwurst rentiere sich nicht mehr, sodass er die Produktion vor einem Jahr eingestellt hat. In seinem Restaurant bietet er weiterhin diverse Fischspezialitäten an und profitiert dabei vor allem von seinen Kenntnissen über alle Arten von Fisch, die er während seiner Zeit als Hochseefischer erworben hat. Und dass es nun nicht mehr das Meer ist, das sein Leben bestimmt, sondern der Barleber See, das bringen stürmische Zeiten eben so mit sich, meint Nestler.