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Ein Blick in die ZeitGeschichte der DDR-Literatur

15. Oktober 2021, 11:28 Uhr

Der Wettlauf der Systeme verlief für die DDR in vielen Bereichen enttäuschend. Die Buchproduktion und auch der Bücherexport liefen jedoch gut – nur verließen etliche Schriftsteller per innerer und äußerer Emigration das "Leseland DDR" bzw. ihren Staat, und auch in Sachen Lektüre gab es enge Grenzen für die Leser …

Die DDR-Geschichte ist gleichzeitig ein Stück Literaturgeschichte, mehr oder minder auch im gesamtdeutschen Bezug. Es ist aus heutiger Position schwierig, das Wirken bzw. die Rezeption von Autoren wie Thomas Mann, Günter Grass oder auch Bertolt Brecht, Stefan Heym, Reiner Kunze oder Christa Wolf aus einer reinen DDR- oder BRD-Perspektive zu betrachten. Wenn man eine DDR-spezifische Sicht versucht, so könnte man während der 40 Jahre DDR:

  • 1949 als beginnenden Versuch der Erschaffung einer neuen "sozialistischen Nationalliteratur" sehen. "Flaggschiffe" wie Brecht, Seghers und Becher gaben Anlass zu größeren Hoffnungen.


  • 1953 die große Erschütterung durch den 17. Juni (und das nicht so recht einsetzende Tauwetter…) nachvollziehen.


  • Ab 1959 die große Offensive zur Arbeiterliteratur bzw. dem "Bitterfelder Weg" feststellen.


  • Ab 1961 die Bemühung um eine abgeschottete "eigene" DDR-Literatur konstatieren – was freilich zum Scheitern verurteilt war.


  • Die nach Ulbrichts Entmachtung vollzogenen Lockerungsübungen unter Honecker schnell versanden sehen.
  • Etliche Symptome des Niedergangs Ende der 70er-/Anfang der 80er-Jahre auch im Literaturbetrieb feststellen.

Die Literatur entwickelte sich insgesamt zu einem Bereich, der gleichzeitig abgeriegelt, kontrolliert und gefördert wurde. Wer sich konträr verhielt, musste gehen oder wurde drangsaliert. Wer überzeugter Sozialist war oder wenigstens in der DDR bleiben wollte, hatte als Schriftsteller den Vorgaben von Staat und Partei zu folgen.

Literatur als "Breitenkultur"

Für die DDR-Bürger entwickelte sich Literatur zu einer "Breitenkultur" (C. Links in Großbölting 2009, S. 205f.), die einen "Reflex auf den Mangel an freien Entscheidungsmöglichkeiten" (C. Links ebenda) darstellte. Die Gedanken waren beim Lesen frei – und Bücher sowie Bibliotheken gab es in genügender Anzahl. Die staatlicherseits unerwünschten Titel und Themen waren dann vielleicht auf Umwegen erhältlich!

Nach 1989 brach dieses "Leseland DDR" ein bzw. zusammen. Von einst 78 Verlagen überlebten (in unterschiedlicher Ausprägung) nur zehn Verlage die Wende, auch im Bibliotheksnetz gab es große Einschränkungen. Die Leseintensität pro Person näherte sich schnell westdeutschen (niedrigeren) Frequenzen – Videokonsole und Computer sowie geänderte Konsum- und Freizeitmöglichkeiten schadeten besonders dem Buch. Lyrik brach in ganz besonderer Weise ein!

Bitterfelder WegDer Bitterfelder Weg sollte in der eine neue programmatische Entwicklung der sozialistischen Kulturpolitik in der DDR einläuten und den Weg zu einer eigenständigen "sozialistischen Nationalkultur" weisen. Um der Entfremdung zwischen Künstler und Volk entgegenzuwirken, sollten beispielsweise Schriftsteller in Fabriken arbeiten und Arbeiter auch selbst Bücher schreiben. Bei den meisten Künstlern fand diese Idee allerdings keinen Anklang.