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Bildrechte: imago/Werner Schulze

Einführung ins ThemaLeben im Sperrgebiet und Zwangsaussiedlungen

21. August 2019, 11:59 Uhr

Die Thematik "Leben im Sperrgebiet und Zwangsaussiedlungen" kann nicht losgelöst von der deutsch-deutschen Entwicklung im Spannungsfeld zweier bipolarer Machtsysteme nach dem Ende des 2. Weltkrieges gesehen werden. Die ursprüngliche Verwaltungsgrenze zwischen Besatzungszonen und Sektoren wurde zu einer tödlichen Grenze ausgebaut, die Regionen, Dörfer, Familien trennte.

Für die Bevölkerung beidseits der Grenze bedeutete das gravierende und unmittelbare Einschnitte im Alltagsleben. Während sich auf der östlichen Seite die Errichtung des DDR-Grenzregimes mit ständiger Überwachung und dauernder Kontrolle stark reglementierend auf die Bevölkerung der Grenzgebiete auswirkte, unterstützte in der Bundesrepublik das Zonenrandfördergesetz für einen 40 Kilometer breiten Streifen entlang der Grenze die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung.

"Aktion Ungeziefer"

Die administrativen Maßnahmen des Ministerrates der DDR wie die "Verordnung über Maßnahmen an der Demarkationslinie zwischen der DDR und den westlichen Besatzungszonen Deutschlands" vom 26.05.1952 zeigen die enge Verbindung zum Ministerium für Staatssicherheit. Dessen Minister, Wilhelm Zaisser, erließ noch am selben Tag eine Polizeiverordnung zur Registrierung der Bevölkerung in einem 500 Meter breiten Schutzstreifen und einem fünf Kilometer tiefen Sperrgebiet. Am Morgen des 29.05.1952 begann die erste Aussiedlungswelle mit insgesamt 1.252 Personen aus dem Sperrgebiet des Landes Sachsen- Anhalt. Anfang Juni begannen auch die Aussiedlungen in Thüringen und Mecklenburg. Bis zum 15.06.1952 waren bereits 8.369 Menschen ausgesiedelt worden. Diese geheim geplanten Maßnahmen erhielten den Codenamen "Aktion G" bzw. "Aktion Grenze", in Thüringen perfiderweise von der Landesbehörde des MfS mit "Aktion Ungeziefer" bezeichnet.

"Neues Leben", "Kornblume", "Frische Luft"

Bereits zwei Tage nach Errichtung der Mauer in Berlin (13.8.1961) beschloss das Politbüro des Zentralkomitees der SED verstärkte Sicherheitsmaßnahmen an der Westgrenze der DDR und leitete eine weitere Welle der Zwangsaussiedlungen ein. Besonders der streng geheime Befehl 35/61 des Ministeriums des Inneren vom 01.09.1961 zur "Ausweisung von Personen aus dem Grenzgebiet der Westgrenze der DDR" legte Personenkreis und Maßnahmen zu dessen Ausweisung fest. Die Planung und Umsetzung dieser Aktionen lag in den Händen des Ministeriums für Staatsicherheit, des Ministeriums des Inneren sowie des Ministeriums für Nationale Verteidigung. Nachdem im September 1961 bereits Familien aus den Grenzgebieten im Bezirk Potsdam sowie im Eichsfeld auf der Grundlage der "Verordnung über Aufenthaltbeschränkung" des Ministerrates vom 24.08.1961 ihre Heimat verlassen mussten, wurde am 3. Oktober 1961 nach generalstabsmäßiger Vorbereitung die "Aktion Festigung" durchgeführt. Die Bezirkseinsatzleitungen wählten hierfür die Codenamen "Osten" für Rostock und Schwerin, "Neues Leben" für Magdeburg, "Kornblume" für Erfurt, "Blümchen" für Suhl, "Grenze" für Gera und "Frische Luft" für Karl-Marx-Stadt.

Bis in die 80er-Jahre siedelte die Regierung der DDR unliebsame Personen aus. Die Zahl der von Zwangsaussiedlung Betroffenen wird auf ungefähr 12.000 geschätzt. Deren gewaltsame Vertreibung gehört ebenso wie das Verschwinden ganzer Ortschaften von der Landkarte zu den grausamsten Kapiteln der DDR-Geschichte.