Der Wartburg 311 – ein Traumauto aus der DDR

Statt nur Vorkriegsmodelle nachzubauen, wollten die Eisenacher Konstrukteure lieber etwas wirklich Neues, Attraktives entwerfen. Sie sahen sich selber im direkten Wettbewerb mit der westdeutschen Autoindustrie. So entwickelten sie den Wartburg 311, der ab 1955 in Produktion ging. Auffallend war das schöne Design, das auch im internationalen Wettbewerb bestehen konnte. Stolz hieß es 1955 in einem Werbespot: "Der volkseigene Wartburg wird auf dem internationalen Automarkt den Volkswagen endgültig überrunden."

Prominenter Wartburg-Liebhaber

Die schnittige Neukonstruktion aus Eisenach fand Liebhaber in Skandinavien, in den Benelux-Staaten, selbst in den USA. Was den Wagen auszeichnete, war neben dem Design auch der günstige Preis von 15.200 Mark der DDR. Auf dem heimischen Markt kam man damals relativ schnell an einen W311. Herbert Köfer, damals als junger Schauspieler am Beginn seiner Karriere, bestellte sich einen W311 als seinen ersten Wagen. 1957 wurde er geliefert, nach weniger als einem Jahr Wartezeit, wie er später selbst erzählt.

Herbert Köfer 3 min
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Oldtimer-Liebhaber Jens Hoffann ist stolz, denn er hat den Wartburg von Schauspieler-Legende Herbert Köfer erstanden. Und dann wird der erste Besitzer kurzerhand überrascht.

Di 18.08.2015 17:16Uhr 02:46 min

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Hauptproblem: zu wenig Blech

Schwieriger als in Eisenach war der Neubeginn am alten Automobilstandort Zwickau. Die Audi-Werke hatten im Unterschied zu Horch den Krieg zwar ohne größere Schäden überstanden, aber die Rote Armee demontierte große Teile der verbliebenen Produktionsanlagen. Mit dem Rest versuchten die Zwickauer Autowerker, alte Vorkriegsmodelle wieder aufzulegen oder weiterzuentwickeln. Auch hier hatte man aber nach Gründung der DDR zusätzliche Probleme durch das Embargo des Westens, insbesondere die damit ausbleibende Lieferung sogenannter "Tiefziehbleche", die für den Karosseriebau benötigt wurden. Wolfgang Bartel, 1951 in der Fabrikation tätig, erinnert sich: "Die Fahrzeuge standen auf dem Hof in den Audiwerken. 18 bis 20 Stück am Tag, und konnten nicht fertiggestellt werden, weil die Motorhauben nicht gemacht werden konnten, die waren aus Blech. Und auch die Kotflügel waren ja auch aus Blech."

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Auf Befehl des Ministerrats

Die Versorgungslage war in der DDR Anfang der 1950er-Jahre wesentlich angespannter als in der Bundesrepublik. Neben den bis Ende 1953 laufenden Reparationen an die Besatzungsmacht wirkte sich auch das Wirtschaftsembargo des Westens nachteilig auf den Neubeginn einer industriellen Produktion aus. Und damit auch auf die Versorgung der Bevölkerung. Die Reaktion der SED auf den Volksaufstand von 1953 brachte da eine gewisse Veränderung. Versorgungsmängel waren neben anderen Gründen wesentliche Ursache für die anhaltende Fluchtbewegung aus der DDR gen Westen. So wurde der Minister für Maschinenbau am 14. Januar 1954 vom Ministerrat angewiesen: "Um dem Mangel an Autos aus volkseigener Produktion abzuhelfen, soll ein Kleinwagen mit folgenden Eckdaten entwickelt werden:

  • Kleinwagen mit zwei Haupt- und zwei Nebensitzen
  • Gewicht des fahrfertigen Wagens maximal 600 kg
  • Kraftstoffverbrauch 5,5 Liter/100 km
  • Jahresproduktion 12.000 Stück
  • Preis 4.000 Mark ab Werk
  • Verwendung von Kunststoff für die Karosserie
  • Entwicklungszeit 18 Monate

Der Auftrag zur Entwicklung und Fertigung dieses neuen Autos, das in seiner Fahrzeugklasse etwa dem erfolgreichen westdeutschen Lloyd LP 600 entsprechen sollte, ging nach Zwickau, wo man zum Aufbau der Massenproduktion die vorhandenen Autowerke zum VEB Sachsenring Zwickau zusammenfasste. In mehrjähriger Arbeit entstand der legendäre Trabant, später auch liebevoll "Rennpappe" oder "Plastebomber" genannt.

Ein Auto aus Kunstharz und Baumwolle

Die Fertigung einer Karosserie aus Plastik galt als echte Innovation. Suchten doch viele Ingenieure weltweit nach günstigen Alternativen für den Einsatz von Stahl im Fahrzeugbau. Die Zwickauer Konstrukteure mischten Kunstharz mit grusinischer Baumwolle. So entstand Duroplast. Der Trabant ging 1958 in die Serienproduktion. Allerdings war der Verkaufspreis mit 7.650 Mark deutlich höher als vom Ministerrat ursprünglich vorgegeben. Und schon bald zeigte sich, dass die geplante Jahresproduktion mit der realen Nachfrage nicht Schritt halten konnte.

Die Entwicklung der Automobilindustrie in den 1960er- und 70er-Jahren wird im Artikel "Automarkt in der DDR: Der Mangel wird verwaltet" beleuchtet.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Zeitreise: Mobil im Sozialismus | 24. Mai 2020 | 22:20 Uhr